Der Hof – das ist für viele Betriebsinhaber und -inhaberinnen ihr Lebenswerk. Hierfür haben sie hart gearbeitet, mussten immer wieder Entscheidungen treffen und Kompromisse eingehen. Dieses Lebenswerk zu übertragen, fällt daher oft nicht leicht. Hinzu kommt: Die Übergabe lässt sich nicht testen und die Entscheidung dazu nicht rückgängig machen. Sie läutet einen Lebensabschnitt ein, der mit Bedeutungsverlust zu tun hat und in der Regel den Blick auf den Lebensabend wirft.
Doch irgendwann ist der Zeitpunkt für eine Entscheidung der Hofnachfolge gekommen. Eltern bzw. Betriebsinhaber wollen es richtig – am besten allen recht machen. Doch das gestaltet sich mitunter schwierig.
Betriebsübergabe ist ein Gemeinschaftsprojekt
Unterschiedliche Vorstellungen und Wünsche aufseiten der Betriebsübergeber und Hofnachfolger sorgen häufig für Diskussionsstoff. Weichende Erben und manchmal auch noch Altenteiler wollen wertgeschätzt und in den Hofübergabeprozess eingebunden sein. Gelingt das nicht, führen Enttäuschungen darüber bei den weichenden Erben nicht selten zu schwelenden Konflikten über viele Jahre hinweg. Zerwürfnisse zwischen Geschwistern sind jedoch das Letzte, was sich Eltern und Hofnachfolger wünschen.
{{::tip::standard::Wer einen qualifizierten Hofnachfolger für seinen landwirtschaftlichen Betrieb sucht oder umgekehrt eine Betriebsübernahme anstrebt, der kann über die „NRW-Initiative außerfamiliäre Hofnachfolge“ zueinanderfinden. Nähere Informationen dazu finden Sie unter: https://hofnachfolge-nrw.de. Der direkte Kontakt ist möglich per Telefon (02 51) 23 76-310 oder per Mail, info@hofnachfolge-nrw.de.::}}
Vielen Familien gelingt trotz vieler Unwägbarkeiten eine relativ reibungslose Betriebsübergabe. Doch der Prozess dorthin ist oft lang und gelingt nicht immer. Diese Erkenntnis hat auch Iris Fahlbusch, Referentin für Weiterbildung an der Landwirtschaftskammer NRW gemacht. Als Supervisorin begleitet sie Phasen der Betriebsübergabe und weiß aus Erfahrung: „Die Betriebsübergabe ist ein Gemeinschaftsprojekt und eine hochemotionale Gemengelage. Sie kann zwei bis sieben Jahre dauern. Und manchmal findet sie auch gar nicht statt.“
Bausteine der Hofübergabe
Wer seinen landwirtschaftlichen Familienbetrieb übergeben möchte, sollte sich vorab mit Themen wie diesen auseinandersetzen.
Finanzen: Was habe ich zu vererben? Wie viel ist es wert? Wie hoch sind die Verbindlichkeiten? Ist der landwirtschaftliche Betrieb überhaupt wirtschafts- bzw. zukünftig existenzfähig? Welche finanzielle Höhe für mein/unser Altenteil stelle ich/stellen wir uns vor? Was möchte ich noch nicht übertragen? Wie und in welcher Höhe müssen, können und sollen die weichenden Erben bedacht werden?
Erbrecht und Steuern: Welche Möglichkeiten der Übertragung bestehen? Welche Ansprüche haben weichende Erben? Welche Erbschaftssteuern fallen wann und in welche Höhe an?
Wohnsituation: Wer soll wo und wie wohnen? Und wer ist wofür verantwortlich? Wie soll eine Pflegesituation bewältigt werden?
Arbeitswirtschaft: Wer bleibt wie lange GbR-Partner? Ist die Mithilfe durch Altenteiler noch notwendig bzw. erwünscht?
Betriebsübergabe frühzeitig thematisieren
Doch soll ein Unternehmen erfolgreich weitergeführt werden, müssen die Weichen dafür rechtzeitig gestellt werden. In der Regel ist ein Alter zwischen 55 und 62 Jahren ein guter Zeitpunkt für Betriebsinhaber, um in den Übergabeprozess einzusteigen. Zu diesem Zeitpunkt wird oft noch überlegt, ob und welche betrieblichen Investitionen noch sinnvoll getätigt werden.
