Das Wichtigste vorab: Für junge Frauen und Männer, die ab 1. Juli oder 1. August 2020 eine betriebliche Ausbildung begonnen haben, greift die gesetzliche Absicherung. Sie werden Pflichtmitglied in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Der Arbeitgeber meldet den „Azubi“ bei einer Krankenkasse, etwa AOK oder Techniker, an. Dabei hat der Azubi ein Wahlrecht. Oft ist es aber so, dass der Arbeitgeber den Azubi bei der Kasse anmeldet, in der er über die Eltern familienversichert war.
Für Auszubildende gilt, wie für alle Arbeitnehmer, der allgemeine Beitragssatz. Er beträgt 14,6 % der Ausbildungsvergütung (brutto). Arbeitgeber und Azubi teilen sich den Beitrag. Dazu kommt ein Zusatzbeitrag, der etwa bei der AOK Nordwest 0,9 % beträgt; Arbeitgeber und Azubi tragen ihn ebenfalls je zur Hälfte.
Ausnahme: Machen Sohn oder Tochter auf dem Hof der Eltern eine Lehre, bleiben sie als Familienmitglied in der Landwirtschaftlichen Krankenkasse (LKK) versichert. Der Landwirt zahlt für sein Kind (Azubi) ein Viertel des Unternehmerbeitrages. Im Schnitt sind das in NRW rund 80 bis 130 €/Monat.
Die Krankenversicherung übernimmt im Krankheitsfall alle notwendigen Kosten. Ab der siebten Krankheitswoche überweist die Kasse Krankengeld. Für die ersten sechs Wochen zahlt der Ausbildungsbetrieb die Ausbildungsvergütung weiter.
Welche privaten Versicherungen benötigen Berufsanfänger, um Lücken im gesetzlichen Netz zu schließen? Die Verbraucherzentrale NRW warnt davor, scheinbar maßgeschneiderte Berufsanfänger-Pakete abzuschließen. Sie seien oft zu teuer, enthielten überflüssigen Schutz und deckten existenzielle Risiken nicht ausreichend ab.
Haftpflichtversicherung ist ein Muss
Eine private Haftpflichtpolice ist ein Muss! Sie deckt Schäden ab, die man bei anderen verursacht, zum Beispiel, wenn man als Radfahrer oder Fußgänger einen Unfall verursacht und der Verunfallte ins Krankenhaus muss. Bei Personenschäden können die Regressforderungen schnell sechsstellige Summen erreichen.
Doch bei Bauernkindern gelten oft Besonderheiten:
- Wenn die Kinder, die sich in der Ausbildung bzw. einem Studium befinden, auf dem Hof (Betriebsgrundstück) leben, sind sie regelmäßig im Rahmen der landwirtschaftlichen Betriebshaftpflichtversicherung mitversichert. Das gilt nicht nur während der Ausbildung bzw. des Studiums, sondern auch danach.
- Leben die Kinder nicht auf dem Hof, sind sie bis zum 21. Lebensjahr – unabhängig davon, was sie machen – ebenfalls in der Betriebshaftpflicht mitversichert
- Leben die Kinder nicht auf dem Betrieb, sind aber schon älter als 21 Jahre, dann sind sie bis zum Ende der Ausbildung bzw. des Studiums ebenfalls mitversichert.
- Auch andere Kinder, die nicht vom Hof kommen, sind bis zum Ende der Ausbildung in der Regel bei ihren Eltern versichert und müssen keinen Beitrag zahlen. Im Zweifel sollte man sich den Haftpflichtschutz über den Vertrag der Eltern vom Versicherer bestätigen lassen, rät die Verbraucherzentrale.
Berufsunfähigkeitsversicherung ist wichtig
Die Berufsunfähigkeits (BU) -Versicherung ist für junge Leute die wichtigste private Versicherung, weil die gesetzliche Rentenversicherung bei Berufsunfähigkeit in den ersten fünf Jahren des Berufslebens in der Regel nichts leistet. Dabei sollte man wissen: Nur etwa 10 % aller Berufsunfähigkeiten sind laut Stiftung Warentest auf Unfälle zurückzuführen.
90 % werden durch Herz- und Kreislauferkrankungen, Nerven- und Gemütsleiden, Wirbelsäulen-, Knochen- und Gelenkerkrankungen sowie psychische Überlastung, etwa „Burn out“, verursacht. Deshalb raten Experten: Bereits ältere Schüler, Azubis und Studenten sollten eine BU-Versicherung abschließen.
