Es war ein Montag Mittag vor drei Jahren, als Wilhelm Dammer in der Küche in die Arme seiner Tochter Katharina sackte. „Das erste, was mir in dem Moment durch den Kopf schoss, war ‚Schlaganfall‘“, erinnert sich die damals 23-Jährige. Der gerufene Rettungswagen brachte ihren Vater ins Krankenhaus. Sie blieb allein auf dem Hof zurück. „Ich stand da und habe zunächst ein paar Minuten in die Luft gestarrt“, erzählt die junge Frau, die erst Tage zuvor ihre Prüfung zur Agrarbetriebswirtin absolviert hatte. Nun war sie allein mit der Verantwortung für 1000 Mastschweine, 60 ha landwirtschaftlicher Fläche und die anstehende Weizenernte – denn es war Anfang Juli.
Selbst Verantwortung tragen
„Ich funktionierte wie im Notmodus, informierte die Familie, allen voran meinen Freund Dominik“, sagt Katharina Dammer. Ihr erster Gang führte sie in den Stall: „Ich musste ja nach dem Rechten sehen.“ Es war nicht das erste Mal, dass sie Tiere versorgte, aber es war Premiere, dass sie allein für ihr Wohlergehen verantwortlich war. „Auf meinen Lehrbetrieben hatte ich immer Chefs, die ich noch mal fragen konnte, wenn ich mir unsicher war“, erzählt sie von den Vorzügen der Lehrjahre. Grundsätzlich waren ihr die Arbeiten in der Landwirtschaft vertraut. Auf dem väterlichen Betrieb, den sie als Kind mit der Scheidung ihrer Eltern verlassen hatte, war jedoch vieles unbekannt. Erst ein paar Tage vor besagtem Montag kehrte sie auf den Hof in Viersen-Hagenbroich zurück.
Rückhalt und Hilfe
„Ich hatte Glück, dass wir in den wenigen Tagen, die mein Vater und ich zusammen auf dem Hof waren, Futter bestellt haben“, sagt Katharina Dammer. So war nicht nur die Fütterung der Tiere in den ersten Tagen gesichert, sondern sie wusste auch, ab welcher Füllhöhe des Silos ihr Vater bei wem bestellte. „Sonst wäre ich vermutlich aufgeschmissen gewesen“, resümiert die junge Frau.
Die größte Hilfe fand Katharina in ihrem Freund Dominik Hax. Der gelernte Schlosser packte mit an, wo es nötig war. Und auch der Landwirt, von dem Wilhelm Dammer die Ferkel kaufte, war Helfer in der Not. „Er stand plötzlich vor der Tür“, freut sich das junge Paar noch heute über die Unterstützung. Er half nicht nur Schweine zu verladen, sondern kannte auch einige Abläufe auf dem Hof sowie Ansprechpartner bei Lieferanten und Abnehmern. Weitere wichtige Informationen für den Betriebsablauf fand das junge Paar auf Zetteln im Haus sowie im analogen Kalender von Wilhelm Dammer.
Infos per Sprachnachricht
„Parallel erholte sich mein Vater im Krankenhaus“, erzählt Katharina Dammer. Ihr erster Verdacht hatte sich bewahrheitet. Ihr Vater hatte einen Schlaganfall erlitten. Das Sprachzentrum war nicht betroffen. Daher konnte er noch aus dem Krankenbett heraus einige wichtige Dinge an seine Tochter weitergeben. „Die ersten Sprachnachrichten, die er mir über das Handy meiner Schwester schickte, musste ich dennoch mehrmals anhören, um sie zu verstehen“, erzählt die jüngste von vier Schwestern.
Obwohl Wilhelm Dammer stets viel dokumentierte, war es für seine Tochter nicht einfach, den Überblick zu behalten. „Es fehlte einfach Struktur“, sagt sie heute. So bereiteten auch ganz banale Dinge dem jungen Betriebsleiterpaar Kopfzerbrechen. Sie hatten keine Kontovollmacht und die Rechnungen stapelten sich. Glücklicherweise hatte eine der drei Schwestern von Katharina Zugriff.
Termindruck im Krankenbett
Die pünktliche Abgabe des Antrags auf Dieselrückvergütung gelang nur durch Zufall. Wilhelm Dammer fiel die Frist gerade noch rechtzeitig im Krankenhaus ein. „Es wäre gut gewesen, wenn wir eine Art Jahresplan gehabt hätten, der uns gesagt hätte, wann wir was bedenken müssen – gerade im Agrarbüro“, blickt das Paar heute zurück.
Es dauerte vier Monate, eh Wilhelm Dammer nach Krankenhaus und Reha zurück auf den Betrieb kam. In den Arbeitsalltag kehrte er jedoch nicht zurück. Heute bringt er sich als Berater auf dem Betrieb ein. Das Ruder aus der Hand geben will der 70-Jährige trotz seiner bleibenden körperlichen Beeinträchtigungen noch nicht.
Obwohl Tochter Katharina den Hof noch nicht offiziell übernommen hat, sorgt sie bereits heute für den Fall der Fälle vor. „Wir arbeiten daran, dass im Notfall auch eine externe Kraft kurzfristig einspringen kann. Wir tragen mögliche Stolpersteine zusammen und legen einen Notfallordner an“, berichten sie. Das ist zwar mühsam, aber hilfreich, findet sie. „Hätten wir ,damals‘ meine Tante nicht gehabt, die uns bei den privaten Formalien unter die Arme griff, dann wäre es für uns nicht leistbar gewesen“, sagt Katharina Dammer. Dankbar ist sie auch dafür, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist: „Ich hätte dann neben all der Trauer nicht mal gewusst, ob ein Testament existiert.“
Notfallcheck selbst machenDer GQS-Notfallcheck der Landwirtschaftskammer NRW umfasst alles was es für die Vorbereitung des Ernstfalles, dass plötzlich jemand ausfällt, braucht. Neben Kontovollmacht und Testament geht es auch um Patientenverfügung und Betreuungsvollmacht. Der private Bereich ist demnach ebenso abgedeckt wie der betriebliche Kontext. Vordrucke und Notfallhandbücher für die verschiedenen Betriebszweige runden den Notfallcheck ab. Sie finden ihn
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