Straßenwärter werden

Asphaltarbeiten, Baumpflege, Winterdienst – das sind nur einige der Aufgaben von Straßenwärtern. Christian Niggemann aus ­Brilon verbindet diesen Beruf mit seiner Leidenschaft für Landwirtschaft.

Mit der Fernbedienung in der Hand steuert Christian Niggemann den Ladekran, um den Graben auszubaggern. Seine Augen verfolgen die Pendel­bewegungen der Schaufel. Haarscharf brausen Autos und Laster an ihm vorbei. Christian steht hinter blinkenden Warnbaken. Trotzdem geht kaum einer vom Gas.

Während er den Kran manövriert, hat sein Kollege Noah Becker die Straße im Blick. Vor zwei Wochen startete er seine Ausbildung zum Straßenwärter und lernte von Tag eins an, was es bedeutet, nah am fließenden Verkehr zu arbeiten. Denn Situationen wie diese sind typisch für den Alltag von Straßenwärtern: Sie arbeiten fast immer draußen an den Straßen, sind meist im Team eingesetzt und nutzen diverse ­Maschinen und Geräte, um Straßen, Brücken und Bauwerke instand zu halten.

Straßenwärter haben ­einen verantwortungsvollen, vielseitigen Arbeitsalltag. Dafür werden sie handwerklich und technisch sehr gut aus­gebildet und vergleichsweise gut bezahlt. Christian Niggemann hat das als ­Realschüler während eines freiwilligen Praktikums erkannt.

Christian Niggemann hantiert mit Ladekran (Bildquelle: Schildmann)

Technik, die begeistert

Der 20-Jährige schloss die dreijährige Ausbildung zum Straßenwärter beim Straßenbetriebsdienst des Hochsauerlandkreises 2020 mit Bestnoten ab und wurde dort übernommen. Die Straßenwärter des Kreises sind zuständig für die Instandhaltung von 420 km Kreisstraßen, 117 Brücken und 100 Stützmauern.

Was war das Beste an der Ausbildung? „Die vielen Qualifikationen, die ich erlangt habe“, antwortet der junge Mann und zählt auf: Lkw-Führerschein der Fahrerlaubnisklasse C/CE, Befähigungsnachweise zum Bedienen von Hubarbeitsbühnen, Gabelstapler, Teleskoplader, Erdbaumaschinen und Ladekran, Motorsägenschein. „Die Ausbildung vermittelt ein breites Grundwissen. Jetzt bin ich dabei, mich mit den Fahrzeugen wie Lkw, Unimog und Hubarbeitsbühne genauer vertraut zu machen“, berichtet der Straßenwärter. Um mit der Motorsäge im Hubwagen zu arbeiten, muss er noch einen Lehrgang absolvieren.

Straßenwärter brauchen Teamgeist und ein Gespür für riskante Situationen.

„Der Beruf des Straßenwärters ist in den vergangenen Jahren anspruchsvoller geworden. Wir sitzen mehr am Computer als früher“, sagt David Witteler. Er leitet den Straßenbetriebsdienst beim Hochsauerlandkreis. Am Bildschirm ist beispielsweise der Verlauf von Versorgungsleitungen einzusehen, um diese beim Ausbaggern nicht zu beschädigen. Beim Winterdienst und bei Streckenkontrollen werden die Strecken der Einsatzfahrzeuge per Satellit erfasst.

Meist im Team

Straßenwärter Christian Niggemann leitet zwei Azubis in der Straßenmeisterei in Brilon an. Die Mitarbeiter sind in Teams eingeteilt, Kolonnen genannt. Christian ist in seiner fünfköpfigen Kolonne bereits stellvertretender Kolonnenführer. Zu dessen Aufgaben gehört es, die Wochen-Arbeitspläne zu schreiben, die benötigten Maschinen zu reservieren, die tägliche Arbeit einzuteilen und anzuleiten und für eventuelle Fehler geradezustehen.

„Unsere Kolonne ist jung und motiviert. Da kann man viel schaffen. Es sind auch zwei Männer aus anderen Berufen dabei, die sich als Seiteneinsteiger schnell eingearbeitet haben“, berichtet Christian. Wer den Beruf ausüben will, muss robust und wetterfest sein, handwerk­liches Geschick, tech­nisches Verständnis und Freude am Umgang mit Maschinen mitbringen.

Alles Weitere trainieren die Auszubildenden in der Straßenmeisterei und in den überbetrieblichen Lehrgängen. Insgesamt 22 Wochen werden angehende Straßenwärter in Ausbildungszentren der Bauindustrie, des Bauhandwerks sowie in Zen­tren der Deutschen Lehranstalt für Agrartechnik (DEULA) unterrichtet. Hier erwerben die angehenden Straßenwärter Grundkenntnisse im Pflastern und Mauern, in der Betoninstandsetzung und Grünflächenpflege. Sie üben das Einrichten und Sichern von Bau- und Unfallstellen und erwerben Be­fähigungsnachweise zur Handhabung diverser Fahrzeuge.

Den theoretischen Input bekommen die Azubis an den Berufskollegs. In NRW gibt es sechs Standorte mit entsprechenden Fachklassen. Sie verteilen sich von ­Bielefeld im Norden bis Siegen im Süden.

Umgang mit Gefahren trainieren
Einsätze im laufenden Verkehr erfordern von Straßenwärtern ständige Wachsamkeit und defensives Verhalten. „Man muss eine Art Rundumblick für Gefahren entwickeln. Mein Gehör ist viel feiner geworden“, stellt Christian Niggemann fest.

„Straßenwärter müssen bei Einsätzen aufeinander achten, damit sich keine Nachlässigkeiten einstellen, etwa bei der persönlichen Schutzausrüstung oder beim Sichern von Baustellen“, betont sein Vorgesetzter David Witteler. Allerdings schätzt der Betriebsdienstleiter den Einsatz der Straßenwärter auf Autobahnen als deutlich gefährlicher ein als auf Kreisstraßen im Sauerland.

Das bestätigt Straßen.NRW, bis Ende 2020 für die Autobahn-Instandhaltung ­zuständig. „Straßenwärter in Autobahnmeistereien haben ein 13-mal höheres Unfallrisiko als Industriebeschäftigte“, stellte der Landesbetrieb 2019 fest. Zwischen 1993 und 2020 kamen 20 der rund 1900 Straßenwärter bei Straßen.NRW durch Unfälle mit Fremdverschulden ums Leben. Nicht nur der vorbeifließende Verkehr, sondern auch die Arbeit an sich birgt Risiken.

Straßenwärter hantieren beim Ausbessern von Straßenschäden mit heißem Asphalt, sie beseitigen Unfall- und Sturmschäden von der Fahrbahn und bedienen die Motorsäge in großen Höhen vom Hubsteiger aus. Im Winter sind sie nachts als Erste auf spiegelglatten oder verschneiten Straßen mit Streuer und Schiebegerät im Einsatz. Das verlangt gute Nerven und eine realistische Einschätzung der Gefahren. Betriebsdienstleiter David Witteler unterstreicht das: „Unsere Straßenwärter müssen eigenständig vor Ort Entscheidungen treffen und handeln. Nicht alles ist vom Büro aus planbar.“

Beruf und Hof im Einklang

Christian Niggemann ist auf einem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb mit Bullenmast, Ackerbau und Grünland in Brilon-Scharfenberg zu Hause. Er möchte den Betrieb, den sein Vater führt, gern weiterbewirtschaften. Dank fester Arbeitszeiten im Sommer von 7 bis 16 Uhr, im Winter von 7.30 bis 16.30 und des freien Freitagnachmittags kann er seine Zeit für den landwirtschaftlichen Betrieb gut planen.

Im Winterdienst müssen Christian und seine Kollegen einige Überstunden leisten. Diese nutzt er im Sommer, um für die Ernte im landwirtschaftlichen Betrieb freigestellt zu werden. „Ich muss meinen gesamten Urlaub nicht ein halbes Jahr im Voraus anmelden, sondern kann nach Rücksprache im Team spontan ein paar Tage frei nehmen“, berichtet er.

Beruflich möchte Christian auch vorankommen. Aktuell sammelt er Praxiserfahrung im Betrieb und peilt dann die Fortbildung zum Baumkontrolleur an. „Den Meister oder Techniker zu machen, kann ich mir in ein paar Jahren auch vorstellen.“

Straßenwärter: Einsatzbereiche und Berufsaussichten

Straßenwärter und Straßenwärterinnen werden an Bauhöfen von Kommunen und Kreisen sowie in den Straßenmeistereien des Landesbetriebs Straßenbau NRW und in den Autobahnmeistereien der Autobahn-Gesellschaft des Bundes eingesetzt.

Zuständige Stelle für alle Themen rund um Ausbildung und Prüfungen ist der Landesbetrieb Straßenbau, kurz Straßen.NRW.

Auszubildende für den Beruf als Straßenwärter sind sehr gefragt. Ende August hatte zum Beispiel Straßen.NRW noch mehr als 90 Ausbildungsplätze zu vergeben. Die Übernahmequote liegt bei 100 %.

Ausgebildete Straßenwärter haben überall in Deutschland eine Chance, eine Arbeitsstelle zu finden.

Voraussetzung für die Ausbildung ist der Hauptschulabschluss 10a. Eine Gesundheitsprüfung inklusive Sehtest ist vorab zu absolvieren.

Die Ausbildung dauert drei Jahre; verkürzen ist möglich.

Die Ausbildungsvergütung beträgt 1043 € pro Monat im ersten Ausbildungsjahr, 1093 € im zweiten Jahr und 1139 € im dritten Jahr.

Nach der Ausbildung verdienen Straßenwärter zwischen 2600 und 3200 € brutto monatlich. Hinzu kommen diverse Zulagen.

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