Vorn werden Stiefmütterchen, Hundefutter und Reitstiefel verkauft. Hinten geht es um Stoffstrombilanzen, Agrardieselanträge und Ackerschlagkarteien. So kann Raiffeisen heute sein. Bei der Genossenschaft in der Region Steinfurter Land gibt es diesen Mix aus Landleben und Landwirtschaft. Anke Schräder arbeitet hinten. Im „Großraumbüro“ am Standort Ochtrup beißt sie sich durch Formulare und grübelt über Gesetzesvorgaben. Sie ist Dienstleisterin für landwirtschaftliche Betriebe, die einen Teil der vorgeschriebenen Dokumentationen und Anträge an sie auslagern. Anke Schräders Blick auf die Bürokratie in der Landwirtschaft hat sich durch fünf Jahre im Agrarbüro verändert. „Alle Vorgänge auf den Betrieben werden messbar gemacht und kontrolliert. Viele Vorgaben passen nicht in die betriebliche Wirklichkeit.“ Das kostet Nerven. Fünf Strategien helfen Anke Schräder dabei, den Bürokratiestress zu begrenzen.
1. Ran mit Plan
Rund 120 Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe zählen zum Kundenstamm der 44-jährigen Industriekauffrau. Einige brauchen sporadisch Hilfe. Andere überlassen ihr die Pflege der Ackerschlagkartei oder das Ausfüllen von Anträgen. Momentan hat die Sachbearbeiterin Zeitdruck, weil viele Betriebe ihre Düngedokumentation fertigstellen müssen. Auch die Übergänge der Betriebe von einem Wirtschaftsjahr ins nächste sind kniffelig. Um die Arbeit zu entzerren, macht sich Anke Schräder lange im Voraus einen Aufgaben-Plan. „Meine Liste arbeite ich ab November ab, damit alle Kunden zu den relevanten Fristen bedient werden“, sagt sie. Ihr Puffer für Dringendes wird regelmäßig von Landwirten beansprucht, die kurzfristig Unterlagen anfordern. Dabei wissen sie schon länger, welche Berechnungen sie benötigen. Das bringt alle Beteiligten unter Druck.
2. Meckermodus aus
Im Agrarbüro lernte die Landfrau, dass es Kräfte spart, wenn sie vorgeschriebene Dokumentationen macht statt darüber zu schimpfen. Mit dieser inneren Distanz kann sie Nützliches anerkennen. So fiel ihr in einer Berechnung ein Betrieb mit hohen Stickstoff- und Phosphatwerten durch zugekaufte Futtermittel auf. „Da konnte ich dem Landwirt sagen, dass er in diesem Punkt mal genauer schauen sollte.“ Auch die Digitalisierung der Betriebsunterlagen stößt bei Landwirten anfangs oft auf Skepsis. Die Betriebsleiter merken mit der Zeit, dass ein gutes Ablagesystem im Computer den Zugriff auf Kennzahlen und die Zusammenführung der Werte erleichtern.
3. Im Netzwerk
Türmen sich neue Herausforderungen auf, sucht Anke Schräder den Kontakt zu anderen Betroffenen. Aktuell drückt die Anlage 5 der Düngeverordnung. Damit ist eine neue Aufzeichnungspflicht verbunden, die erstmals bis Ende März umgesetzt werden muss. Wie das gehen soll, weiß Anke Schräder wenige Wochen vor der Frist noch nicht. „Die Informationen zu neuen Regelungen kommen kurzfristig. Die Formulare sind kaum verständlich und manchmal fehlerhaft“, berichtet sie. In solchen unklaren Situationen hält sie den Kontakt zu Fachleuten aus der Beratung und aus anderen Agrarbüros, um eine Lösung zu finden.
4. Ehrlich zu sich selbst
Anke Schräder sitzt morgens um acht am Schreibtisch. Unangenehmen Aufgaben kann sie als Angestellte kaum ausweichen. Da haben selbstständige Unternehmer mehr Spielraum. So beobachtet die Sachbearbeiterin, dass manche Landwirte die Büroarbeit gedanklich ausblenden oder versuchen, sie auf ihre Partnerinnen abzuwälzen. „Wenn ich das bemerke, spreche ich gezielt den Betriebsleiter an“, gibt die Büroexpertin zu. So signalisiert sie ihren Kunden: Ungeliebte Aufgaben gehören ebenso zum Beruf wie das Ackern oder die Stallarbeit. Ehrlich zu sich selbst zu sein bedeutet auch: Grenzen spüren. Was schaffe ich nicht oder nicht allein? Das muss die angestellte Bürofachfrau Anke Schräder ebenso können wie ihre Kunden. Als Teilzeitkraft mit einem Zeitbudget von 20 Wochenstunden und Mutter von zwei Kindern jongliert sie ständig mit Anforderungen.
5. Bei der Sache
Manche Kunden bewundern Anke Schräders zurückhaltende Art. „Wie bleibst du dabei ruhig?“, fragen Landwirte, die mit Aktenkram und langen Behördenwegen hadern. Ja, wie bleibt sie ruhig? Anke Schräder zieht sich fürs Büro eine Art Schutzanzug aus Sachlichkeit an. So konzentriert sie sich auf die konkrete Aufgabe und ihre Lösung. Gefühle blendet sie dabei möglichst aus. Das hilft der Sachbearbeiterin auch im Umgang mit gestressten Kunden. „Wenn einer seine schlechte Laune bei mir loswerden will, blocke ich ab. Bisher hat das immer geklappt.“
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