Kunst aus Holz

"Onkel Krach" schnitzt mit der Motorsäge

Andreas Stentrup aus Ascheberg hat jede Menge Motorsägen. Damit fällt er allerdings nur selten Bäume. Viel lieber schnitzt er mit der rotierenden Kette Pilze, Eulen, Adler und ganze Bären.

Fine und Mika haben Andreas Stentrup den Spitznamen verpasst, der in weißen Buchstaben auf seinem grünen Pullover prangt: Onkel Krach. Schließlich geht es immer ziemlich laut zur Sache, wenn Nichte und Neffe ihren Onkel besuchen und der gerade seinem Hobby frönt. Mit Gehörschutz auf den Ohren macht er „Kunst mit der Motorsäge“. Auf einem Hof in Ascheberg (Kreis Coesfeld) hat er sich dafür einen Schnitzplatz eingerichtet. Bei Wind und Wetter ist der 35-Jährige hier anzutreffen. Auf rund 500 m2 lagern unbearbeitetes Holz und angefangene Skulpturen. Vor Regen schützt in etwa 4 m Höhe ein selbst gebautes Abdach.

Wie fast im Handumdrehen ein Pilz entsteht, zeigt unser Video.

Entspannung an der Säge

Wenn die Motorsäge knattert, ist Andreas Stentrup hoch konzen­triert. Sobald die Säge wieder schweigt, zufrieden und entspannt. Fast immer arbeitet er ohne Vorzeichnung. Manchmal stellt er sich ein Bild oder kleine Tierfiguren aus Plastik neben seinen Arbeitsplatz.

Ein bis zwei Tage pro Woche steckt er inzwischen in sein Hobby, das mittlerweile auch ein kleines Gewerbe ist. Hauptberuflich ist Andreas Stentrup als Meister für Rohr-, Kanal- und Industrieservice viel unterwegs. Er betreut Unternehmen, die sein Arbeit­geber mit Ausrüstung für Kanalsanierungen ausstattet.

Adler oder Eule? Wenn die Motorsäge in seiner Hand knattert, ist Andreas Stentrup hoch konzentriert. Aus rohem Holz schnitzt er dann Figuren. Meist dauert das zwei bis vier Stunden. Den Plan hat er im Kopf, Vorzeichnungen macht er fast nie. (Bildquelle: B. Lütke Hockenbeck)

Start im Schwarzwald

Seine Leidenschaft gehört aber dem Holz. Der Funken sprang bei einem Kurs über, den seine Eltern ihm zu seinem ersten Berufsabschluss als Garten- und Landschaftsbauer geschenkt hatten. Im Schwarzwald schnitzte er mit 18 Jahren seine erste Figur, einen Adler – und war Feuer und Flamme. Zu Hause machte er einfach weiter. An den ersten Kunstwerken arbeitete er im Garten seines Elternhauses mitten in Herbern, einem Ortsteil von Ascheberg. Auf Dauer fanden die Nachbarn das allerdings nicht lustig, weil es ziemlich laut zugeht. So suchte er sich schnell außerhalb einen Platz zum Schnitzen.

Ein Adler war eine der ersten Figuren, die er geschnitzt hat. (Bildquelle: B. Lütke Hockenbeck)

Erst hantierte er mit der einfachen Brennholzsäge seines Vaters, dann mit Spezial-Werkzeug. „Carvingsägen“ – also „Schnitzsägen“ – heißen die Modelle. Ihre Besonderheit ist, dass ihre Schneidgarnituren vorne spitz zulaufen. Beim Schnitzen kommt dann das vordere Drittel der Schiene zum Einsatz – ganz anders als bei der Alltagssäge. Eine weitere Besonderheit der Carvingsägen: Aufgrund des kleineren Durchmessers der Schwertspitze ist die Gefahr eines Rückschlags deutlich geringer.

Mit der Spitze dieser kurzen Sägeschiene lassen sich auch feinere Konturen arbeiten. (Bildquelle: B. Lütke Hockenbeck)

Spezialsägen zum Schnitzen

Ein gut geeignetes Basismodell ­kostet inklusive Umrüstung fürs Schnitzen etwa 300 €, schätzt Andreas Stentrup. Nahezu jede Säge lasse sich zum Schnitzen umbauen. Er macht das entweder selbst oder überlässt es einem Fachbetrieb. In seinem eigenen Fundus zählt er mittlerweile 25 verschiedene Sägen. 20 cm lang ist die kürzeste Schiene. 90 cm misst die längste. Sie kommt bei Vorarbeiten zum Einsatz.

