Erst mal herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Anfang Januar sind Sie 50 geworden. Wie war das ohne große Sause?
Das war schwierig, im ganz kleinen Kreise. Mein Vater hat am gleichen Tag Geburtstag. Wir wohnen ja gegenüber und sind ein bisschen hin- und hergelaufen.
Haben Sie gerade so etwas wie Phantomschmerzen? Sie sind ja gerne unter Leuten.
Das ist ein echter Schmerz! Karneval habe ich das extrem gemerkt. Diese Zeit bedeutet für uns hier im Dorf zusammen zu sein.
Der Sänger Johannes Oerding, der auch am Niederrhein aufgewachsen ist, hat mal gesagt: „Dorfleben ist die beste Grundausbildung fürs Leben.“ Warum würden Sie das unterschreiben?
Weil ich immer wieder merke, dass ich so ein paar Tugenden mitbekommen habe. Unser Kompass hängt einfach gerade. Wir wissen, was sich gehört und was sich nicht gehört. Dazu gehören Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, nicht Rumschwätzen, einfach keine Luftpumpe zu sein. Dieses füreinander einstehen, das merke ich jetzt auch bei unseren Kindern. Wenn da auf einer Fete einer kotzt, dann wird da nicht die Kamera drauf gehalten, sondern sich untergehakt und geholfen.
Zur PersonSteffi Neu gehört zu den bekanntesten Stimmen im WDR-Radio. Seit 25 Jahren moderiert sie verschiedene Formate, zunächst bei 1Live, seit 2000 bei WDR2. Montags bis freitags ist sie alle zwei Wochen die Stimme der Vormittagssendung, samstags unterhält sie in der Steffi-Neu-Show. Für ein Interview mit Thomas Gottschalk gewann sie 2016 den Deutschen Radiopreis. Sie ist ein Landkind – und zelebriert das auch. Aufgewachsen ist sie auf dem elterlichen Hof in Keppeln, einem Ortsteil von Uedem im
Kreis Kleve. Heute lebt sie mit Mann und zwei Kindern auf einer Hofstelle gegenüber. Zum Studium (Politik, Psychologie und Staatsrecht) zog sie nach Bonn. Den Betrieb mit Schweinemast und zugehörigem Ackerbau, Kartoffeln, Zuckerrüben und einer Biogasanlage bewirtschaftet ihr Bruder. Sie ist auch im Ort engagiert, unter anderem als Vorsitzende der Karnevalsgesellschaft.
Ist Ihnen das Dorfleben nie zu eng geworden?
Also ich würde nicht nur hier wohnen wollen, weil ich einfach andere Meinungen brauche und andere Schwingungen. Wir haben hier viel Platz, trotzdem ist es im Kopf manchmal eng. In Köln ist der Platz begrenzt, aber die Köpfe sind weiter, so tolerant und mit einer Gelassenheit, andere auch gewähren zu lassen. Ich habe eine kleine Wohnung im Agnesviertel in Köln, in der ich während meiner Sendewochen öfter bleibe. Aber hier in Keppeln ist meine Basis. Ich bin ein Dorfmensch. Ich liebe es total, alle zu kennen, dazu diese Rituale und Traditionen. Alles kann sich ändern, aber am ersten Wochenende im Oktober ist Kirmes im Dorf.
Hilft Ihnen diese Basis auch im Job?
Ja, viele meiner Freunde habe ich schon seit 30 oder 40 Jahren, mit meinem Mann bin ich seit 20 Jahren verheiratet. Es ist eine Sicherheit, ein fester Rahmen, der mich auch in meinem Job extrem entspannt und gelassen sein lässt. Das sind die Wurzeln und die sorgen dafür, dass du nicht so schnell umkippst. Dazu kommt ein gewisser Pragmatismus. Anpacken, nicht lange erzählen, sondern einfach tun, das ist im Job auch wichtig.
Ihre Moderationen kommen immer so locker-flockig daher. Wie viel Arbeit macht das?
Es ist sehr locker-flockig, weil ich es sehr lange mache. Diese Routine sorgt für eine tiefe Gelassenheit. Ich schreibe es aber schon auf. Die Fakten müssen stimmen, es muss Hand und Fuß und einen Anfang und ein Ende haben.
Sind Sie beim WDR das Quoten-Landei?
Ich glaube wohl. Jemand, der bewusst auf dem Hof geblieben ist, den gibt’s sonst nicht. Ein Konzept steckt aber nicht dahinter. Wenn ich vom Leben auf dem Land erzähle, gibt es oft Resonanz von Hörern. Auf dem Land bekommt man einfach andere Sachen mit. Wir können riechen, wenn der Frühling kommt. Du merkst, wie die Dinge wachsen. Da kannst du in Köln lange riechen, da merkt keiner was.
Welchen Blick haben Sie aktuell auf Landwirtschaft?
Ich kann verstehen, dass Landwirte es leid sind, immer den Schwarzen Peter zugeschoben zu bekommen, wenn’s irgendwelche Produktkritik oder andere Probleme gibt. Dazu das Klischee, dass der Bauer von Subventionen lebt. Ich finde Landwirte müssen ihre Höfe öffnen, auch wenn viele keine Vermarkter sind. Sie müssen den Verbrauchern zeigen, was sie tun. Sie sind jeden Tag 24 Stunden, sieben Tage die Woche für ihre Produkte da. Da kann man doch zeigen, wie viel Liebe dahintersteckt. Die Landwirtschaft ist der Ursprung von allem. Hier wird geboren und hier wird gesät. Hier fängt alles an.
Sie haben auch schon mal gesagt, es sei manchmal schwierig, Interviewpartner aus der Praxis zu finden.
Ja, am Ende landen wir immer beim Kreisbauern. Dabei wäre es manchmal so gut, die direkte Stimme aus der Praxis zu haben. Zu einem Schweinethema brauche ich einen Schweinebauern und nicht den Funktionär, der Kühe hat.
Sie sind im Kreis Kleve zu Hause. Was macht die Region für Sie aus?
Unsere Sprache. Wir haben so eine Mischung aus dem Plattdeutschen und dem Holländischen. Ich kann immer hören, ob das jemand von uns ist. Dann natürlich die Landschaft. Wir gehen oft in Uedemerbruch oder im Hochwald spazieren. Da gibt es Wälder mit Lichtungen, wo du Rehe laufen siehst. Da kann man einfach nur stehen und sagen: Wie geil ist das denn?