{{::tip::standard::Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) bietet zum Thema „Betriebsübergabe – ein Gesundheitsthema“ viertägige Seminare an. Freie Plätze in NRW gibt es derzeit noch in Höxter im Seminar vom 11. bis 14. Januar 2022. Näheres dazu telefonisch unter (05 61) 785-1 05 12 oder unter www.svlfg.de/gleichgewicht::}}
Da diese mit finanziellen Verbindlichkeiten über Jahrzehnte verbunden sein können und damit existenzielle Weichenstellungen gelegt werden, sollten Übergeber bei dieser Entscheidung vor allem den oder die potenziellen Hofnachfolger mit einbeziehen.
Jenseits von etwa 75 Jahren wird eine Betriebsübergabe oft sehr schwierig, auch wenn sich Erblasser geistig und körperlich fit fühlten, findet Iris Fahlbusch. Die Hofübergabe stellt immer eine Drucksituation dar, der man dann womöglich doch nicht mehr so gewachsen ist. „Kümmern Sie sich daher frühzeitig um die Hofnachfolge und lassen Sie es nicht einfach so laufen“, sagt die Referentin für Weiterbildung.
Was es zur Betriebsübergabe braucht
Was es zur Betriebsübergabe ihrer Ansicht nach braucht, sind vor allem zwei Dinge:
- Emotionen im Sinne von Herzblut für das Unternehmen und die Familie sowie
- ein geregeltes Maß an Professionalität, um den Übergabeprozess zu gestalten.
An der Landwirtschaftskammer NRW bietet Iris Fahlbusch für Frauen im Agrarbereich im Rahmen von WiN-Seminaren (Weiterbildung im Netzwerk) spezielle Kurse an, jüngst an der Landwirtschaftskammer in Coesfeld. Hier fand ein reger Austausch zwischen den Teilnehmerinnen statt, die sich aus unterschiedlichen Positionen heraus mit einer Betriebsübergabe bzw. -übernahme beschäftigen.
Hilfreich: Wechseln Sie doch einmal Ihren Blickwinkel
Um mehr Verständnis für die Position aller am Übergabeprozess Beteiligten zu erfahren, versetzten sich die Teilnehmerinnen des WiN-Seminars in verschiedene Rollen. Dabei wurde klar:
Betriebsübergeber möchten vor allem eines: Frieden in der Familie. Wichtig sind ihnen mehr Freiheiten und weniger Arbeit auf dem Betrieb. Geklärt sein muss für sie unter anderem die Wohnsituation und Pflege im Alter. Auch möchten sie ein ausreichend hohes finanzielles Auskommen, um beispielsweise ein eigenes Auto zu haben oder in Urlaub fahren zu können.
Hofnachfolger bzw. deren Ehepartner möchten sich mit den Betriebsübergebern respektvoll und gemeinsam über die Übergabe einigen. Wichtig sind ihnen klare Verhältnisse in vielerlei Hinsicht. Dazu zählt die Klarheit in der Rolle als neuer/neue Unternehmer/-in und die Freiheit in der Neuausrichtung des Betriebes. Sie möchten rechtzeitig bei Investitionsvorhaben einbezogen werden, da hohe Ausgaben bzw. Verbindlichkeiten den Betrieb für viele Jahre wirtschaftlich einschränken können. Gewünscht sind getrennte Wohnungen mit eigener Haustür und Absprachen für die Kontakte untereinander. Wichtig ist ihnen auch der Umgang mit weichenden Erben wie Geschwistern. Auch hier wünschen sich Hofnachfolger klare Verhältnisse und Absprachen in vielerlei Hinsicht.
Weichende Erben sind stolz und froh, wenn der elterliche Betrieb weitergeführt wird. Doch sie haben auch Interesse an einem gerechten finanziellen Ausgleich. Wichtig sind ihnen die Wertschätzung als Person und die Anerkennung für ihre Mithilfe auf dem Betrieb.
