Wochenblatt: Im vergangenen Jahr sind neue Asbest-Leitlinien für Gebäude erschienen, mit deren Bau vor dem 31. Oktober 1993 begonnen wurde. Was muss ich wissen, wenn ich an solchen Gebäuden Baumaßnahmen plane?
Effers: Grundsätzlich stehen Baumaterialien aus diesem Zeitraum zunächst unter Asbestverdacht. Es wird geraten, eine sogenannte Asbesterkundung vorzunehmen, also entweder durch Laboranalyse oder auf anderen Wegen nachzuprüfen, ob die betroffenen Materialien frei von Asbest sind. Als betroffen gelten nur Materialien, die tatsächlich auch mechanisch bearbeitet werden sollen. Wer auf diese Erkundung verzichtet, muss sowohl bei der Ausführung der Arbeiten als auch bei der Entsorgung der Abfälle so verfahren, als handele es sich um asbesthaltiges Material.
"In manchen Fällen hilft Recherche"
Diese Beweislast-Umkehr ist eine Herausforderung für Bauherren. Wie können sie selbst erkennen, ob Bauteile asbesthaltig sind?
In manchen Fällen hilft Recherche. Einige Bauprodukte wie Rohre und Platten aus Faserzement tragen Prägestempel, mit deren Hilfe Sie erkennen können, ob das Produkt Asbest enthält: Mit NT (Neue Technologie), AF (asbestfrei) oder DIN EN 588 gekennzeichnete Produkte enthalten kein Asbest. Wenn eine bauaufsichtliche Zulassungsnummer oder ein Produktionsdatum eingeprägt sind, lässt sich darüber recherchieren, ob das Bauprodukt asbestfrei ist. Sie finden die entsprechenden Zulassungs- und Genehmigungsverzeichnisse (ab 1968) auf der Webseite des Fraunhofer Informationszentrums für Raum und Bau. In vielen typischen Fällen, zum Beispiel bei Putzen oder Fliesenklebern, gibt aber nur eine Analyse im Labor Aufschluss, ob Asbest vorhanden ist oder nicht. Die Leitlinie sieht vor, dass nur Fachleute die Proben nehmen dürfen. Wegen der höheren Kosten ist zu befürchten, dass deswegen manches Material unbeprobt bleibt.
Die Leitlinie beinhaltet Empfehlungen, keine gesetzlichen Verpflichtungen. Warum ist es dennoch ratsam, die Empfehlungen zu beachten?
Wer die Leitlinie beachtet, kommt automatisch auch den bereits schon bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen nach und vermeidet, sich und andere zu gefährden. Zum Schutz der Gesundheit ist es höchst sinnvoll, vor Beginn der Arbeiten eine Asbesterkundung durchzuführen. Im schlimmsten Fall werden sonst faserfreisetzende Arbeiten ohne die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt und das Gebäude wird mit Asbestfasern kontaminiert. Um dann gesundheitliche Risiken einzudämmen, müsste eine Fachfirma das Haus für viel Geld komplett feinreinigen.
Asbest in der Lunge
Asbest ist tückisch, auch weil die Folgen für die Lunge sich erst nach Jahrzehnten zeigen. Seit 1993 ist die Faser verboten. Bis dahin wurde sie in zahlreichen Baumaterialien eingesetzt. Asbestfasern können tief in die Lunge eindringen, von dort ins angrenzende Gewebe und Organe wandern und nach etwa 30 Jahren Tumore unter anderem in Kehlkopf und Lunge bilden.
Laut dem Nationalen Asbestprofil Deutschland verursachte der berufsbedingte Umgang mit Asbest 2017 noch 63 % aller Todesfälle infolge einer Berufskrankheit. Von 1994 bis 2017 waren das allein in Deutschland mehr als 34.000 Tote.
Absaugung und Befeuchtung mit Seifenwasser
Welche Sicherheitsvorkehrungen muss ich treffen, wenn ich an belasteten Materialien arbeite?
