Wochenblatt: Wie lässt sich in diesen ungewöhnlichen Zeiten Ordnung halten?
Andrea Baumann: Normalerweise sind gerade ältere Kinder durch die Schule stark eingespannt. Das führt dazu, dass Eltern sie im Haushalt nicht so sehr in die Pflicht nehmen. Die aktuelle Situation kann ein guter Anlass sein, das zu ändern. Machen Sie Ihren Kindern klar, dass alle einen Beitrag dazu leisten müssen, dass Ordnung herrscht. Ab einem Alter von etwa zwei Jahren können Sie Ihren Kindern schon erste feste Aufgaben geben: Beispielsweise den Tisch mit zu decken und abzuräumen. Ältere Kinder ab fünf Jahren können beispielsweise dafür sorgen, dass das Waschbecken sauber ist. Ich bin davon überzeugt: Gerade jetzt ist ein gewisses Maß an Ordnung wichtig. Wenn alles Spielzeug auf dem Boden liegt, wissen Kinder nicht, womit sie anfangen sollen. Und so kommt Langeweile auf.
Schon in der Kita gilt: Bevor ein Kind ein neues Spielzeug aus dem Regal nimmt, muss es das alte wegräumen. Dort scheint dieser Grundsatz – zum Erstaunen mancher Eltern – wunderbar zu funktionieren. Halten Sie es für realistisch, das auch zu Hause umzusetzen?
Ja, grundsätzlich schon. So lässt sich verhindern, dass ein Großteil des Chaos überhaupt entsteht. Dabei gilt es konsequent zu sein. Nur wenn Sie Ihr Kind immer wieder dazu auffordern, sein Spielzeug wegzuräumen, wird dieser Schritt irgendwann selbstverständlich. Allerdings gibt es Unterschiede zur Kita. Kinder wollen den Erziehern gefallen und testen seltener aus, wie ernst eine Ansage gemeint war. Außerdem sind die Erzieher ständig bei den Kindern. Das können Eltern nicht leisten. Vielleicht ist es daher realistischer, die Regel einzuführen, dass in bestimmten Situationen alles weggeräumt wird: vor dem Essen oder bevor es nach draußen geht.
Auf Drohungen würden viele Eltern gerne verzichten. Wenn ein Kind gar nicht reagiert, drohen sie dann doch: „Wenn du dein Spielzeug nicht wegräumst, darfst du gleich deine Serie nicht gucken.“ Gibt es andere Möglichkeiten?
Bei Sätzen mit „Wenn …, dann …“ schalten gerade willensstarke Kinder auf stur. Mein Rat: Formulieren Sie es positiv. Dabei hilft das Wort „sobald“. In dem Beispiel könnten Sie sagen: „Sobald du dein Spielzeug weggeräumt hast, kannst du deine Lieblingsserie gucken.“ Die Situation ist dieselbe. Das Kind hat so jedoch das Gefühl, selbst etwas dafür tun zu können, dass es die Sendung gucken kann.
Klingt logisch. Doch das funktioniert nicht in jeder Situation. Wenn ein Kind drinnen bleiben möchte, zeigt der Satz „Sobald du aufgeräumt hast, darfst du draußen spielen“ wenig Wirkung.
Das stimmt. Es gibt Situationen, da bleibt es einem als Eltern nur zu sagen: „Ich möchte, dass du das jetzt machst. Es kann sein, dass du da keine Lust zu hast. Aber es hat auch niemand gesagt, dass du das mit guter Laune machen musst.“ Gerade in einem solchen Moment ist es wichtig, dass Sie als Eltern bei Ihrem Kind bleiben. Wenn Sie weggehen, werden Sie nie den gewünschten Erfolg haben.
Wie sieht es mit dem umgekehrten Fall aus: Meine Tochter möchte mir unbedingt helfen, die Betten frisch zu beziehen. Ich habe aber nicht viel Zeit. Darf ich sagen, dass ich das lieber alleine machen möchte, obwohl ich sie sonst dazu ermuntere mit anzupacken?
Ja, das dürfen Sie. Sofern Sie Ihr Kind ansonsten mit sinnvollen Aufgaben in den Alltag einbinden, auf die es stolz sein kann, ist auch das erlaubt. Geschickter wäre es jedoch, den Elan ihres Kindes auf eine andere Aufgabe zu lenken. „Ich glaube, deine Puppe braucht dringend neue Bettwäsche.“ Wichtig ist, dass Eltern auch auf sich selbst achten. Denn auch sie haben Bedürfnisse.