Es ist kurz vor 9 Uhr im Elefantengehege im Allwetterzoo Münster. Die fünf asiatischen Elefanten, vier Kühe und ein Bulle, haben sich noch in die Höhle auf ihrem 5000 m² großen Gelände zurückgezogen. Dann kommt Tierpflegerin Miriam. Mit einem lang gezogenen „Heee“ ruft sie ihre Schützlinge. Auf leisen Sohlen nähern sich zwei Dickhäuterdamen gemächlich dem Gatter. Heute bekommen sie etwas Besonderes zum Frühstück. Miriam serviert ihnen Nordmanntannen.
Bei dem Futter handelt es sich allerdings nicht um Weihnachtstannen, die traditionell nach dem 6. Januar (Heilige Drei Könige) abgeschmückt und aus der guten Stube verbannt werden und dann zur Abholung am Straßenrand liegen. Ausgediente Christbäume aus Privathaushalten nimmt der Zoo gar nicht erst an. „Das Risiko, dass die Tiere sich durch Lamettareste oder hängen gebliebenen Schmuck verletzen, ist zu hoch“, erklärt Jan Ruch, Sprecher des Zoos.
Die Nadelgehölze, die bei den Elefanten und unter anderem auch bei den Orang-Utans und den Wildpferden im Gehege landen, sind zertifizierte Bioweihnachtsbäume. Es sind Restbestände aus dem Handel, die es gar nicht erst bis zur lichterheiligen Tanne ins Wohnzimmer geschafft haben. „Wir bekommen die Bäume schon jahrelang von zwei Händlern aus der Region“, berichtet Jan Ruch. Laut Schutzgemeinschaft Deutscher Wald geben Händler ihre nicht verkaufen Weihnachtstannen immer häufiger an Zoos ab.
Mehr Weihnachtsbäume als benötigt
Das führt jedoch dazu, dass das Angebot die Nachfrage mittlerweile übersteigt. Auch der Allwetterzoo könnte mehr bekommen, als er benötigt. „Viele Spenden müssen wir ablehnen. 100 bis 150 Bäume reichen uns. Mehr brauchen wir nicht“, berichtet Tierpfleger Detlev, der seit 45 Jahren für das Futterhaus zuständig ist. Das Problem ist nämlich, dass die Tiere das Immergrün nicht wirklich zum Fressen gern haben. „Würde ich den Affen jeden Tag Tannenbäume hinwerfen, würden sie die irgendwann zurückwerfen“, sagt der Futtermeister scherzhaft.
Elefanten sind verspielt und fressen bis zu 150 kg am Tag
„Wir geben den Tieren die Bäume zur Beschäftigung“, erklärt Elefantenpflegerin Miriam. Unterdes tasten die beiden Elefantenkühe Corny und Kanaudi das Grünzeug mit ihren Rüsseln ab. Corny, mit 23 Jahren die jüngere von beiden, will spielen. Sie greift ihre Tanne, schleudert sie auf ihren Rücken und marschiert flott los. Kanaudi mit ihren 52 Lenzen – asiatische Elefanten werden 50 bis 60 Jahre alt – geht es ruhiger an. Sie verarbeitet den Weihnachtsbaum nach und nach zu Kleinholz. Die alte Elefantendame schleift die Tanne mit ihrem Rüssel so lange über den Betonboden hin und her, bis nur noch ein paar Zweige am Stamm hängen. Den Stamm steckt sie ins Maul. Das Holz kracht zwischen ihren Backenzähnen. Kauend macht Kanaudi kehrt und widmet sich der Heuraufe. Die abgebrochenen Zweige auf dem Boden interessieren sie nicht weiter.
In freier Wildbahn stehen Nadelgehölze auch nur ab und zu auf der Speisekarte der Elefanten. Die Rüsseltiere zählen zu den größten Pflanzenfressern im Tierreich. In erster Linie fressen sie Gras und Blätter. Eine asiatische Elefantenkuh wiegt drei bis vier Tonnen. Ein Bulle bringt fünf bis sechs Tonnen auf die Waage. Er benötigt 150 kg Raufutter pro Tag. Dabei produziert so ein großes Tier auch viel Mist, täglich etwa 100 kg.
Wievel Landwirtschaft steckt im Zoo?
Da sind Logistik und Agrartechnik gefragt. Daher arbeitet der Zoo Münster mit Landwirten aus der Region zusammen. „Es gibt hier nichts, was nicht mit Landwirtschaft zu tun hat“, berichtetFutterwirt Detlev. Bauern ausdem Münsterland holen zweimaljährlich den Mist ab und brin-gen ihn auf die Felder. Sie lie-fern Heu, Stroh, Rübenund Mais. Das Futter für die Raubkat-zen erhält der Zoo aus dem Emsland. „Wir verfüttern sogenanntes Freibankfleisch aus Notschlachtungen“, erläutert der Futtermeister, „es ist oft sehr hochwertig, aber nicht für den menschlichen Verzehr geeignet.“ Obst, exotische Früchte und Gemüse kauft der Zoo allerdings über den Großhandel in Rotterdam, weil es günstiger ist. „Schließlich sind wir auch ein Wirtschaftsunternehmen“, betont Jan Ruch.
Mammutaufgabe: Artenschutz
Dass die Tiere gut versorgt und gesundheitlich fit sind, dafür sorgt ein Team aus 45 Tierpflegerinnen und -pflegern sowie vier Tierärzten. Sie stellen die Rationen so zusammen, dass jedes Tier die Nährstoffe bekommt, die es braucht. Rund 3000 Tiere 300 verschiedener Arten leben im Allwetterzoo. Viele Bewohner stehen auf der Roten Liste, weil sie in freier Wildbahn fast ausgestorben sind. Zum Beispiel der Persische Leopard. Es gibt geschätzt noch 800 bis 1000 frei lebende Tiere. „Der Artenschutz ist eine unserer Aufgaben“, berichtet Zoosprecher Ruch, „seit vielen Jahren beteiligten wir uns an internationalen und europäischen Schutzprogrammen.“
Der Allwetterzoo Münster gilt als einer der ältesten und mit 700 000 Besuchern jährlich als einer der beliebtesten Zoos in Deutschland. Trotz der Tradition wird sich in den nächsten zehn Jahren alles ändern. Mit einer 50 Mio. € schweren Investition stellt sich das Unternehmen für die Zukunft auf und baut um. Ab Sommer 2020 greift der Masterplan für den „Klima- und Artenschutzcampus“. Nach dem Umbau können die Besucher auf dem 30 ha großen Gelände im Münsterland selbst spüren, wie sich das Klima in den Tropen oder Subtropen anfühlt. Wer die Augen aufhält, entdeckt vielleicht einen angeknabberten Tannenbaum. Die gibt es bestimmt alle Jahre wieder.
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