Regionale Wirtschaft

Wirtschaftsleistung auf dem Land steigt

Die Bevölkerungsdichte im ländlichen Raum nimmt ab – aber wirtschaftlich bleibt er bislang stark. Das ist das Ergebnis einer Studie des Institutes der deutschen Wirtschaft. Eine Warnung für die Zukunft des "Landes" spricht das Institut trotzdem aus.

Eine neue Regionalstudie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hat die wirtschaftliche Entwicklung auf Kreisebene untersucht und zeichnet ein differenziertes Bild von der Wirtschaftskraft in Deutschland.

Demnach verkürzt das Land seinen Rückstand auf die Metropolen. Die These vom wirtschaftlich zunehmend abgehängten ländlichen Raum lässt sich nicht halten. Im Gegenteil: Viele Landkreise und kleinere Städte haben ihr Pro-Kopf-BIP von 2000 bis 2015 deutlich gesteigert – im Mittel lag das Wachstum der ländlichen Kreise nominal bei fast 48 % und damit weit über jenem der Städte.

Land ist nicht gleich Land

Doch die Zahlen müssen richtig gedeutet werden. Zu erklären ist das starke Wachstum nämlich auch durch die Kombination aus eher schwachem Bevölkerungswachstum bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Stärke. Die industriellen Mittelständler sitzen in Deutschland zu einem guten Teil in den ländlichen Regionen – und eben nicht in den größeren Städten.

Auch die Regionen selbst werden in der Studie einzeln betrachtet und bewertet. So sind die Unterschiede zwischen den Landkreisen deutschlandweit immens. Der niederbayerische BMW-Standort Dingolfing-Landau konnte sich zuletzt über eine Wirtschaftsleistung je Einwohner von gut 66.000 € freuen und war mit einem Plus von 118 % in den vergangenen 15 Jahren obendrein Wachstumsspitzenreiter.

Genau umgekehrt sieht es im niedersächsischen Landkreis Helmstedt aus: Ein Pro-Kopf-BIP von 18.600 € im Jahr 2015 und dessen Wachstum von gerade einmal 21 % seit dem Jahr 2000 bedeuten jeweils den viertletzten Platz unter allen deutschen Kreisen. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Helmstedt war als Zonenrandgebiet strukturschwach – und ist es geblieben. Außerdem liegt es im Einzugsgebiet der Autostädte Wolfsburg und Braunschweig, in die viele Helmstedter zum Arbeiten pendeln.

Wo die Wirtschaftskraft wächst. (Bildquelle: Institut der deutschen Wirtschaft)

Bayern vs. Rheinland-Pfalz

Auffallend viele prosperierende Landkreise und Kleinstädte finden sich in Bayern – was nicht nur, aber auch mit dem kleinen Zuschnitt der regionalen Verwaltungseinheiten dort zu tun hat, durch den sich kleinräumige Unterschiede nicht in dem Maße ausgleichen können wie etwa im Nachbarland Baden-Württemberg.

Die Diagnose „abgehängt“ trifft dagegen auf diverse Kreise in Rheinland-Pfalz zu. Das Problem dort: In der Südwestpfalz schaffen nicht einmal die Städte Pirmasens und Zweibrücken einen wirtschaftlichen Ausgleich, weil sie selbst daniederliegen.

Regionalpolitik mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung

Auch wenn die Situation in den ländlichen Regionen momentan also weit weniger dramatisch ist, als der Hype um die Städte glauben macht – Grund zur Entwarnung gibt es nicht. Denn dass die Städte so boomen, hängt mit grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen zusammen:

  1. Es gibt mehr Singles in Deutschland – und diese leben lieber in größeren Städten.
  2. Junge Paare ziehen auch mit Kind immer seltener ins Grüne, sondern bleiben in der Stadt – weil sich dort die Erwerbstätigkeit beider Eltern dank kurzer Arbeitswege besser managen lässt.
  3. Immer mehr Schulabgänger studieren, ziehen dazu in die Hochschulstädte – und bleiben.
  4. Die Zuwanderung aus dem Ausland konzentriert sich ebenfalls auf die Städte – weil es für viele Migranten durch die bestehenden Communitys aus dem Heimatland zumindest gefühlt einfacher ist, in der Fremde Fuß zu fassen.

Zwar ist offen, ob der Trend zum innerstädtischen Wohnen trotz der steigenden Mieten anhält oder das Landleben vielleicht doch wieder schick wird. Zu erwarten ist allerdings, dass die Unternehmen dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel in vielen ländlichen Regionen früher oder später Rechnung tragen und ihre Firmensitze zumindest in den Umkreis der wachsenden Städte verlagern.

Weil sich auch technologieorientierte Start-ups eher in den Städten finden, drohen viele ländliche Regionen irgendwann doch wirtschaftlich zurückzufallen – und bedürfen deshalb weiterhin der regionalpolitischen Unterstützung. Dabei muss es vor allem darum gehen, die demografiebedingten Probleme abzufedern.