Die Mehrzahl der Krankenhäuser mit Entbindungsstationen liegt in größeren Städten oder urbanen Regionen. Grob gesagt: Zwei Drittel liegen in städtischen, ein Drittel in ländlichen Regionen. Aber, so befand im vergangenen Jahr der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages: „Die Verteilung der Geburtskliniken auf städtische und ländliche Standorte hat sich in den letzten Jahren kaum verändert.“
Auf dem Land zahlen vier von fünf Kliniken zu
Das klingt beruhigend, ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Den anderen kennen die Ärztinnen und Ärzte, die Direktorinnen und Direktoren, vor allem auch die jeweiligen Träger der Krankenhäuser. Sie sind in einem Dachverband organisiert, der sich „Deutsches Krankenhausinstitut“ nennt. In dessen jüngstem Bericht, auch Krankenhaus-Barometer genannt, geht es um die Situation der „Geburtshilflichen Abteilungen“. Darin ist zu lesen:
- Noch 2014 hatte nur jedes vierte Krankenhaus enorme Probleme, Hebammen zu finden. Inzwischen steht jedes zweite Krankenhaus vor diesem Problem.
- Heute findet etwa jede dritte Klinik für ihre Geburtsstation keinen Arzt und keine Ärztin. Betroffen sind vor allem die kleinen Einrichtungen (mit bis zu 300 Betten): „Fast zwei Drittel der Krankenhäuser in dünn besiedelten ländlichen Räumen kämpfen mit dieser Problematik“, heißt es im Krankenhaus-Barometer.
- Zwei von drei Krankenhäusern sagen, dass ihre Kosten in der Geburtshilfe höher sind als die Erlöse. Die Geburtsstation als finanzielles Verlustgeschäft – das sagen 55% der mittleren und 62% der großen Krankenhäuser. Aber das sagen vor allem 78% der Einrichtungen mit bis zu 300 Betten. Und die sind eher im ländlich-kleinstädtischen Bereich zu suchen. Zugespitzt formuliert: Auf dem Land zahlen derzeit vier von fünf kleinen Einrichtungen bei ihren Geburtsstationen zu.
Sind Geburten ein Verlustgeschäft?
Das wirft vor allem eine Frage auf: Sind Geburten ein Verlustgeschäft? Wie alle medizinischen Behandlungen, so werden auch Geburten nach festen Entschädigungssätzen abgerechnet. Die vereinbarten Fallpauschalen sorgen dafür, dass eine Station ab etwa 500 Geburten im Jahr „sich rechnet“ – also im statistischen Mittel ab etwa anderthalb Geburten pro Tag.
Bei nur einer Geburt täglich (oder weniger) muss trotzdem das Personal bereitstehen und bezahlt werden, müssen Dienstpläne erstellt und organisiert werden. Das wird entsprechend teuer.
Hebammenverband: Fallpauschalen sind "zu pauschal"
Der Hebammenverband argumentiert: Das System der Fallpauschalen mag für andere Erkrankungen, Pflegedienste oder medizinische Dienste anwendbar sein. Für Geburten ist das System, wie der Name schon sagt: zu pauschal. Anne Büscher, Hebamme im südlichen Münsterland und Sprecherin des Hebammenverbandes NRW, sagt: „Die einzelnen Geburten verlaufen vollkommen unterschiedlich, wie jede und jeder weiß. Bei der einen geht es zügig, bei der anderen dauert es, manche müssen – und sollen auch – mehrfach in die Klinik kommen. Das kostet Ressourcen. Das kostet Geld. Und es lässt sich pauschal gar nicht abgelten.“
Neben dem Bezahl- müsse auch das Versorgungssystem geändert werden, so Büscher weiter. In ländlichen Regionen mangele es nicht nur an Geburtsstationen, sondern auch an ambulanten Diensten, etwa in der Betreuung der jungen Mütter. Außerdem betont sie: „Wir wünschen uns eine Eins-zu-eins-Betreuung, das heißt: Eine Klinikhebamme betreut eine Schwangere.“ Das ist derzeit seltene Ausnahme, zumal an den großen Kliniken, wie eine Umfrage des Hebammenverbandes ergeben hat. Demnach betreut die Hälfte der befragten Hebammen drei Frauen parallel, weitere 20% sogar vier und mehr Frauen. Da ist Stress programmiert.
„Vom Glück abhängig“
„Nicht alle, aber viele Frauen empfinden das als Fließbandgeschehen“, sagt Katharina Desery vom Verein „Mother-Hood e. V.“ – einer bundesweiten Initiative von Eltern, die sich nach eigener Aussage „für sichere Geburten und eine bessere Geburtshilfe“ engagieren. Aus ihrer Sicht sehen sich Frauen in kleineren Kliniken besser und persönlicher betreut. Eine Geburt sei immer ein Ereignis voller Glück, aber: „Es ist auch vom Glück abhängig, ob jemand da ist, der mir so helfen kann, wie ich es gerade brauche.“
Diese offene Situation sei für die Frauen eine „Riesenbelastung“, urteilt Katharina Desery. Hinzu kämen die längeren Anfahrtswege auf dem Land – und die Unsicherheit, die sich angesichts möglicherweise geschlossener Türen breit mache. „An wen kann ich mich wenden?“, fragen laut Katharina Desery viele werdende Mütter. Die Situation sei oftmals unsicher, „für die Familie sei das ,eine Katastrophe‘“.
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