Kinder reagieren sehr unterschiedlich, wenn eine vertraute Person stirbt. Da kann auch mal folgender Satz über ihre Lippen kommen: „Wenn Oma jetzt tot ist, kann ich doch ihre Handtasche haben.“ Denn Kinder trauern anders als Erwachsene. „Kinder springen in Trauerpfützen. Das bedeutet, die Trauer ist nicht dauerhaft präsent, sondern kommt immer wieder hoch“, erklärt Petra Lessnow, Kinder- und Jugendtrauerbegleiterin aus Dorsten im Kreis Recklinghausen.
Kinder reagieren körperlich
Manche Kinder haben magische Ideen wie „Papa kommt bestimmt mit einem Ufo zurück“, sagt ihre Kollegin Ulla Kuhn, die als Trauerbegleiterin im Suizidbereich arbeitet. Der Wunsch von Kindern ist groß, wieder bei ihrem geliebten Menschen sein zu können. Deshalb wünschen sie sich manchmal selbst, nicht mehr leben zu wollen. „Solche Gedanken sind am Anfang völlig normal“, versichern die beiden Trauerbegleiterinnen, die für den Hospizfreundeskreis Dorsten tätig sind. Der Landfrauenkreisverband Recklinghausen hatte sie zu einem Themenabend „Trauerbegleitung für Kinder, Jugendliche und Familien“ eingeladen.
Weil Kinder den Verlust noch nicht so gut in Worte fassen können, zeigt sich die Trauer bei ihnen oft körperlich, etwa mit Durchfall, Übelkeit oder Appetitlosigkeit. Trauer sei aber keine Krankheit, sondern eine normale Reaktion. Schließlich muss eine Familie erstmal wieder ins Gleichgewicht finden, wenn ein Familienmitglied plötzlich nicht mehr da ist. Die Trauerbegleiterin verdeutlichen das mit einem Mobile. Fällt eine Person weg, gerät das Mobile ins Ungleichgewicht.
„Tot ist tot. Es ist wichtig, den Kindern das zu erklären“, betont Ulla Kuhn. Die Kinder müssen wissen, dass der Verstorbene nicht wiederkommt. Dabei helfen Sätze wie „Der Körper von Opa war krank, deshalb konnte er nicht mehr leben“, nennt die Trauerbegleiterin ein Beispiel.
Wichtig sei, dass die Kinder nicht die Vater- oder Mutterrolle übernehmen, wenn ein Elternteil stirbt. Mit Sätzen wie „Du bist jetzt der Mann im Haus“ tragen die Kinder einen viel zu schweren Rucksack.
Über Suizid reden
Auch wenn ein Familienangehöriger durch Suizid gestorben ist, sollten die zurückbleibenden Familienmitglieder mit dem Kind darüber sprechen. Viele Angehörige fühlen sich nach dem Suizid eines geliebten Menschen schuldig. Deshalb rät Ulla Kuhn Betroffenen, möglichst schnell an der Schuldfrage zu arbeiten, um sich von diesem Gedanken zu lösen. Die Sozialpädagogin rät Suizidangehörigen, sich dafür einer Gruppe mit Gleichgesinnten anzuschließen. Bundesweit gibt es solche Gruppen über die AGUS, die Arbeitsgemeinschaft für Angehörige um Suizid (www.agus-selbsthilfe.de). Sie selbst leitet eine solche Gruppen für Erwachsene seit mehreren Jahren in Dorsten im Soziokulturellen Zentrum „Das Leo“ in Dorsten.
Gerade wenn sich selbst jemand das Leben nimmt, sind die Hinterbliebenen wie gelähmt. Deshalb empfiehlt Ulla Kuhn den Familien, sich Hilfe von außen zu holen. Aber auch wenn ein geliebter Mensch auf andere Weise gestorben ist, kann es Eltern manchmal schwerfallen, den Alltag mit Kindern zu bewältigen. Hier können andere Verwandte oder Freunde und gute Nachbarn helfen, Rituale bei Kindern beizubehalten. Sie können beim abendlichen Vorlesen einspringen oder die Kinder zum Sport und in den Kindergarten fahren. Denn für die Kleinen sei es wichtig, weiterhin eine Tagesstruktur mit gewohnten Ritualen zu haben.
Trauer kann krank machen
Hilfe und Unterstützung bei der Trauerarbeit finden Betroffene bei einem Hospiz in ihrer Nähe, bei karitativen Verbänden und beim Jugendamt. Jeder Betroffene kann sich an speziell ausgebildete Trauerbegleiter wenden. Dieses Angebot ist in der Regel kostenlos. Fachleute helfen Familien, mit ihrer Trauer umzugehen. Das kann im Einzelgespräch, auf Wunsch später auch in einer Gruppe, stattfinden.
„In den Gruppentreffen mit den Kindern und Jugendlichen sind wir gemeinsam traurig, weinen manchmal. Aber es ist auch wichtig, gemeinsam zu lachen. Dadurch wird die Schwere des Verlusts genommen“, sagt Ulla Kuhn. Neben Gesprächen stehen in den Gruppen vor allem gemeinsame Aktivitäten wie Basteln, Pizzabacken, Theaterspielen oder gemeinsame Ausflüge auf dem Programm.
„Früher haben wir den Tod verschwiegen und verdrängt, da zählten nur Erfolge. Alles Schlechte wurde weggeschoben“, sagt Ulla Kuhn. Doch das macht die Sache nicht leichter. Deshalb sei es so wichtig, die Trauer zu leben, bevor sie einen Menschen krank macht. Und Trauer durchleben kann man auch Jahre später nach dem Verlust eines geliebten Menschen noch.
Wer eine Gruppe für Kinder und Jugendliche im Bereich Trauerbegleitung sucht, kann sich gerne an Petra Lessnow, Tel. (01 57) 85 04 49 07, und Ulla Kuhn, Tel. (01 75) 2 97 84 94, vom Hospizfreundeskreis Dorsten melden.
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