Alpakas machen alles gemeinsam: Fressen, laufen, schlafen, pinkeln – ja, sogar pinkeln, aber dazu später mehr. Auf einem Stück kurzgefressener Wiese im Sauerland steht René Winter neben zwei weißen und einem braunen Alpaka. Seit zwei Jahren hält der 30-jährige aus Sundern hobbymäßig Alpakas. Mittlerweile besteht seine Herde aus drei Tieren: Casimir und Bruno und Pepper.
Auch René ist inzwischen zu einem Mitglied der Herde geworden. Denn auch er mag sich nicht von seinen Tieren trennen. „Die Alpakas haben mich sesshaft gemacht“, erzählt er lachend. Jobbedingt übernachtete der Bauingenieur früher häufig auswärts im Hotel – doch das ist vorbei. „Ich nehme mir immer vor, vor Einbruch der Dunkelheit zuhause zu sein“, sagt er „Ich möchte kurz bei den Tieren vorbei schauen. Deshalb fahre ich möglichst jeden Abend zurück.“
Keine Minute allein
Angefangen hat Renés Alpaka-Liebe mit einer Alpakawanderung, die ihm eine Freundin vor gut zwei Jahren zum Geburtstag schenkte. Danach war es um ihn geschehen: Jede Woche fuhr er zu einem Freigehege und fütterte Alpakas. Als dort Tiere abzugeben waren war klar, dass René ihnen ein Zuhause schenken würde.
„Für den Umgang mit Alpakas muss man besonders empathisch sein“, begeistert sich der 30-Jährige. „Am Anfang waren Casimir, Pepper und Bruno sehr scheu. Mittlerweile sind sie entspannt wenn ich komme und lassen sich ihre Halfter anlegen.“
Ob die Tiere gestresst sind oder nicht erkennt René sofort, sagt er und deutet auf die Ohren der Tiere. „Nach hinten angelegte Ohren bedeuten Stress“, erklärt er. Angespannt sind die Alpakas dann, wenn Sie allein sind. Nicht mal die wenigen Minuten beim Scheren können sie ohne einander. Im Zweifelsfall spucken sie, um ihren Ärger zu zeigen.
Kein Wunder: In der Herde läuft nichts ohne den anderen. „Wenn die drei umherstreifen, sieht es immer so aus, als würden sie sich eine Schneise durch die Landschaft fressen“, lacht René.
Vorsicht: Dickkopf im Zaun
Obwohl René so vertraut mit Casimir, Bruno und Pepper ist, sind die Alpakas keine Kuscheltiere. „Sie kuscheln nur, wenn sie wollen“, sagt der Alpaka-Papa augenzwinkernd, während er Casimir sanft am Hals umarmt.
Auch bei den Spaziergängen, die die Vier im Sommer täglich gemeinsam machen zeigen die Alpakas, wer die Zügel in der Hand hält. „Wenn die Spazierlust vergangen ist, bleibt die Truppe einfach stehen oder legt sich an Ort und Stelle auf den Boden“, sagt René. „Das ist auch schon das ein oder andere Mal mitten auf der Straße passiert. Gutes Zureden oder Ziehen bringt da gar nichts.“ Zum Glück sind Casimir, Bruno und Pepper im ganzen Ort bekannt wie ein buntes Alpaka – und ebenso beliebt: Einige Bauern aus der Nähe stellen ihre Wiesen zum Grasen zur Verfügung, eine Nachbarin strickt Mützen aus der Wolle und auf Schützenfesten wird René gefragt, ob Wanderungen mit seinen Tieren anbietet.
Vor allem Renés direkte Nachbarn haben immer ein wachsames Auge auf die kleine Bande. Einmal steckte Casimirs Kopf im Zaun fest. „Er ist das verfressenste Herdenmitglied und wollte bestimmt das Gras auf der anderen Zaunseite probieren“, vermutet René. Das Alpaka kam weder vor noch zurück. Doch Renés Nachbarn riefen ihn sofort an und Casimir kam unbeschadet davon.
