Fürstenberg feiert Jubiläum

Porzellan von der Weser

Die Porzellanmanufaktur Fürstenberg gibt es seit 275 Jahren. Das Museum zeigt, wie die feine Keramik entsteht und wie sich die Marke entwickelt hat. Zum Jubiläum können Gäste Schätze entdecken.

Was heute das Tesla-Werk in Brandenburg ist, war 1747 die Porzellanmanufaktur im Schloss Fürstenberg an der Weser. Sie liegt unmittelbar an der heutigen Grenze zu NRW. Diesen Vergleich zieht Dr. Christian Lechelt, Leiter des Museums im Schloss. „Im 18. Jahrhundert war Porzellan eines der innovativsten Produkte“ sagt er. Der Manufaktur-Gründer Herzog Carl I. von Braunschweig-Lüneburg (1713–1780) versuchte damit, die Wirtschaftskraft der Grenzregion anzukurbeln. So widmete der Landesherr die einstige Grenzfestung und das spätere Jagdschloss zu einer Manufaktur für Porzellan um. Sie blickt in diesem Jahr auf eine 275-jährige Geschichte zurück. Damit ist Fürstenberg die zweitälteste am selben Standort produzierende Porzellanmanufaktur Deutschlands nach Meißen.

Tag der Offenen Manufaktur

Am Sonntag, 28. August, gewährt die Porzellanmanufaktur Fürstenberg ­einen Blick hinter die Kulissen. Von 10 bis 17 Uhr erfahren Besucher, wie das Porzellan geformt, gebrannt und schließlich farbig dekoriert wird. Auf dem Schlosshof findet ein buntes Sommerfest statt mit Live-Musik, Kinderschminken und verschiedenen Ständen mit Speisen. Der Eintritt in die Fertigung und den Schlosshof ist gratis, ins Museum auf 5 € reduziert. Dort bestimmt Leiter Dr. Christian Lechelt Porzellan der Gäste.

Rohstoffe im Solling

Alles rund um die Geschichte der Manufaktur und des weißen Goldes, als das Porzellan lange galt, erfahren Gäste in dem 2017 komplett erneuerten Museum im Schloss. Es verfügt mit rund 20  000 Objekten über die umfangreichste Sammlung Fürstenberger Porzellan weltweit. Bis 1974 war das Schloss selbst noch Betriebsstätte. Heute liegt diese nebenan.

Das Schaumagazin zeigt kostbare Figuren aus dem 18. Jahrhundert, kuriose Gerätschaften des 19. Jahrhunderts und seltene Design-Ikonen aus dem 20. Jahrhundert. (Bildquelle: Schildmann)

Den Auftakt des Rundgangs bildet die Alte Polierstube. „Die Produktion von Porzellan ist sehr energieintensiv – damals wie heute “, erklärt der Museumsleiter. Im benachbarten Höhenzug, dem Solling, fand man nicht nur genug Holz für das nötige doppelte Brennen des Porzellans, sondern auch Kaolin. Diese weiße Tonerde ist neben Feldspat und Quarz die entscheidende Zutat für die weiße ­Keramik. „Zur Hälfte besteht Porzellan aus Kaolin“, so Christian Lechelt. Die Grube im Solling ist schon lange erschöpft, heute stammt die Tonerde aus dem Ausland.

Die Experimente der Arkanisten

Neben den Zutaten war das Wissen um die Herstellung entscheidend. Die Arkanisten, wie die Porzellankundigen hießen, experimentierten viel, bis sie das Material mit seinem Glanz, der Lichtdurchlässigkeit und dem strahlenden Weiß hatten. Diese Experten waren im 18. Jahrhundert noch mehr Alchemisten als Chemiker. In Fürstenberg saß der Herzog zunächst ­einem Scharlatan auf bis im Jahr 1753 die ersten Teller, Vasen und Figuren aus echtem Porzellan entstanden. Im selben Jahr verfügte er, die Porzellanstücke mit einem blauen „F“ zu versehen. Die Marke war geboren – und ebenso der Ort Fürstenberg. Um das rauchende Schloss, wie es Annette von ­Droste Hülshoff nannte, entstand eine Arbeiter­siedlung, der heutige Ort Fürstenberg.

Die Porzellanmalerin bannt mit sicherem Pinselstrich die schönsten Motive auf den weißen Scherben. (Bildquelle: Schildmann)

„In Herz und Hand“

In die Dauerausstellung des ­Museums ist zum Jubiläum die Sonderschau „In Herz und Hand. 275 Jahre Fürstenberg Schätze aus Privatbesitz“ integriert. Viele der Stücke sind bisher noch nicht öffentlich ausgestellt worden. Gäste entdecken 15 Teller aus einem berühmten Service von Herzog Carl, auf dem er Städte, Regionen und Orte seiner Herrschaft verewigt hat.

