Ralf Schmidt wollte die Osterferien mit seiner Familie auf dem Erlebnisbauernhof Katthusen von Familie Mushardt an der Nordsee verbringen. Wäre da nicht die Covid-19-Pandemie. „Es sind Tränen geflossen als Frau Mushardt uns anrief“, erzählt der Kölner. „Wenn man weiß, dass die Gäste sich auf den Urlaub freuen, und man ihnen die Freude nimmt, weil man ihnen absagen muss, tut das weh", erinnert sich Betriebsleiterin Ute Mushardt an den Anruf.
Betriebe in der Krise
Die 56-Jährige spricht nicht für sich allein. Als Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft für Urlaub auf dem Bauernhof und Landtourismus in Deutschland (BAG/Landsichten) vertritt die Niedersächsin die Interessen von 9910 Ferienhöfen. Diese befinden sich gerade in einer nie dagewesenen Situation: Die Corona-Krise führt zu massiven finanziellen Verlusten bei den Ferienhöfen.
20 000 € Verlust und 140 000 leere Betten
Laut Hochrechnungen der BAG liegen die Einbußen seit dem Shutdown am 17. März bei 200 Mio. €, 140 000 Betten stehen leer. Im Schnitt fehlen pro Betrieb 20 000 € Umsatz, in NRW sind es sogar fast 26 000 €. „In NRW erwirtschaften viele Höfe 50 % ihres Einkommens aus der Beherbergung“, berichtet Renate Carstens von der Landwirtschaftskammer NRW. Viele Ferienbetriebe beantragen die Soforthilfe. „Doch bei den immensen Verlusten sind 9000 € nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, mahnt die Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft für Bauernhof- und Landurlaub in NRW „Komm-aufs-Land“ (kurz: AG Komm aufs Land) und ergänzt: „Wir sind froh, dass die Ferienhöfe wieder öffnen durften.“
Strenge Hygiene- und Abstandsauflagen
Jedoch läuft das nicht so, wie vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Schließlich ist das Virus noch da. „Die Betriebe müssen strenge Hygiene- und Abstandsauflagen einhalten“, informiert Ute Mushardt. Ihr Verband, die BAG, erarbeitete Vorschläge an die Politik, wie die Ferienhöfe Vorkehrungen zur räumlichen Trennung der Gäste treffen und für die Einhaltung von Hygienevorschriften sorgen können.
Die BAG-Checkliste sieht neben den gültigen Infektionsschutzmaßnahmen des Robert-Koch-Instituts unter anderem vor:
- Hygienemaßnahmen: Desinfektionsspender an den Eingängen anbringen; Mitarbeiter bezüglich der Hygiene schulen; Reinigungskräfte tragen Mund-Nasen-Schutz und Handschuhe; Sensible Punkte wie Empfang, Türklinken, Treppengeländer, Lichtschalter täglich reinigen.
- Aufenthalt: Bänder und Schilder weisen auf Abstände hin. Es gibt unter anderem separate Sitzgruppen, wo die einzelnen Gastfamilien grillen können. Beim Reiten ist Einzel-Unterricht möglich. Gemeinsames Füttern der Tiere mit den Gästekindern ist nicht erlaubt. In NRW können Indoorspielräume mit Genehmigung der zuständigen Behörde geöffnet werden.
Tourismus ist Ländersache
„Der Schutz der Gesundheit hat nach wie vor oberste Priorität“, betont die Bundesvorsitzende. Gleichzeitig kritisiert sie, dass es für die Betriebe bundesweit große Unterschiede beim Neustart gibt. Denn Tourismus ist Ländersache. Zwar lockerten sowohl NRW als auch Niedersachsen am 11. Mai schrittweise die Corona-Regeln und erlauben auch die Beherbergung von Gästen unter Auflagen wieder. Nur konnten die Ferienhöfe in NRW sich nicht gleich wie die Niedersachsen auf den Neustart vorbereiten. Sie mussten nämlich auf die rechtlichen Vorgaben des Landes NRW in Form der „Anlage Hygiene- und Infektionsschutzstandard zur Corona-Schutz-Verordnung für Beherbergungsbetriebe“ warten. Diese ist erst seit dem 16. Mai beim Gesundheitsministerium abrufbar.
Hilfe im Netzwerk
In dieser Situation dürfte sich für einige allerdings die Mitgliedschaft in der AG Komm aufs Land bezahlt gemacht haben. „Wir haben ein sehr gutes Netzwerk. Von der Bundesebene gibt es viel Hilfe und Tipps auch für unsere Betriebe wie zum Beispiel mögliche Antworten auf Rechtsfragen oder eine Checkliste für den Re-Start im Landtourismus“, betont Renate Carstens, „allerdings handelt es sich hierbei nicht um rechtsverbindliche Angaben. Im Endeffekt müssen sich die Ferienhöfe immer an die zuständigen Ordnungsämter wenden.“ Die wiederum verweisen jedoch im Zweifelsfall selbst auf die Vorgaben der Landesregierung.
Sowohl Renate Carstens als auch Ute Mushardt wünschen sich, dass die Vorgaben für alle Bundesländer möglichst einheitlich sind und die Ferienbetriebe unterstützt werden. „Der Landtourismus ist wie keine andere Urlaubsform geeignet, ,Social Distancing‘ zu gewährleisten. Auf den Bauernhöfen ist viel Platz. Außerdem beherbergen sie im Vergleich zu Hotels nur wenige Gäste zur gleichen Zeit.“
Trotz Krise: Landtourimus hat große Chance
Bundesvorsitzende Mushardt sieht im Landtourismus eine starke Zukunft. „Wir schaffen die Krise. Die Ferienbauernhöfe bieten den Familien Natur, Tiere, Erlebnisse und vor allem eine Pause vom Corona-Alltag.“ Familienvater Ralf Schmidt bestätigt: „Ich finde es wichtig, meinen Kindern die Landwirtschaft und die Natur näherzubringen. Und ich selbst kann mich nirgends besser erholen als im Urlaub auf dem Bauernhof.“ Die Ferien 2021 auf Hof Katthusen sind bereits gebucht.
Tipp zum Hören: Das Portal LandReise (LV digital, Münster) sprach mit Thomas Bareiß, Tourismusbeauftragter der Bundesregierung, über über die Auswirkungen von Corona auf die Tourismusbranche, die Bedeutung von Landtourismus und Urlaub auf dem Bauernhof jetzt und in Zukunft sowie über die Notwendigkeit von Nachhaltigkeit als Zentrum von touristischen Angeboten. Hier geht es zum Podcast.