„Heimscheißer“
Der schneeweiße Casimir ist nicht nur verfressen, sondern auch der Leittier der Herde. Er ist neugierig und selbstbewusst. Außerdem bestimmt er wo das Trio gerade futtert. Der Platz als Anführer ist ihm aber nicht auf alle Zeit sicher. Auch der leicht beige Pepper wird zunehmend mutiger und größer. Als jüngstes Herdenmitglied ist er noch nicht kastriert. Bruno, erkennbar am braunen Fell, hält sich oft aus dem Gespucke um die Rangordnung heraus.„Er ist der Mitläufer der Gruppe“, schmunzelt René.
Generell verstehen sich die drei aber sehr gut und sind sich meistens einig. Zum Beispiel, wenn sie ihr Geschäft verrichten wollen. Das tun sie nämlich immer in der gleichen Ecke und vor allem nur auf ihrer eigenen Wiese. Wie manche Menschen nur Zuhause auf die Toilette gehen können, wollen sich die Alpakas nur auf ihrem Stück Wiese erleichtern – richtige „Heimscheißer“ eben. „Wenn wir spazieren gehen, werden die Alpakas nach spätestens zwei Stunden nervös und schlecht gelaunt“, erzählt René. „Dann ist klar: Sie wollen nach Hause um Abzusetzen.“
Und fängt ein Alpaka dann an die Wiese zu düngen, ziehen alle mit.
Seeluft für Alpakas
In ein paar Wochen müssen die Alpakas ihre „Heimscheißer“-Gewohnheit für ein paar Tage ablegen: Die Nordsee wartet!
Seit Jahren schon fährt René in eine Pension in Greetsiel – dieses Mal sollen die Alpakas mit. Für den Transport hat der 30-Jährige extra mit den Tieren geübt in einen Pferdeanhänger zu laufen. In der Nähe der Pension dürfen Casimir, Pepper und Bruno dann auf den Wiesen eines ehemaligen Pferdehofs grasen. Als Schattenplatz und Unterschlupf wird René einen Pavillon errichten.
Wenn alles passt, ist noch ein Ausflug auf die Insel Langeoog geplant. Dort verbringen auch einige andere Alpakas ihren Sommer. René hofft, dass sie sich über den Besuch der Westfalen freuen.
Maskottchen auf der Arbeit
„Manche erklären mich für verrückt“, sagt der Alpaka-Liebhaber und grinst „aber das macht ja nichts.“ Wer die Alpakas erst mal sieht und kennenlernt, meint René, der denkt anders.
Das galt auch für Renés Arbeitskollegen: Sie wissen von seinem ungewöhnlichen Hobby und sind mittlerweile große Fans. „Die neusten und schönsten Bilder der Herde drucke ich für meine Kollegen aus. Bruno, Pepper und Casimir hängen also nicht nur in meinem Büro an den Wänden“, erzählt der Bauingenieur. „Sie sind für alle ein Stimmungsaufheller wenn die Arbeit mal schlecht läuft.“
Manchmal setzt René die Alpakas auch strategisch für sich ein. „Wenn ich weiß, dass ich eine Online-Sitzung etwas ernster werden könnte, ändere ich mein Hintergrundbild in eines der Fotos von meinen Alpakas“, sagt René. „Das lockert die Stimmung oft ein bisschen.“
Ein Reh für die Herde?
Zwischen den Tieren wirkt René entspannt und ruhig. Und auch die drei Alpakas geben keinen Mucks. „Sie sind in den allermeisten Fällen still“, sagt René. Damit die Alpakas „summen“, also Laute von sich geben, muss schon etwas passieren. Auf einem gemeinsamen Ausflüge hat Casimir vor ein paar Wochen ein Reh entdeckt. „Es schien, als hielte er das Reh für einen Artgenossen und wollte es zu der Herde rufen“, erzählt René „Solche Geräusche habe ich noch nie aus seinem Maul gehört. Es war herzzerreißend.“
In diesen Momenten fühlt René Winter mit, als würde er selbst zur Herde gehören – und wenn man ganz ehrlich ist, gehört er längst dazu. Nur pinkeln, das tut er noch alleine.
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