Der Anblick ist idyllisch: Im Vordergrund glitzert die glatte Oberfläche des Mühlenteichs. Im Hintergrund blitzen die weiß getünchten Gefache eines alten Fachwerkhauses. „Hölle“ nennen die Linneper die Gaststätte der Familie Wälter, die eigentlich „Zur Mühle“ heißt. Denn nebenan stand bis in ins Jahr 1953 eine Mühle.
Seit dem vergangenen Jahr ist diese Ansicht wieder komplett. Rolf Wälter hat das Mühlengebäude wieder aufgebaut. Was als fixe Idee im Kopf begann hat sich zu einem schmucken Fachwerkgebäude mit Walmdach gemausert.
Eine Müllersfamilie
Seit Jahrhunderten sind die Wälters in Linnepe, heute ein Ortsteil von Sundern im Hochsauerlandkreis, zu Hause. Erst waren sie Müller, Land- und Forstwirte, dann auch Gastwirte. Rolf Wälter selbst ist Maschinenbauingenieur und im Job viel unterwegs. Mit seiner Familie wohnt der 50-Jährige über der Kneipe, in der seine Mutter wirkt.
Als Kind hat er zwischen den Mauerresten der alten Mühle gespielt, die 1953 abgerissen worden war. Bereits 1932 hatte die Familie den Betrieb der Mühle eingestellt. Andernorts trieb da bereits Elektrizität die Mahlwerke an.
Irgendwann bedeckten die Eltern die Mühlen-Reste mit einer dicken Erdschicht. Aber im Kopf von Rolf Wälter schwirrte die Mühlenhistorie weiter herum. Zumal sein inzwischen verstorbener Vater im Jahr 1986 ein neues Wasserrad samt kleinem Trafohäuschen gebaut hatte.
Einstieg im Archiv
Als Linnepe im Jahr 2013 auf 700 Jahre Mühlengeschichte zurückblickte, grub Rolf Wälter in einigen Archiven. Urkunden belegen, dass bereits 1313 eine funktionierende Kornmühle im Ort stand, der nach dem kleinen Fluss Linnepe benannt ist. Eine Architektin half dabei, die Mühle virtuell wieder auferstehen zu lassen.
Was fehlte, waren alte Ansichten. Es begann ein Puzzlespiel mit vielen Teilen. Auf alten Postkarten und Fotos waren zumindest Ausschnitte des Gebäudes zu sehen. Schließlich fanden sich im Archiv in Freienohl sogar alte Baupläne aus dem Jahr 1851. Nach und nach fügte sich das Bild eines Gebäudes mit einem schiefergedeckten Dach und nur wenigen Fenstern zusammen.
Bei der 700-Jahr-Feier zeigte Rolf Wälter draußen was bei der Konstruktion eines Mühlrades zu beachten ist – im Jahr 2000 hatte er selbst ein neues Holzrad gebaut. Drinnen in der Gaststätte skizzierte er die Geschichte der Linneper Mühlen, in Hochzeiten gab es vier. Wieder und wieder erzählte er von der alten Mühle. Abends dachte er „Schade, dass sie weg ist.“
Der Bagger kommt
Die Idee vom Wiederaufbau drehte und wendete er in seinem Kopf. 2018 weihte er seine Frau und seiner Mutter in seine Pläne ein. „Die waren zunächst sprachlos“, lacht er. Aber sie ließen sich überzeugen – und so kam schon kurze Zeit später der Bagger. Er schaufelte die deckende Erdschicht beiseite. Als immer mehr Steine zum Vorschein kamen, buddelten die Wälters von Hand weiter. Bald türmten sich rundherum die Steine. Auch Mahlwerke und viele Holzreste tauchten aus den Trümmern auf.
Im Dezember 2018 stellte die Familie den Bauantrag für den Wiederaufbau der Mühle. Die Genehmigung war an dem Standort mitten im Ort kein Problem. So begann Mitte 2019 der Wiederaufbau. Stein für Stein mauerte Rolf Wälter zunächst die 1 m dicken Grundmauern wieder auf. „An einem Tag habe ich 1 m2 geschafft und dabei 2,5 t bewegt.“
Beton und T-Träger
Für Halt sorgte Trasszementmörtel. Zwei Wände haben aus statischen Gründen einen Kern aus Poroton-Steinen bekommen. Dabei half ein Bauunternehmer, genauso wie bei der Zwischendecke aus Beton. Zwei wuchtige T-Träger sorgen dafür, dass der Raum im Obergeschoss ohne Stützen auskommt.
Ein Zimmermeister setzte das Fachwerk obenauf. Das Ausmauern übernahm der Bauherr wieder selbst – unterstützt von einem ehemaligen Ofenbauer aus der Nachbarschaft, der sich von der Begeisterung für den Wiederaufbau anstecken ließ.
Steine aus Polen
Die 4500 Ziegelsteine im Reichsformat kommen – genauso wie die weiß gestrichenen Holzfenster – aus Polen. Dort waren sie deutlich günstiger als aus deutscher Herstellung. Auch beim Dach gaben die Kosten den Ausschlag für eine Alternative. Statt mit Schiefer ist es jetzt mit Doppelmuldenziegeln gedeckt.
In diesem Jahr hat Rolf Wälter Tore und Türen gebaut, die Bruchsteinwände will er innen verputzen. Aber wozu will er das Gebäude verwenden? „Zurzeit ist es ein ‘Folly’“, sagt er. Im Englischen gibt es dieses Wort für Gebäude, die „foolish“ – also „verrückt“ – sind und nur zur Zierde in der Landschaft stehen.