Es ist Montagmorgen an der Gemeinschaftsgrundschule Attandarra in Attendorn im Kreis Olpe. Während die Schülerinnen und Schüler in den meisten Klassen gerade ihre Stifte für den Unterricht herausholen, bleibt der Klassenraum der Klasse 2b heute leer. Für die Kinder geht es mit dem Bus zum Hof Belke in Attendorn-Milstenau – und das bereits zum siebten Mal in diesem Schuljahr. Drei weitere Termine stehen bis zu den Sommerferien noch auf dem Programm.
Arbeit in drei Gruppen
Ab 8.30 Uhr herrscht auf dem Hof buntes Treiben. Aufgeteilt in drei Gruppen machen sich die Schüler nach der Begrüßungsrunde im Stall sowie in dem 360 m2 großen Gewächshaus ans Werk.
- „Die Kochgruppe bereitet wie jedes Mal ein Essen aus hofeigenen Produkten für die ganze Klasse zu“, erzählt Claudia Belke. Heute gibt es Pizza. Die Kinder mahlen dazu Getreide zu Mehl. „Die Pizzasoße besteht aus Tomaten, die die Kinder vergangenes Jahr selbst geerntet haben.“
- Die Gartengruppe wird heute einen Apfelbaum pflanzen und das Frühstück für die Abschlussfeier in ein paar Wochen planen.
- Die Tiergruppe mistet den Hühnerstall aus. Außerdem macht sie es Kuh Auri im Stall bequem. Denn die Kuh wird in den nächsten Tagenein Kalb bekommen.
Jede Gruppe wird von einer Betreuerin angeleitet: Heute sind das Jule, die ihren Bundesfreiwilligendienst auf dem Hof leistet, Heilpädagogik-Studendin Lara und Leonie, Ergotherapeutin in Elternzeit. Klassenlehrerin Melanie Wandersee unterstützt die Kochgruppe.
Zusammenhänge erkennen
Betriebsleiterin Claudia Belke – selbst Grundschullehrerin – schaut heute bei allen Gruppen nach dem Rechten. Denn die 2b ist die erste von elf Klassen, die für diesen Themenblock auf den Hof kommt. „Da möchte ich schauen, ob wir noch etwas verbessern können.“Bei den ersten Hofbesuchen stehen Grundlagenthemen im Mittelpunkt, die sich auch am Lehrplan orientieren. Beispielsweise geht es um Nutztiere, Nutzpflanzen und den Wald. Ihr und ihrem Mann liegt vor allem die Bildung für nachhaltige Entwicklung sehr am Herzen. Die Schülerinnen und Schüler sollen auf Bais dieser Grundlagen selbst erkennen, vor welchen Herausforderungen die Landwirtschaft steht. Beim heutigen Besuch geht es beispielsweise um die Frage, wie viel Ackerfläche notwendig ist, um die Zutaten für eine einzige Pizza anzubauen.
„Bereits vor dem Besuch erhalten wir von Claudia Belke eine E-Mail mit dem Thema, um das es dieses Mal gehen wird“, erläutert Melanie Wandersee. Die Zusammenarbeit zwischen Hof und Schule läuft reibungslos. Das liegt ihrer Einschätzung nach auch daran, dass allen Lehrern bewusst ist, wie wichtig es ist, den Schülerinnen und Schülern dieses Wissen zu vermitteln.
Die Idee, Grundschüler regelmäßig auf den Hof zu holen, kam Claudia Belke nach ihrem Wiedereinstieg in den Beruf an der Sonnenschule, einer der vier Grundschulen in Attendorn. Sie und ihr Mann haben fünf Kinder im Alter von mittlerweile sieben bis zwanzig Jahren. „Als ich nach 15 Jahren Elternzeit wieder zurück an die Grundschule kam, habe ich festgestellt, dass die Schüler mittlerweile wesentlich weniger über Zusammenhänge in der Natur und über Landwirtschaft wissen als früher.“
Wochenkurse liefen gut
Zu diesem Zeitpunkt boten sie und ihr Mann bereits Jahreskurse für Kinder an, bei denen die kleinen Teilnehmerinnen und Teilnehmer einmal im Monat auf den Hof kamen. „Ein einmaliger Ausflug auf den Hof ist wie ein Zoobesuch. Aber wenn die Kinder regelmäßig kommen, beginnen sie die Zusammenhänge zu verstehen“, erläutert Claudia Belke die Vorteile.
Sie schlug ihrem Schulleiter vor, ein ganzjähriges Hofbesuchskonzept zum Thema „Nachhaltige Entwicklung“ für Schülerinnen und Schüler der zweiten Klasse zu erarbeiten. Oliver Wacker war von der Idee begeistert und holte auch die anderen Grundschulen der Stadt mit ins Boot. Damit bekam das Projekt eine neue Dimension: Denn an den vier Grundschulen sind das zurzeit rund 300 Kinder in elf Klassen. Jede der Klassen kommt im Laufe des Schuljahrs zehnmal auf den Hof. In der Regel finden so drei- bis viermal pro Woche Klassenbesuche statt.
Zahlreiche Förderer
- „Um ein solch umfangreiches Projekt stemmen zu können, ist Unterstützung von vielen Seiten notwendig“, weiß Claudia Belke.
- Die Stadt Attendorn übernimmt die Buskosten in Höhe von 15.000 € für das Schuljahr 2022/23.
- Fördergelder gab es unter anderem von der Stiftung „Umwelt und Entwicklung NRW“ in Höhe von knapp 57.000 € sowie von der Stiftung „Deutsche Postcode-Lotterie“ in Höhe von knapp 28.000 €.
- Für die Küche, die Belkes im Gewächshaus eingerichtet haben, wurden Leader-Mittel bewilligt.
- Vielfältige Unterstützung, unter anderem bei der Pressearbeit, gab es seitens des WLV.
„Um die Zusagen zu bekommen, war es sicher hilfreich, dass wir ganz offiziell Bildungspartnerschaften mit allen vier Grundschulen eingegangen sind“, ist sich Claudia Belke sicher. „Darin steht unter anderem, dass die Zusammenarbeit auf mindestens fünf Jahre angelegt ist. Das schafft Verbindlichkeit und gibt beiden Seiten Planungssicherheit.“Die Bewilligung der Fördergelder für das kommende Schuljahr steht derzeit noch aus. Wilhelm und Claudia Belke hoffen, dass sie auch dieses Mal positive Bescheide bekommen und noch viele Zweitklässler regelmäßig zu ihnen auf den Hof kommen werden.
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