Kleine Arbeiten, beispielsweise ein Loch in asbesthaltigen Putz bohren, können noch selbst durchgeführt werden, wenn die entsprechenden staubarmen bautechnischen Verfahren (BT-Verfahren) zum Einsatz kommen. Diese sind auf der Seite der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) beschrieben. Häufig gehören eine direkte Absaugung und eine Befeuchtung mit Seifenwasser dazu. Größere Arbeiten sollten nur Fachleute durchführen, häufig sind dafür Geräte nötig, über die Laien nicht verfügen.
Wie muss man asbesthaltige Abfälle verpacken?
Sie dürfen auf keinen Fall stauben und müssen deshalb in verschließbaren Beuteln oder Säcken verpackt werden, sodass keine Freisetzung von Fasern erfolgt.
Vorsicht bei der Probenahme
An wen kann ich mich wenden, wenn ich überprüfen lassen will, ob in meinem Haus asbesthaltige Stoffe verbaut wurden?
Prüfinstitute und Sachverständige finden Sie über verschiedene Verbände und Verzeichnisse (siehe Kasten). Qualifizierte Fachleute entnehmen Proben sicher und können Probenanzahl und Probenort festlegen und dokumentieren. Werden Proben unprofessionell entnommen, können schon bei der Probenahme Asbestfasern freigesetzt werden.
{{::tip::standard::Nützliche Links
Die neue „Leitlinie für die Asbesterkundung zur Vorbereitung von Arbeiten in und an älteren Gebäuden“ ist hier abrufbar: www.baua.de/dok/8836860
Wer recherchieren will, ob ein Baustoff asbestfrei ist, findet die Zulassungs- und Genehmigungsverzeichnisse (ab 1968) hier: www.irb.fraunhofer.de/bzp/
Infoblätter zu emissionsarmen Verfahren stellt die Gesetzliche Unfallversicherung zur Verfügung („Ergänzungen und Aktualisierungen“ anklicken): www.dguv.de/ifa/praxishilfen-gefahrstoffe
Wer ein Gebäude oder einzelne Bauteile untersuchen lassen will, kann einen Sachverständigen zu Rate ziehen. Qualifizierte Fachleute finden sich unter anderem hier:
Sachverständigenverzeichnis der Industrie- und Handelskammern, www.svv.ihk.de,
Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger, www.bvs-ev.de,
Gesamtverband Schadstoffsanierung e. V., www.gesamtverband-schadstoff.de,
Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Forschungsinstitute e. V., www.agoef.de.::}}
Wann komme ich nicht ohne solche Fachleute aus?
Bei größeren Arbeiten in oder an älteren Gebäuden und besonders beim Kauf eines älteren Hauses kann es sinnvoll und am Ende kostensparender sein, eine systematische Schadstoffbegehung durch einen Sachverständigen durchführen zu lassen. Dieser prüft die Immobilie dann auch gleich auf weitere Schadstoffe wie PCB, PAK oder Holzschutzmittel.
Wochenblatt: Was kostet eine solche Prüfung?
Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Die Kosten einer Prüfung hängen von der Probenzahl ab und ob das Labor selbst die Probenahme durchführt. Es empfiehlt sich, mehrere Angebote zu vergleichen.
Bei der Steuer absetzen
Wie sieht es mit finanzieller Unterstützung für eine Asbestsanierung aus?
Die Kosten für eine Asbestsanierung können nach Sachlage als außergewöhnliche Belastung bei der Steuererklärung geltend gemacht werden.
Mancher meint vielleicht, er könnte verdächtiges Material eben ins Auto laden und zur Entsorgung bringen. Was kann dabei passieren?
Erstens wird der Entsorger den Abfall in dieser Form nicht annehmen. Zweitens können Sie dabei im Zweifel das ganze Auto kontaminieren und brauchen anschließend eine Feinreinigung, um Gesundheitsgefahren zu vermeiden.
Wie geht es besser?
Durch eine rechtzeitige Erkundung kann verhindert werden, das asbesthaltige und asbestfreie Abfälle vermischt werden, sodass die Menge asbesthaltiger Abfälle so gering wie möglich gehalten werden kann. Erkundigen Sie sich bei Ihrem örtlichen Abfallentsorgungsbetrieb, wo und wie Sie asbesthaltige Abfälle entsorgen müssen.
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