Das Dach bereitete Klaus Troja schon lange Kopfzerbrechen. Wind und Wetter hatten an der Substanz und ein Getreidesilo an der Statik des Stalldachs gezerrt. „Da musste etwas passieren“, sagt der 53-Jährige. Aber was genau? Abreißen kam nicht infrage, war die ganze Familie überzeugt. „Dann würde das Ganze hier seinen Hofcharakter verlieren“, erklärt Bernhard Troja, der Senior auf dem Hof.
Der 36 m lange Bau, einst halb Kuh- und halb Schweinestall, prägt die Ansicht des Hofes in Boke-Heitwinkel, heute ein Ortsteil von Delbrück (Kreis Paderborn). Dahinter springen das Wohnhaus, Ställe und Scheunen zurück. Ihre Flächen bewirtschaftet die Familie seit der Hofübergabe im Jahr 2006 im Nebenerwerb. Das 70 Jahre alte Gebäude wurde kaum noch genutzt. 1997 hatte die Schweinepest der Sauenhaltung ein Ende gesetzt. 2011 verließen die letzten Färsen den Hof und Bernhard und Elisabeth Troja zogen sich aufs Altenteil zurück. Den Tierbestand bilden heute zwei Pferde, zwei Hunde, einige Hühner, Katzen und vier Bienenvölker.
Hickhack mit dem Bauamt
Bei den Bauplanungen blieben schließlich zwei Varianten übrig: Das Dach ertüchtigen, am liebsten komplett erneuern, oder gleich noch zwei bis drei Wohnungen einbauen. Beide Möglichkeiten hat die Familie durchgespielt. Doch beide Varianten stießen beim Bauamt der Stadt Delbrück zunächst auf wenig Gegenliebe.
Knackpunkt waren vor allem Pläne, den Dachstuhl komplett zu erneuern. „So eine Neuerrichtung ist nicht genehmigungsfähig, weil sie rechtlich einer Neugenehmigung des Hauses gleichkommt“, erklärt Christoph Hessel vom Delbrücker Bauamt. Eine erste Voranfrage zur Umnutzung wurde deshalb mündlich abgelehnt. Als die Familie dann auf die reine Ertüchtigung eines landwirtschaftlichen Gebäudes umschwenkte, zweifelte die Stadt das positive Gutachten der Landwirtschaftskammer an. Und als die Trojas schließlich einen neuen Anlauf zur Umnutzung nahmen, hatte das Bauamt einen neuen Grund für die Ablehnung gefunden. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise hatte Anke Troja im alten Stall eine Kleiderkammer eingerichtet. Damit habe bereits eine begünstigte Umnutzung stattgefunden. Laut § 35 Absatz 4 des Baugesetzbuches ist das nur einmal möglich.
Hilfe vom Anwalt
„Da wurde es mir zu bunt“, sagt Klaus Troja, der als IT-Leiter bei einem Unternehmen in Beckum arbeitet. Er beauftragte einen auf Baurecht spezialisierten Anwalt. Dieser erinnerte das Bauamt an Änderungen des Baugesetzbuches während der Flüchtlingskrise. Außerdem sicherten die Trojas zu, den alten Dachstuhl zu erhalten.
Im September 2017 hatten sie die Baugenehmigung für zwei Wohnungen in der südlichen Hälfte des Gebäudes auf dem Tisch – und gleich mächtig Zeitdruck.
Denn zu den Auflagen gehörte es, eine Schleiereule zu schützen, deren Spuren auf dem Dachboden gefunden worden waren. Bis Ende Februar musste das Dach wieder dicht sein und eine Nisthilfe hängen. Sonst hätte eine Zwangspause während der Brutsaison gedroht.
Mit viel Einsatz und guten Handwerkern gelang der Kraftakt. Sie doppelten alle Sparren und Pfetten auf, spannten eine neue Dachfolie und deckten 600 m2 Fläche neu ein.
Buddeln und abdichten
Drinnen musste der alte Boden komplett raus, um Höhenunterschiede zu beseitigen und die Erschließung zu ermöglichen. Der alte Stall bekam einen eigenen Wasser- und Stromanschluss. Vor der Haustür auf der Ostseite wurde ein neues Dreikammersystem verbuddelt und für die Heizung ein Flüssiggastank im Boden versteckt.
Aufwendig gestaltete sich die Abdichtung des Baus nach unten. Das Grundwasser steht in der Gegend so hoch, dass Kunstharz in die Grundmauern gespritzt werden musste. Unter der neuen Betonsohle liegen 20 cm Filterkies und eine Folie. Vor die alten Wände wurde eine 11,5 cm starke Innenschale gemauert. Damit die Wohnungen nicht nach Stall riechen, hatte die Familie vorher den alten Putz abgeschlagen. Sohn Niklas, heute 18 und eines der vier Kinder von Klaus und Anke Troja, besserte so sein Taschengeld auf.
Getrennte Bereiche
Entstanden sind zwei Dreizimmerwohnungen, beide 125 m2 groß und ähnlich geschnitten. Der Wohn-Ess-Bereich mit offener Küche orientiert sich jeweils nach Osten, weg vom Wohnhaus der Familie Troja. Dort haben die Mieter, zwei Paare, auch ihre Zufahrt, Stellplätze und einen kleinen Garten. „Man merkt sie kaum“, sagt Anke Troja.
Die Wohnungen – die untere barrierefrei gebaut – sind hell und luftig, mit Deckenhöhen zwischen 3 und 4 m. Oben waren lange nur Dachfenster geplant. Nachdem die ersten Maßnahmen aber ohne Beanstandungen abgenommen waren, wurde doch noch eine Gaube genehmigt.
Rund 400 000 € hat die Baumaßnahme gekostet, inklusive der Honorare für Architekt, Anwalt und Gutachter sowie aller Außenarbeiten – unter anderem wurden 400 m2 Hoffläche gepflastert. „Die Miete wird die Investitionskosten nicht einbringen“, sagt Klaus Troja. Aber der alte Stall ist für die nächsten Jahrzehnte gesichert. „Und es ist schön, dass das Gebäude belebt ist“, betont Anke Troja. Nur ein Untermieter wurde trotz seines neuen Unterschlupfs nicht mehr gesichtet: die Schleiereule.