Auf dem Reister Markt kommen jedes Jahr Ende August Tausende zusammen – nicht nur um die schönste Kuh des Sauerlandes zu küren. Im Sommer 2018 nutzte Antonia Albers die Veranstaltung, um Mitstreiterinnen für eine Idee zu finden: Junge Landfrauen im Hochsauerland.
Im Sommer hatte sie ein Praktikum bei der Landwirtschaftskammer in Münster gemacht. Dabei war sie auf die Jungen Landfrauen am Niederrhein aufmerksam geworden, die sich gerade gegründet hatten. „Das wäre auch was fürs Sauerland“, dachte Antonia Albers. Die heute 23-Jährige ist auf einem Hof in Meschede-Frielinghausen aufgewachsen und studiert in Osnabrück Agrar- und Lebensmittelwirtschaft. Mit ihrer Idee traf sie einen Nerv.
Kaum Mitglieder unter 30
Besonders die Generation der unter 30-Jährigen ist im Verband kaum vertreten. Im Jahr 2018 zählte die Statistik für ganz Westfalen-Lippe lediglich 381 Mitglieder aus dieser Altersgruppe. Bei insgesamt fast 43 000 Mitgliedern ist das ein Anteil von weniger als 1 %. „Wir überlegen ständig, wie wir junge Frauen gewinnen können“, erklärt Anne Babilon, Sprecherin des Kreisvorstandes Hochsauerland. Doch es sei schwer als Vertreterin der Generation 50 plus – zu ihr gehören drei Viertel der Landfrauen –, die Jüngeren zu begeistern. Anne Babilon kann das verstehen. „Viele möchten nicht unbedingt mit ihren Müttern, Schwiegermüttern oder Omas Veranstaltungen besuchen.“
Antonia Albers ging es ganz ähnlich. Ihre Mutter ist Teamsprecherin im Ortsverband Meschede/Bestwig. Vieles aus dem Programm interessierte sie. Aber mal passte die Uhrzeit nicht, mal waren zu viele Vorkenntnisse gefragt und mal fehlte ihr schlicht die Gesellschaft Gleichaltriger.
Ihre Idee für die „Jungen Landfrauen“ fing Feuer. Bis Mitte September war der Kreis der Initiatorinnen auf sieben gewachsen. Gemeinsam luden sie einen Monat später zum Schnupperabend ein. 62 Frauen kamen in die Dorfhalle Klause. 20 wurden direkt Mitglied.
Programm planen
Um Fragen rund um den Verband zu beantworten, waren in Klause Juliane Hütter-Brandenburg aus dem Kreisvorstand und Maria Askemper, Geschäftsführerin der Landfrauen im Hochsauerland, dabei. Die Mitglieder des Orgateams stellten sich und ihre Ideen vor. In Gruppen überlegten die Teilnehmerinnen, was sie sich für das Programm wünschen. Die Ideen sprudelten. Zwei bis drei Vorschläge durfte jede Tischgruppe machen. Mit denen befüllt das Orgateam, das inzwischen auf neun Köpfe angewachsen ist, nun das Jahresprogramm. Zu dem sind auch alle Frauen unter 40 willkommen, die bisher schon Mitglied bei den Landfrauen waren.
Zum Start gab es einen gemütlichen Glühweinabend mit vielen weiteren neuen Gesichtern. Im vergangenen Jahr bauten sie mit kleinen Kindern Gartenkisten, besuchten einen Ziegenhof und informierten sich beim Projekt „Heimvorteil HSK“ über Karrieremöglichkeiten im Sauerland. In diesem Jahr stehen unter anderem ein Kochabend unter dem Titel „Heimatküche“ und ein Tanzkursus an. „Das sind schon klassische Landfrauenthemen“, sagt Katharina Schwake-Drucks (29), „aber so aufgezogen, dass sie für eine jüngere Zielgruppe interessant sind.“
Immer zwei Mitglieder des Orgateams kümmern sich um eine Veranstaltung. Katharina Schwake-Drucks, die sich beruflich um das Marketing beim Rothaarsteigverein kümmert, hat im vergangenen Jahr zum Beispiel ein Gartenseminar vorbereitet. Gemeinsam mit Lisa Schwefer (28), die an einer Realschule in Lennestadt unterrichtet, überlegte sie, was Gartenanfängerinnen interessiert.
Schlanke Organisation
Die Gruppe wird wie ein Ortsverband behandelt. Wenn die Sprecherinnen auf Kreisebene tagen, sind auch Vertreterinnen der Jungen Landfrauen eingeladen. Einen Unterschied gibt es bei den Finanzen. Die jungen Frauen zahlen den normalen Mitgliedsbeitrag in Höhe von 27 € an den Kreisverband. Die Gruppe hat aber keine eigene Kasse. Stattdessen überweist der Kreisverband die übliche Aufwandsentschädigung an das Team und bei Bedarf einen Zuschuss, zum Beispiel für ein Referentenhonorar.
Den Jungen Landfrauen ist das recht. „Es war mir wichtig, dass es nicht so verpflichtend ist“, sagt Sophia Schenuit. Die 29-Jährige aus Werpe arbeitet als Gärtnermeisterin und war schon einmal Vorsitzende einer Landjugendgruppe.
Ein Faltblatt mit ihrem Jahresprogramm haben die Jungen Landfrauen in den Raiffeisenmärkten ausgelegt und über die Ortsverbände verteilt. Ansonsten kommunizieren Team und Mitglieder vor allem über zwei separate WhatsApp-Gruppen und Facebook. Kristin Becker (25) verwaltet die Gruppen und antwortet auf Mails an die zentrale Adresse. Für diese Aufgaben ist es egal, wo sie gerade ist, ob zu Hause in Erflinghausen oder in Bonn, wo sie Agrarwissenschaften studiert.
Zurück ins Sauerland
Viele Veranstaltungen finden am Wochenende statt, damit auch teilnehmen kann, wer für Studium oder Ausbildung außerhalb des Sauerlands unterwegs ist. Auch aus dem Orgateam sind oder waren fast alle mal weg.
Katharina Schwake-Drucks findet das bereichernd. „Ich denke, es steckt Innovationskraft in der Gruppe.“ Momentan gehe es noch darum, sich kennenzulernen und Fuß zu fassen. Auf Dauer könnten die Jungen Landfrauen ein Beispiel dafür sein, dass es sinnvoll ist, über Ortsgrenzen hinauszudenken. „Die Dörfer müssen sich zusammentun, auch in der Verbandsarbeit.“ Katharina Schwake-Drucks freut sich darauf: „Ich mag dieses Regionale und Ländliche, aber mit Weitblick.“