Mit 185 Einzelteilen präsentiert sich zum ersten Mal in Deutschland das größte Service aus Fürsten­berger Porzellan, das im 18. Jahrhundert für einen Kunden in den Niederlanden bestimmt war. Als das „Holländischen Service“ erlangte es Bekanntheit.

Bunt wird es mit den Stücken aus dem ehemaligen Zweigbetrieb in Dresden, der für seine aufwendigen Malereidekore bekannt war. „Er existierte aber nur wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg“, erzählt Christian Lechelt. Nach dem Krieg kam es zu einer sprunghaften Nachfrage nach Luxusporzellan.

Kannen als Spiegel der Zeit

In einem Raum des Museums entdecken die Gäste die „Kaffeegesellschaft“, die aufwendigste Porzellanplastik, die die Manufaktur je hergestellt hat. Zum einen erfährt man, aus wie vielen Einzelteilen die Figur besteht, zum anderen welche Bedeutung das angefertigte Figurenensemble im historischen Kontext des 18. Jahrhunderts hat.

Besonders illuminiert ist die Figur „Kaffee­gesellschaft“. Sie besteht aus einem kleinen Kaffeetisch mit acht Figuren. (Bildquelle: Schildmann)

So schafft die Dauerausstellung es immer wieder, die kunsthandwerkliche Bedeutung in ihrem historischen Hintergrund einzuordnen. In einem anderen Saal treten Kaffee-, Tee- und Schokoladenkannen quer durch die Jahrhunderte als Zeitzeugen auf. Dabei verschweigt die Schau nicht, dass für die Nazis Porzellan mit Hakenkreuz dekoriert wurde.

Der Boom der "Fürstin"

Die Nachkriegszeit sorgte für einen Boom der Porzellanmanufaktur. Die Form „Fürstin“ mit ihren klaren Linien deckte den Nachhol­bedarf an hochwertigem Geschirr. In den 1970er-Jahren arbeiteten mehr als 500 Personen für die Manu­faktur und eine neue Produktionsstätte wurden errichtet.

Ab dieser Zeit zeichnete sich aber eine Trendwende in der deutschen Porzellanindustrie an, ausgelöst vor allem durch Billigimporte aus anderen Ländern. Manche tradi­tionsreiche Manufaktur ging ­bankrott. Die Marke Fürstenberg überlebte.

Alte Stücke und moderne Formen entdecken Gäste im Porzellanmuseum Fürstenberg. Berühren ist an vielen Stellen erlaubt. (Bildquelle: Schildmann)

Im Besitz des Herzogtums war sie hingegen nur bis 1859. Dann verpachtete das Adelsgeschlecht Produktion und Markenrechte zunächst an einen Privatbesitzer und anschließend an eine Aktiengesellschaft, die sie Ende der 1960er-Jahre an die Norddeutschen Landesbank abgab. Seit 2019 gehört die Manufaktur dem Land Niedersachsen und hat etwa 80 Mitarbeiter. Seit ein paar Jahrzehnten ist sie zu ihren Wurzeln zurückgekehrt. Sie bietet Qualität und Luxus für eine breite Kundschaft.

Für Besucher

Die Jubiläumsausstellung läuft bis zum 30. Oktober 2022.
Eintrittspreise: 8,50 € für Besucher ab 16 Jahren; 5,50 € ermäßigt und Kinder (7 bis 15 Jahre)
Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags sowie an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr.
Die Besucherwerkstatt ist dienstags bis sonntags von 10.30 bis 12 Uhr und von 12.45 bis 16.30 Uhr besetzt. Im Februar, November und Dezember ist sie nur an Wochenenden und Feiertagen geöffnet. An Tagen, an denen die Besucherwerkstatt nicht in Betrieb ist, gilt ein reduzierter Eintrittspreis in Höhe von 5 €.
Adresse: Meinbrexener Straße 2, 37699 Fürstenberg.
www.fuerstenberg-schloss.com

Produktion wird lebendig

Bis heute steckt viel Handarbeit in der Produktion. „Das ist keine Massenware“, sagt Christian ­Lechelt. Dabei passt die Marke sich veränderten gesellschaftlichen Einflüssen an. In der Nachkriegszeit fertigte sie zum Beispiel erste Service für den Singlehaushalt. Innovationen wie extragroße Tellerradien, nicht tropfende Kannen oder doppelwandiges Porzellan stammen aus Fürstenberg.

Ungewissheit herrscht, was die Energieversorgung angeht. Obwohl sie das Gas aus den Niederlanden bezieht, könnte die Manufaktur laut NDR einer der ersten Betriebe sein, die bei einer Rationierung vorerst aufhören müsste. „Die Manufaktur hat in den vergangenen 275 Jahren ihre Zähigkeit bewiesen. Sie wird auch diese Krise meistern“, ist der Museumsleiter überzeugt. Den Abschluss des Rundganges bildet die Besucherwerkstatt: An vier Plätzen werden typische Techniken vorgeführt. Wer mag, darf selbst einen Teller bemalen und als Andenken mitnehmen.

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