Bei Betriebsübergabe mit Stolpersteinen rechnen
Hinter all den notwendigen Überlegungen im Übergabeprozess – siehe „Bausteine der Hofübergabe“ – offenbaren sich auch Stolpersteine, wie Iris Fahlbusch verdeutlicht. Das fängt häufig schon bei der Wahl des Hofnachfolgers bzw. der Hofnachfolgerin an.
{{::tip::standard::Beratung und Unterstützung bei der Hofübergabe finden Sie beispielsweise bei folgenden Anlaufstellen:
Sorgentelefon der Landfrauen in NRW, Tel. (0 25 91) 9 40 34 09, montags 18 bis 22 Uhr, mittwochs 9 bis 13 Uhr;
Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband, Tel. (02 51) 41 75 01;
Landwirtschaftskammer NRW, Tel. (02 51) 2 37 60;
Ländliche Familienberatung im Bistum Münster, Tel. (02 51) 5 34 63 49; Ländliche Familienberatung Hardehausen, Tel. (0 56 42) 98 23 66.::}}
- Wer soll den Betrieb führen? Ist er oder sie auch der bzw. die Richtige und hat die notwendigen Unternehmerqualifikationen? Und wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Machtwechsel im Betrieb?
Wie gehe ich damit um, wenn der Betrieb wirtschaftlich nicht gut dasteht? Kann ich die Situation dann auch als nicht persönliches Verschulden sehen?
- Wie festgetackert ist der Betrieb hinsichtlich Betriebszweig und finanzieller Möglichkeiten?
- Ein Knackpunkt im Übergabeprozess können auch Regelungen sein, die die Wohnsituation, eine mögliche Pflegebedürftigkeit der Erblasser oder die Höhe der Altenteilleistungen betreffen. „Es ist für Eltern nicht einfach, den eigenen Lebensstandard mit den Kindern zu verhandeln“, sagt Iris Fahlbusch. Auf der anderen Seite fällt es zukünftigen Hoferben aber auch schwer zu sagen: „Die Höhe an Altenteilleistungen will ich nicht zahlen.“
- Besonders schwierig wird der Übergabeprozess, wenn etwa Personen, die den Betrieb übergeben oder übernehmen wollen, Entscheidungen nicht treffen wollen und diese stets vor sich hinschieben.
- Auch überzogene Forderungen oder Engstirnigkeit lassen eine geregelte Übergabe nicht selten scheitern. In derartigen Phasen kann eine professionelle Begleitung sehr hilfreich sind, ist Supervisorin Fahlbusch überzeugt. Dann kann es gut sein, jemanden an der Seite zu haben, der Gespräche und Diskussion zwischen allen Beteiligten strukturiert und Emotionen bändigt.
Frühzeitig eine Gesprächskultur entwickeln
Sich seiner Bedürfnisse als Altenteiler bzw. Hofnachfolger klar zu werden ist das eine. Diese Vorstellungen und Erwartungen jedoch auch mitzuteilen, ohne dem anderen „auf die Füße zu treten“, ist das andere und fällt vielen oft schwer. Eltern tun gut daran, schon frühzeitig Diskussionen in der Familie zu trainieren, damit Spielregeln der Kommunikation beherrscht werden, findet Iris Fahlbusch.
Kurze Gespräche am Küchentisch seien dazu häufig nicht ausreichend. Für wichtige Besprechungen brauche es Zeit und einen anderen räumlichen Rahmen. Bewährt habe es sich, getroffene Absprachen und Meinungsäußerungen zu verschriftlichen und abzugleichen. „Häufig ändert sich im Nachhinein der Blick auf das was passiert oder besprochen wurde. Das ist normal, führt nur dazu, dass Besprochenes von Beteiligten unterschiedlich ausgelegt werden kann“, erklärt Iris Fahlbusch.
Fazit: Möchten Sie eine tragbare Regelung der Betriebsübergabe finden, gehen Sie respektvoll und ehrlich miteinander um. Bleiben Sie im regelmäßigen Gespräch miteinander und nehmen Sie die Interessen aller Beteiligten in den Blick. Scheuen Sie nicht professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn dies erforderlich ist. Dafür steht zu viel auf dem Spiel.
Folgende Beiträge könnten Sie ebenfalls interessieren: