Samstag ist Baustellentag. Dann herrscht immer Betrieb auf der alten Hofstelle, die Tim Brüggemann und Julia Perpeet vor knapp drei Jahren in Harsewinkel (Kreis Gütersloh) gekauft haben. Drinnen startet gerade der Innenausbau. Die ersten Elektrokabel blitzen durch die Holzwände. Draußen bereitet Tim Brüggemanns Vater alles für die nächsten Betonarbeiten vor: Die Pfeiler, die bald die Hofeinfahrt rahmen sollen, brauchen ein Fundament. Die alte Güllegrube, die zum Speicher für bis zu 30 000 l Regenwasser werden soll, bekommt einen neuen Deckel.
Mit langem Atem
„Es gibt Tage, da geht richtig was voran“, sagt Tim Brüggemann. „An anderen sieht man abends nicht, was man eigentlich getan hat.“ Der 32-Jährige weiß, dass diese Baustelle einen langen Atem braucht. Gemeinsam mit seiner Frau war er schon länger auf der Suche nach einem alten Fachwerkhaus. Sie wünschten sich für ihre Familie eine Bleibe mit Geschichte und Charakter. Im Kopf hatten sie Bilder von einem Haus auf dem Land mit viel Platz drumherum. Jetzt ist es ein Haus geworden, das zwar auf einem großen Grundstück steht. 3000 m2 misst die Parzelle. Ansonsten mutet aber höchstens die Adresse ländlich an, die lautet „Im Kirchspiel“.
Rundherum wächst gerade ein neues Baugebiet. Der nächste Supermarkt ist keine 100 m entfernt und im Hintergrund sind einige mehrstöckige Häuser zu sehen. Ein bisschen skurril sei das schon, sagt Tim Brüggemann. „Mittlerweile finde ich es aber cool.“ Gerade mit kleinen Kindern – inzwischen hat das Paar eine Tochter und zwei Söhne – spare die Lage viele Wege. Möglichst im Sommer 2022 will die Familie einziehen, kurz bevor Sohn Louis in die Schule kommt. Dann kehrt wieder Leben in dem alten Vierständerhaus ein, das mehr als 20 Jahre leer stand.
Sanierungsstau als Chance
Nach dem Tod der letzten Bewohnerin fand sich lange niemand, der sich an die Immobilie wagte. Tim Brüggemann und Julia Perpeet, die zurzeit im benachbarten Marienfeld wohnen, sind vor handwerklichen Herausforderungen nicht bange. Er ist Tischlermeister, sie Konditormeisterin.
Eine erste Begehung mit einem Zimmermann zeigte, dass die Substanz besser war als erwartet. „Außerdem war das Haus noch nicht verbastelt“, sagt Tim Brüggemann, der in Steinhagen eine Tischlerei übernommen und sich auf den Bau hochwertiger Möbel spezialisiert hat.
Gemeinsam mit einem Bekannten hat er dort auch einige der neuen Fenster gefertigt. „Das ist eigentlich nicht unsere Spezialität“, lacht er.
Zellulose, Hanf und Holz
Die Ritzen zwischen neuen Fenstern und altem Fachwerk stopft die Familie gerade mit Hanf. Sie verwendet auf der Baustelle möglichst viele natürliche Materialien, das verträgt sich am besten mit dem Fachwerk.
Die Holzständerkonstruktion, die inzwischen innen vor dem Fachwerk steht, soll mit Zellulose ausgeblasen werden. Geplant hatten sie ursprünglich einen Wandaufbau mit Lehm. Doch dann scheuten sie sich doch davor, so viel Feuchtigkeit ins Haus zu holen. „Die Arbeit zeigt den Weg“, sagt Tim Brüggemann.
Als steinig hat die Familie vor allem den ersten Teil dieses Weges empfunden. Ein Jahr lang steckte sie – zumindest gefühlt – nur im Rückbau. Mit Verwandten und Freunden leerten sie die alten Gefache, deckten das Dach ab und pickten über 7000 Klinkersteine ab, die sie beim Abriss eines alten Stalls geborgen hatten. Zwischendurch stand nur noch das Gerippe des Hauses. Zeitweise hing es sogar in der Luft. Meter für Meter erneuerte die Familie das 1 m tiefe Ringfundament und goss schließlich auch eine neue Bodenplatte.
Seit gut einem Jahr baut sie jetzt wieder vorwärts. Der Dachstuhl ist verstärkt und neu gedeckt, die Gefache sind wieder ausgemauert und die Giebel neu verbrettert. Allein dafür wanderten 7 m3 Eichenholz über die Säge.
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Wohnen auf zwei Ebenen
Drinnen ist zu erahnen wie das Haus einmal aussehen wird. Auf zwei Ebenen gibt’s 450 m2 Wohnfläche – zukünftig mit Erdwärme beheizt. Auf der großen Tenne haben Julia Perpeet und Tim Brüggemann schon einen großen Esstisch vor Augen. Der alte Kamin soll zum Herzstück der neuen Küche werden. Dahinter, im alten Kammerfach, schließt sich ein Schlafzimmer an. Oben werden die Kinder ihr Reich bekommen.
Wie es auf der Baustelle weitergeht, können Interessierte bei Instagram verfolgen. „Anno 1726“ ist nicht nur das Haus, so heißt auch der Kanal von Tim Brüggemann. Mittlerweile verfolgen dort 2100 Abonnenten, was sich auf der Baustelle tut. Dort herrscht nur sonntags Ruhe. Dann ist Familientag.