Rund zwei Dutzend Motorsägen hat Andreas Stentrup inzwischen. Je kleiner die Schiene, desto feiner kann er mit ihnen schnitzen. (Bildquelle: Hertleif)

Als Erstes entfernt Andreas Stentrup Rinde und Splintholz. Dann kann er sehen, ob das Holzstück Schäden oder Schwachstellen hat. Anschließend arbeitet er die Konturen heraus und wird immer filigraner. „Beim Carving fahre ich permanent Vollgas“, erklärt er. Dann läuft die Kette gleichmäßig und lässt sich besonders zielgenau durchs Holz steuern.

Lieblingsholz Eiche

Fast alle Figuren schnitzt Andreas Stentrup aus Eichenholz. „Das lässt sich gut bearbeiten und hält auch, wenn es dauerhaft draußen steht.“ Eine Ausnahme ist das größte Projekt, das Andreas Stentrup bisher bewältigt hat. Im vergangenen Jahr konnte er über einen Freund an einen Schwung Pappelholz kommen. Innerhalb weniger Wochen wurde daraus eine Krippe mit 18 lebensgroßen Figuren.

Auf der Amtswiese in Herbern wird auch in diesem Jahr diese Krippe mit lebensgroßen Figuren stehen. Andreas Stentrup und Lukas Mathmann haben sie im vergangenen Jahr aus Pappelholz geschnitzt. (Bildquelle: Stentrup)

Krippe im Hochsommer

Mit dabei war damals mit Lukas Mathmann ein „Carving-Kollege“ aus Herzebrock-Clarholz im Kreis Gütersloh. „Da stehst du dann irgendwann im Hochsommer und schnitzt Maria und Josef“, erinnert sich Andreas Stentrup. Die Heiligen drei Könige, Hirten, Schafe und ein halbes Kamel komplettieren die Szenerie.

Solche Scheiben nutzt Andreas Stentrup zum Schleifen. (Bildquelle: Hertleif)

Das Kamel sollte eigentlich in diesem Jahr Hinterbeine bekommen, aber dafür fehlen aktuell Holz und Zeit. Nichtsdestotrotz: Die Krippe wird vom 26. November bis Mitte Januar auf der Amtswiese im Ortskern von Herbern zu sehen sein. Vorher bekommen die Figuren aber noch einen neuen Anstrich. Bei dieser Arbeit ist auch Andreas Stentrups Freundin dabei.

Schnitzen auf Zeit

Schon im vergangenen Jahr hat sie die Krippenfiguren geschliffen und lasiert. Die Motorsäge nimmt sie selbst selten in die Hand, begleitet ihren Freund aber gerne zu Wettkämpfen. Andreas Stentrups Disziplin ist das „Speed Carving“. In 30 bis 75 Minuten entstehen dabei Skulpturen. Die Jurywertung und auch der Erlös bei der anschließenden Versteigerung entscheiden über die Platzierung. 2023 will er sich für die deutschen Meisterschaften qualifizieren.

Dieser Bär ist fast 2,50 m hoch. Rund 20 Stunden waren nötig, um ihn aus einem Baumstamm herauszuschnitzen. (Bildquelle: B. Lütke Hockenbeck)

Für Menschen, die selbst einmal den kunstvollen Umgang mit der Motorsäge ausprobieren wollen, bietet Andreas Stentrup Tageskurse an. Einsteiger schnitzen dann einen Pilz, Fortgeschrittene dürfen sich an einer Eule versuchen. „Da sind immer Leute dabei, die zum ersten Mal eine Kettensäge in der Hand haben“, erzählt er. An die ungewöhnliche Sägeart beim Schnitzen gewöhnen sie sich oft am schnellsten. Und der Respekt vor dem Arbeitsgerät schade nicht. Den hat er sich auch selbst erhalten – mit Erfolg: „Alle Finger sind noch dran und alle Hosen noch heil.“

www.stentrups-holzkunst.de

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