Mit gesenktem Kopf läuft Alfred Tönsmann langsam über den Acker in Dülmen im Kreis Coesfeld. Vor sich schwenkt er ein Gerät, das aussieht wie eine Gehhilfe mit einem Teller am unteren Ende. Neben einem Grundrauschen wie bei einem schlecht eingestellten Radio ist ab und an ein Piepton zu hören – mal quietschend hoch, mal tief.
Das große Ganze zählt
Alfred Tönsmann ist einer von rund 600 lizenzierten Sondengängern in Westfalen. Mit seinem Metalldetektor ist er überall da unterwegs, wo etwas Altes im Boden vermutet wird. „Das geht von der Tonscherbe über Münzen bis hin zum Blusenknopf“, beschreibt der 64-Jährige seine Funde. Doch für den studierten Maschinenbauer sind nicht die einzelnen Stücke Motivation für seine bedächtigen Spaziergänge über Felder und Wiesen. „Ich will die Geschichte hinter den Einzelteilen finden“, beschreibt er seine Passion. Hier ein alter Wegeverlauf, dort eine mittelalterliche Hofanlage – seine Erkenntnisse sind vielfältig. Gerade deshalb weiß Alfred Tönsmann die Zusammenarbeit mit den Archäologen des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL), denen er relevante Fundstücke regelmäßig vorlegt, besonders zu schätzen. Diese Funde dokumentiert er mithilfe eines GPS-Gerätes, ehe er sie birgt, gegebenenfalls zu Hause säubert und soweit es ihm möglich ist bestimmt.
Halbe-halbe ist üblich
„Es ist nicht immer einfach, die richtige Herkunft und Epoche auszumachen“, beschreibt Alfred Tönsmann. Doch mit der Zeit hat er gelernt, kleine Merkmale der Fundstücke zu deuten: „Meine Einschätzung gebe ich mit den Gegenständen zu den Archäologen.“ Die Experten des Verbandes bestätigen, ergänzen oder korrigieren dann seine Erkenntnisse. Anschließend erhält er seine Funde zurück. Nur zwei wollte das Land bisher behalten. Sie sind von „besonderem geschichtlichen Interesse für Westfalen“. „Wird das Stück dann in einem Museum ausgestellt, steht mein Name als Finder daneben“, freut sich Alfred Tönsmann über die Wertschätzung seiner Tätigkeit. Den kleinen Obolus, den er im Gegenzug erhält, empfindet er als weniger wichtig. Per Gesetz muss er ihn außerdem mit dem Besitzer des Grundstücks halbe-halbe teilen.
Der Ring im Mist
Bevor Alfred Tönsmann einen Acker betritt, braucht er die Erlaubnis des Eigentümers. Außerdem muss er sein Suchfeld vorher anmelden. Im Wald darf er per se nicht suchen. „Wo ich aber schon gesucht habe, war im Mist“, erinnert sich der Sondengänger an einen seiner kuriosesten Einsätze. Ein Landwirt hatte einen goldenen Ring in einer Pferdebox verloren. Hier stand der Hobby-Archäologe vor einer besonderen Herausforderung: Denn die Detektoren arbeiten mit Radiotechnik. Luft puffert das Signal. Und Pferdemist enthält viel Luft. „Nach gut zwei Stunden hatten wir das Erbstück dann aber doch gefunden und der Hochzeit stand nichts mehr im Weg.“
Bronzezeit motiviert
Seit 2007 ist Alfred Tönsmann mit seinem Gerät auf Flächen rund um Dülmen unterwegs. Vorher war er bereits ehrenamtlich bei Prospektionen des LWL, wie die Begehungen heißen, dabei, jedoch ohne Sonde. Im Rahmen der archäologischen Voruntersuchungen beim Neubau der B 67n stießen er und seine Kollegen auf eine Siedlung aus der Bronzezeit (2200 bis 800 v. Chr.). „Das hat mich so beeindruckt, dass ich mich mehr einbringen wollte und entschloss, einen Metalldetektor anzuschaffen“, fasst er seine anfängliche Motivation zusammen und investierte mehr Zeit und Geld in sein Hobby. Ein ausreichend sensibler Detektor kostet rund 600 bis 1500 €. Illegale Sondengänger investieren oft deutlich größere Summen, damit sie alte Waffen und Munition oder andere Kriegsgegenstände finden können, um sie anschließend zu verkaufen.
Granate in der Vitrine
Glücklicherweise trifft Alfred Tönsmann nur selten auf Sondengänger ohne Lizenz oder solche, die gezielt nach Militaria suchen. „Schätzungen gehen aber davon aus, dass höchstens jeder sechste Sondengänger eine entsprechende Lizenz hat“, erklärt er. Das ist besonders traurig für den Hobby-Historiker, weil die gesetzeswidrigen Schatzsucher wertvolle Hinweise entwenden, um sie zu Geld zu machen oder in der heimischen Vitrine auszustellen. Dabei kann es auch passieren, dass sich der Finder selbst in Gefahr bringt. Denn alte Munition kann bei und nach der Bergung explodieren. „Lizenzierte Sondler wissen mit solchen Funden umzugehen und alarmieren direkt den Kampfmittelräumdienst“, sagt Tönsmann, der froh ist, noch keinen solch explosiven Fund gemacht zu haben. Er würde aber immer die Experten zum Entschärfen rufen – schließlich piept es nicht bei ihm, sondern nur bei seinem Detektor.
Der Weg zur LizenzSonde kaufen und los? Eher nicht!
Kaufen darf sie jeder, doch nutzen darf sie in NRW nur, wer eine Genehmigung hat. Folgendes Prozedere müssen Sondengänger einhalten:
Erlaubnis einholen: § 13 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen (
DSchG NRW) sieht vor, dass es für Ausgrabungen eine Erlaubnis der Oberen Denkmalbehörde braucht. Diese ist beim Kreis oder bei kreisfreien Städten bei der Bezirksregierung angesiedelt.
Informationsgespräch führen: Der Antragsteller erhält in einem Gespräch an der zuständigen Außenstelle der
LWL-Archäologie für Westfalen bzw. dem
LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland wichtige Informationen für den Umgang mit Fundstücken. Dazu zählt auch das korrekte Vorgehen mit etwaig gefundenen Kampfmitteln.
Genehmigung erhalten: Für den Erhalt der Genehmigung fallen Gebühren in Höhe von etwa 75 € an. Die Erlaubnis ist auf ein bestimmtes Suchgebiet begrenzt und zeitlich befristet.
Verlängerung beantragen: Will man das Hobby länger betreiben, muss ein Verlängerungsantrag gestellt werden, dem ein Jahresbericht über die Tätigkeit mit der Metallsonde beizufügen ist.
Fundmeldung tätigen: Gefundene Gegenstände müssen in Westfalen halbjährlich im Original bei der zuständigen Außenstelle der LWL-Archäologie oder im Rheinland beim LVR-Amt für Bodendenkmalpflege vorgelegt werden. Je Fundkomplex muss eine Fundmeldung erfolgen.
Hier gibt es weitere Informationen: www.wochenblatt.com/sondengaenger