Dachgewächshaus für Gemüse

Urbane Landwirtschaft im Altmarktgarten Oberhausen

Wie funktioniert Pflanzenproduktion in der Stadt? Diese Frage elektrisiert Wissenschaftler in aller Welt. In Oberhausen gibt es eine Antwort darauf: Das erste gebäudeintegrierte Gewächshaus Deutschlands.

Von unten sieht das Dachgewächshaus auf dem Jobcenter in der Oberhausener Innenstadt aus wie eine postmoderne Dachwohnung für Besserverdienende. Doch oben, beim Eröffnungsrundgang für Journalisten, zeigte sich vergangene Woche: Hier werden Pflanzen unter hochtechnisierten Bedingungen mithilfe verschiedener Kultursysteme angebaut. Erdbeeren wachsen auf mehreren Etagen in Substratsäcken (Growbags). Salat steht auf Ebbe-und-Flut-Tischen. Kapuzinerkresse schwimmt in Teichen aus Nährlösung. Darüber sind Leuchten angebracht, die den Pflanzen Tages- und Jahreszeit nach menschengemachter Programmierung vorgaukeln. Ein Teil der benötigten Ressourcen zur Pflanzenproduktion stammt aus den Büroetagen unter dem Gewächshaus. Fotos vom Eröffnungsrundgang zeigt unsere Bildergalerie unten

Abwärme und Brauchwasser zur Pflanzenproduktion

Den Anstoß zum Bau der Anlage gab das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT). Zu seinen Forschungsfeldern zählt die Frage nach neuen Formen der innerstädtischen Lebensmittelproduktion. Eine der Antworten ist der „Altmarktgarten“. Das 1000 m2 große Produktions- und Forschungsgewächshaus ist mit dem Gebäude verzahnt. So sollen Abwärme und Brauchwasser aus dem Gebäude dazu dienen, die Pflanzen zu versorgen. „Infarming“ heißt das ­Konzept. Nicht zu verwechseln ist das mit „infarm“, einem Berliner Start-up-Unternehmen, das Gewächshäuser im Schrankformat an Supermärkte und Restaurants vermarktet.

Megastädte satt machen

Die beiden Konzepte unterscheiden sich in ihrer Dimension, haben aber auch eine Gemeinsamkeit: Sie stehen für neue Formen der Pflanzenproduktion und finden nicht auf Äckern oder in Gewächshäusern fernab der Städte statt, sondern mittendrin – nah bei den Verbrauchern. Weltweit werden solche neuen Konzepte der urbanen Lebensmittelproduktion erforscht, berichtete Volkmar Keuter vom Fraunhofer UMSICHT-Institut. Um die wachsende Weltbevölkerung mit regionalen Lebensmitteln zu versorgen, müssen neue Anbauflächen in den Ballungszentren gefunden und knappe Ressourcen wie Energie, Wasser und Nährstoffe effektiver als bisher genutzt werden, betonte der Ingenieur und erklärt: Was Pflanzen zum Wachsen brauchen, fällt auch mitten in der Stadt an. Um die Pflanzenproduktion in der Stadt zu erforschen, wurde der Bau des Oberhausener Altmarktgartens vom Bundesbauministerium mit 2,3 Mio. € gefördert.

Salat, Erdbeeren, Wasserspargel

Die Stadt Oberhausen wird 840 der 1000 m2 Gewächshausfläche betreiben. Besuchergruppen soll hier die moderne Pflanzenproduktion nahegebracht werden, freuen sich Mitarbeiter der Ruhr Tourismus Gesellschaft und des Regionalverbandes Ruhr über das neue Aushängeschild im „Pott“.

Was mit der Ernte aus den Gewächshäusern passiert, ist noch unklar. Die Produkte sollen vor Ort verkauft oder im demnächst öffnenden Café im Gebäude verarbeitet werden. Bürgermeisterin Sabine Lauxen rechnet mit folgenden Jahreserträgen: 100  000 Salatköpfe, 300 bis 500 kg Erdbeeren und 200  000 Kräutertöpfe. „Denkbar ist auch, dass wir besondere Produkte für die Spitzengastronomie anbauen, zum Beispiel den momentan sehr angesagten Wasserspargel“, so Lauxen. Gemeint ist damit Queller, botanisch Salicornia europaea, ein Salzkraut, das auch andere städtische Lebensmittelproduzenten im Angebot haben. Es passt gut in aquaponische Farmen mit einem geschlossenen System aus Fischzucht und Gemüseanbau.

Lernort für Gärtner

Auf rund 160 m2 Gewächshausfläche wird das Fraunhofer UMSICHT-Institut forschen und Partner dazu einladen. Mit dabei ist auch die Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur der Hochschule Osnabrück. Prof. Dr. Andreas Ulbrich, Experte im Bereich Gemüseproduktion und -verarbeitung, hat schon eine Idee: „Die Gartenbau-Branche braucht Fachkräfte, die mit neuen Anbausystemen umgehen können. Diese könnte unsere Hochschule berufsbegleitend ausbilden und ihren am Standort Oberhausen das gärtnerische Wissen vermitteln.“ Hier einige Eindrücke vom Eröffnungsrundgang im Altmarktgarten Oberhausen: