Pflege heißt abhängig sein

Samuel Koch, bekannt nach seinem „Wetten dass ...?“-Unfall, berichtet von seinen Erfahrungen beim Pflege-Symposium in Münster.



Fast lautlos fährt Samuel Koch mit seinem Multifunktionsrollstuhl an den Zuschauern vorbei. In Höhe der ersten Stuhlreihe bleibt er stehen. Sein Blick ist nach vorn auf den Moderator Werner Hansch gerichtet. Der wird in wenigen Minuten vor etwa 120 Teilnehmern des Pflegesymposiums ein Interview mit ihm führen. Mit ihm, Samuel Koch, den alle kennen, seit er im Dezember 2010 vor laufender Kamera ins Unglück stürzte.

Immer wieder senkt der 26-Jährige seinen Kopf. Den Blickkontakt zur Menschenmenge sucht er zögerlich. Seitliche Drehbewegungen mit dem Kopf in Richtung Publikum fallen ihm schwer. Er wirkt nachdenklich und zurückhaltend. Dann kommt ihm ein Pfleger zu Hilfe und begleitet ihn nach vorn zum Podium.

Rund um die Uhr Pflege

Ohne die Unterstützung eines Pflegeteams wäre Samuel Koch hilflos. Rund um die Uhr ist er auf fremde Hilfe angewiesen. Ein Team aus Krankenpflegern, Physiotherapeuten und Logopäden ist die Verlängerung seiner Arme und Beine. „Meine Hände und Finger hängen herunter wie ein toter Fisch. Ich kann damit nicht greifen, kann gar nichts alleine tun“, sagt er. Bei den kleinsten Verrichtungen des täglichen Lebens wie essen, trinken, Nase putzen, Zähne putzen, telefonieren oder lesen ist er auf die Assistenz anderer angewiesen. „Das zieht sich durch den ganzen Tag hindurch“, erzählt er mit leiser Stimme und kurzem Atem.

Pflegegeld reicht nicht
Die Pflegestufe III reiche nicht, sagt Samuel Koch. Die Kosten für 21,3 Stunden Pflege täglich werden ihm von der Krankenkasse finanziert, berichtet der 26-Jährige. Doch das sei zu wenig. Seine Familie unterstütze ihn. Vom ZDF habe er nach dem Unfall eine Einmalzahlung erhalten, die nach einem Tag Intensivstation verpufft sei. Um notwendige Zusatzleistungen von der Kasse zu erhalten, müsse er stets verhandeln.

Dass er sich heute im Rollstuhl bewegen kann, hat er nicht zuletzt seinem starken Willen zu verdanken. Täglich hält er seinen Körper fit durch Physio- und Ergotherapie. „Ich habe einen starken Optimierungsdrang und will nicht aufgeben“, sagt er. Körperliches Training bis an die Leistungsgrenze, das sei er als ehemaliger Profikunstturner gewöhnt.

Weg der vielen kleinen Schritte

Seine Behandlung ist von vielen kleinen Fortschritten, viel Stillstand und manchen Rückschritten geprägt. Zu seinen Minierfolgen, wie er sagt, zähle, dass sich die Atmung und der Kreislauf weiter stabilisiert haben. Die Oberarme kann er leicht anheben, einen kleinen Zeh ansteuern und auch die Tiefensensibilität habe sich verbessert. „Die Weltherrschaft kann ich damit nicht an mich reißen“, witzelt er.

Dennoch: Seine Lage zu akzeptieren, das komme ihm dem Aufgeben zu nahe. Und so hat er im Februar seine Schauspielprüfung bestanden und wird zukünftig als Ensemblemitglied am Staatstheater Darmstadt auf der Bühne zu sehen sein. „Ich muss sehen, dass ich arbeite“, sagt Samuel Koch. Und dies klingt ein wenig merkwürdig, aus dem Mund eines schwerst Pflegebedürftigen. LHo