Von Harsewinkel mit dem Zug nach Gütersloh und weiter nach Verl, das soll ab Ende 2025 wieder möglich sein. Die Strecke der Teutoburger Wald Eisenbahn GmbH soll bis dahin für den Nahverkehr wieder in Betrieb gehen.
Zu der Reaktivierung haben Sabine Amsbeck-Dopheide, Bürgermeisterin von Harsewinkel, und Andreas Höner, Vorsitzender des landwirtschaftlichen Ortsverbandes Gütersloh, eine klare Meinung:
Sabine Amsbeck-Dopheide:
„Schon seit der Jahrtausendwende sprechen mich junge Menschen an, warum Harsewinkel, eine Stadt mit 25 000 Einwohnern, keinen Bahnanschluss hat. Über bestehende Gleise ließen sich doch Gütersloh und Bielefeld viel einfacher erreichen.
Doch vor allem müssen wir die Pendler auf die Schiene holen. Viele Menschen pendeln nach Harsewinkel, um bei Claas zu arbeiten. Umgekehrt fahren in Richtung Gütersloh viele Bürgerinnen und Bürger, um bei Miele, Bertelsmann oder in den großen Kliniken zu arbeiten. Straßen wie die B 513 sind in den Stoßzeiten total überlastet.
Dabei ist die Bahn attraktiver als der Bus. Im Gegensatz zum Schnellbus genießt sie Vorfahrt und steht nie im Stau. Dafür braucht es Züge und Fahrpläne, die attraktiv sind. Einmal in der Stunde, wie geplant, ist zu wenig. In den Zügen müssen Passagiere WLAN haben. So können sie E-Mails checken oder Serien schauen. Wichtig ist aber auch die Anbindung der Haltestellen. Ohne große Schwierigkeiten muss man vom Auto, Bus oder Rad umsteigen können.
Anrufsammeltaxis und Kleinbusse können die Bahn vor allem für ältere Menschen – gerade in den Außenbereichen – erreichbar machen. Die neue Haltestelle in der Mähdrescherstadt wird in der Nähe der Raiffeisen sein. Dabei wird das ganze Umfeld modernisiert, was Entwicklungschancen für diesen Teil der Stadt bietet.
In Harsewinkel läuft gerade ein externes Gutachten zur Mobilität in der Stadt, um mögliche Alternativen zum Auto auszumachen. Denn unsere Mobilität muss sich jetzt schon ändern. Wir können nicht nur auf die Reaktivierung warten. Unsere Gesellschaft muss weg von der Dominanz des Autos, allein schon um die Klimaziele zu erreichen. Dabei kann die reaktivierte Strecke ein wichtiger Baustein sein.“
Andreas Höner:
"Die Gleise liegen samt Bahnübergang weniger als 50 m vor unserem Hof. Darüber kommt der Postbote und im Notfall auch die Feuerwehr. Alle betrieblichen und privaten Fahrten laufen über diesen Bahnübergang. In den vergangenen 70 Jahren gab es allein hier zwei tödliche Unfälle mit Zügen.
Von den etwa 78 Bahnübergängen zwischen Harsewinkel und Verl sollen 57 beschrankt und 21 entwidmet werden. Falls unser Bahnübergang stillgelegt wird, brauchen wir einen Weg zum nächsten Übergang, der 400 m östlich liegt. Dafür müsste der Betreiber den Grund erwerben. Für betriebliche Fahrten auf meine etwa 27 ha auf der anderen Seite des Gleises würde ich im Jahr auf 260 km Umweg kommen, private Fahrten nicht eingerechnet. Darüber hinaus werden wir 32 Mal am Tag vor geschlossenen Schranken stehen. Diesen zusätzlichen Aufwand muss man mir entschädigen. Der Hof liegt seit dem Mittelalter hier. Die Bahn kam erst später. Da werde ich mir zur Not juristischen Beistand holen.
Die Strecke wird kommen. Nicht nur weil ich persönlich betroffen bin, halte ich die Reaktivierung aber für ein Millionengrab. Die prognostizierten Fahrgastzahlen sind zu hoch. Ein pilotmäßiger Test auf der Strecke hätte mehr Sinn gemacht als Schätzungen. Die Kosten werden sich nicht nur auf 34,5 Mio. € belaufen. Ich vermute eine erhebliche Kostensteigerung bis zur Realisierung. Die beschrankten Bahnübergänge sind schon jetzt deutlich teurer als kalkuliert.
Das Geld hätte man anders investieren können. Denn es muss etwas passieren. Allein um Gütersloh droht in den nächsten zehn Jahren der Verkehrskollaps, wenn zwischen Marienfeld und Gütersloh an der B 513 100 ha Gewerbe erschlossen werden. Warum setzt man nicht auf Busse, die mit Wasserstoff angetrieben werden? So hätten auch ältere Menschen in unseren weitläufigen Gemeinden eine bessere Anbindung. Jetzt fallen alle Schnellbusse weg bis auf eine Route nach Greffen. Dabei ist man mit dem Zug nur sieben Minuten schneller in Gütersloh.
Ein Radschnellweg wäre auch eine sinnvolle Alternative gewesen. Gerade jetzt, wo viele Pendler auf ein E-Bike setzen. Denn ob sie sich nach der Corona-Pandemie wieder in volle Busse und Bahnen trauen, ist fraglich. Zudem wird nach Corona auch das Homeoffice eine große Bedeutung behalten.“
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