Wenn der Betrieb läuft, kann Jan Luicke keinen Urlaub machen. Seit sieben Jahren ist das so. 2016 übernahm der heute 30-Jährige in Holzwickede den Gartenpflegebetrieb seiner Eltern und baute ihn aus: Gartengestaltung, Pflastern, Durchforsten, Baumpflege. Die Aufträge bewältigt der Landschaftsgärtner mit fünf fest angestellten Mitarbeitern und vier Aushilfen. „Das sind alles gute Leute. Aber es ist kein ausgebildeter Landschaftsgärtner dabei, der zum Beispiel ein Gelände einmessen kann“, erklärt die Firmenchef. So muss er dauernd selbst auf die Baustellen. Die Zeit fehlt Luicke im Büro und in seinem Privatleben.
38 Stunden in vier Tagen
Ende vergangenen Jahres beschloss der Unternehmer, eine Stellenanzeige mit Wumms rauszuhauen, um den benötigten Pflasterer oder Landschaftsgärtner zu locken. Sie enthielt folgende Pluspunkte: Vier-Tage-Woche, Festgehalt einer 40-Stunden-Woche bei 38 Wochenarbeitsstunden, sieben Wochen Urlaub, Zuschuss für Kitakosten und Fitness-Studio.
Ehe die Anzeige bei Facebook erschien, hatte der Chef sich mit seinen Mitarbeitern abgestimmt und ihnen dieselben Konditionen angeboten, wie dem möglichen neuen Kollegen. Die Vier-Tage-Woche führte der Betrieb zum 1. Januar 2023 als Versuch für ein halbes Jahr ein. „Pro Tag arbeiten meine Mitarbeiter nun etwas länger als früher“, sagt der Chef. Die eine Hälfte der Belegschaft arbeitet von montags bis donnerstags, die andere von dienstags bis freitags. „Und ich bin jeden Tag da“, stellt der Unternehmer klar.
Fast Wirtschaftswunder
Dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern bei vollen Auftragsbüchern noch Stunden erlassen und Geld draufzahlen, zeigt: Der Wettbewerb um Mitarbeiter wird härter. „Arbeitskräfte sind aktuell so knapp wie seit dem Wirtschaftswunder nicht mehr“, sagt Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit. Seit Dezember 2022 melden ihm die Arbeitsagenturen, dass wieder mehr Arbeitssuchende in Jobs vermittelt werden als vor dem russischen Überfall auf die Ukraine. „Die Arbeitsagenturen erwarten, dass der Arbeitsmarkt die Folgen der Energiekrise überwindet. Die Zeiten steigender Arbeitslosigkeit infolge des Krieges dürften vorbei sein“, erklärt der Experte in einer Pressemitteilung im Januar. Für Arbeitnehmer bedeutet das: Sie haben bei der Jobsuche eine vergleichsweise große Auswahl unabhängig von ihrer Qualifikation. Berufliche Quereinsteiger sind für die Betriebe zwar nicht die Traumkandidaten. Sie können dennoch selbstbewusst auftreten und unter vielen Stellenangeboten wählen, weil es an Mitbewerbern mangelt. In Branchen mit akuter, großer Personalnot wie Sanitär-Heizung-Klima sprechen die Firmenchefs sogar bewusst Quereinsteiger an.
Noch ein Quereinsteiger
Jan Luicke hat es nicht geschafft, mit Aussicht auf eine Vier-Tage-Woche einen ausgebildeten Landschaftsgärtner anzulocken. Im März kommt ein 40-jähriger Quereinsteiger ins Team. So muss der Chef weiter die fachliche Vorarbeit auf den Baustellen machen. Um davon zumindest teilweise wegzukommen, erweitert der Unternehmer sein Geschäftsfeld. „Ich habe eine mobile Trommelsiebanlage zur Aufbereitung von Boden, Hackschnitzeln und Kompost angeschafft. Mit dieser Maschine können meine Mitarbeiter eigenständig losziehen.“
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