Vorteil: Für junge Menschen, die gesund sind, ist der Schutz wesentlich billiger als für Personen, die bereits das 40. oder 45. Lebensjahr überschritten haben und womöglich an einer Vorerkrankung leiden. Besteht ein guter BU-Schutz, kann man auf eine zusätzliche private Unfallversicherung verzichten.
Worauf sollten junge Leute beim Abschluss eines BU-Vertrages achten? Dazu Versicherungsberater Burkhard Fry von der Landwirtschaftskammer NRW:
- Laufzeit: Der Vertrag sollte mindestens bis zum 60. Lebensjahr laufen. Mit 60 Jahren weiß ein Landwirt in der Regel, ob der Hof fortgeführt wird oder ausläuft. Bei Verpachtung der Flächen und Ställe fließen oft hohe Pachten.
- Rentenhöhe: Die BU-Rente sollte einen Teil des Einkommens decken, eventuell 50 bis 70 %. Für junge Landwirte sind Renten von 700 bis 1000 € als Einstieg sinnvoll. Hat man beruflich Tritt gefasst, sollte man die Rente aufstocken. Viele Versicherer bieten an, die BU-Rente zu einem späteren Zeitpunkt ohne erneute Gesundheitsprüfung zu erhöhen (Nachversicherungsgarantie). Das kann bei Hofübernahme, Heirat oder Geburt eines Kindes der Fall sein.
- Um Prämie zu sparen, sollte man die BU-Versicherung als eigenständigen Vertrag oder in Verbindung mit einer Risikolebensversicherung abschließen.
- Gesundheitsfragen: Richtige Angaben zu allen Gesundheitsfragen sind das A+O beim Vertragsabschluss. Fehlende Angaben können dazu führen, dass die Versicherung im Leistungsfall nichts zahlt. Einige Versicherer fordern bei Antragstellung jetzt auch Angaben zu einer (möglichen) Corona-Erkrankung. Deshalb sollte man Fragen zu Covid19 peinlichst genau beantworten.
- Beitragsdynamik: Versicherer bieten bei Vertragsschluss in der Regel eine jährliche Beitragsanpassung von zum Beispiel 2 % an. Das führt im Leistungsfall zu mehr Rente. Ob die Beitragsanpassung Sinn macht, ist umstritten. Kunden können der Beitragsdynamik in der Regel widersprechen, dann bleibt die Rente auf dem zuletzt erreichten Niveau.
Berufsunfähigkeitsrente durchsetzen
Eine BU-Versicherung wird in der Hoffnung abgeschlossen, dass man sie nie wirklich benötigt. Sollte doch einmal der Versicherungsfall eintreten, sind folgende Klauseln im Vertrag wichtig, um die Rente durchzusetzen:
- Volle BU-Rente ab 50 % Berufsunfähigkeit;
- Verzicht auf abstrakte Verweisung (die Versicherung verzichtet bei Berufsunfähigkeit darauf, den Versicherten auf einen anderen Beruf zu verweisen). Die Hürde (50 %) ist bei Teilzeitbeschäftigten höher als bei Vollzeitbeschäftigten. Deshalb sollte im Vertrag stehen, dass im Leistungsfall die berufliche Tätigkeit der Vollzeitstelle zugrunde gelegt wird.
- Sechs-Monats-Prognose (die BU wird anerkannt, wenn ein Arzt sie für „voraussichtlich sechs Monate“ prognostiziert).
Unser Fazit zu den Versicherung für Berufsstarter
Für Berufseinsteiger ist die BU-Versicherung wichtiger als zum Beispiel eine private Unfall-, Krankenhaustagegeld-, Zahnzusatz- oder Kapitallebensversicherung. Doch die Versicherungen bieten sehr unterschiedliche BU-Tarife an, wie „Finanztest“ berichtet (Folge 7/2019).
Deshalb sollten sich etwa Azubis vor Vertragsabschluss beraten lassen und zwei bis drei Vergleichsangebote mit gleichen Leistungen einholen. Eine neutrale Beratung bieten zum Beispiel die Versicherungsexperten bei den WLV-Kreisverbänden und den Kreisstellen der Landwirtschaftskammer NRW an.
Was kostet der BU-Schutz?
Angenommen, ein 18-Jähriger, keine gesundheitlichen Beschwerden, hat im August 2020 eine Lehre zum Landwirt begonnen. Schließt er eine BU-Versicherung über 1000 € Rente bis zum 63. Lebensjahr ab, kann er häufig in einen Tarif speziell für Auszubildende, Studierende und Berufsstarter kommen. Beim LVM zum Beispiel zahlt er erst nach zehn Jahren den vollen Beitrag, hat aber von Beginn an vollen Schutz. In der fünfjährigen Startphase werden unter 40 €/Monat fällig.