Wichteltür statt Adventskalender

Skandinavische Tradition für Kinder: Wichtel zieht ins Haus ein

Aus Skandinavien stammt der Brauch, für Kinder in der Adventszeit eine Wichteltür im Haus aufzustellen. Hinter ihr wohnt ein imaginärer Wichtel, der im Haus so manchen Unfug treibt.

Justus trägt vorsichtig eine große, gelbe Tasse mit lau­warmem Tee aus der Küche ins Wohnzimmer. Der Vierjährige stellt den Pott auf das Sideboard direkt vor eine kleine Tür an der Wand. „Der Tee ist für Tottu“, erklärt er mir. Tottu ist ein Wichtel, der im Wichtelwald hinter der kleinen Tür lebt.

„Im Wichtelwald ist es kalt, deshalb badet Tottu nachts, wenn er rauskommt, in ­unserem Tee“, ergänzt Katharina Hübner. Die 37-Jährige lebt gemeinsam mit ihrem Mann und den drei Söhnen im Alter von 11, 4 und einem Jahr in Warendorf.

Bei einem Wichtel handelt es sich um eine imaginäre Figur, die hinter einer kleinen Tür lebt, die Eltern zuvor heimlich an die Wand kleben. Aber pssst, nicht verraten! Der Wichtel soll Kinder durch den Advent führen.

Tradition aus Skandinavien

Die Sage um die Wichteltüren stammt aus Skandinavien. Ins­besondere in Dänemark und Norwegen ist der Wichtel unter dem Namen „Nisse“ bekannt. In Schweden sind die Hauskobolde als Tomte oder Tonttu unterwegs. Auch hierzulande ist der Brauch bei vielen jungen Familien beliebt.

„Wir wollten in der Vorweihnachts­zeit weg von Adventskalendern“, erinnert sich Sven Hübner (38). Seine Frau ergänzt: „Wir haben die bis dato immer selbst gebastelt. Sie sollten besonders schön sein. Doch irgendwann fehlten uns die Anregungen.“ Da kam die Idee ­einer geheimnisvollen Wichteltür genau richtig.

Schon ein paar Tage vor dem 1. Dezember klebt der Wichtel bei Familie Hübner Absperrband an eine Wand im Wohnzimmer. In der Nacht zum 1. Dezember errichtet er dann seine Tür.„Unser Wichtel stellt eine Salz­teigspirale mit 24 Mulden auf. Jede Nacht legt er einen Edelstein vor seine Tür, den die Kinder in die Spirale legen“, sagt Katharina Hübner. Sind alle Mulden voll, ist Weihnachten.

Fertiges Set angemalt

Im Internet gibt es mittlerweile ­einen großen Markt rund um Wichteltüren und passendes Zubehör. Ganze Spiellandschaften lassen sich aufstellen. Bei Hübners kommt die Wichteltür eher schlicht daher. „Wir haben seinerzeit ein fertiges Set für unter 20 € gekauft, das wir selbst angemalt haben“, verrät Katharina Hübner.

Tottu hat einen Schlitten, Skier, Schuhe und einen Zaun. Und nicht zu vergessen: Der kleine, rote Briefkasten für den Schriftwechsel. „Zwischendurch bekommen die Kinder nämlich Post von Tottu“, sagt die 37-Jährige. Zum Beispiel schreibt er, dass Plätzchenteig im Kühlschrank steht für eine gemeinsame Backaktion.

An Heiligabend schreibt er, dass er nun wieder weg ist und nächstes Jahr auf jeden Fall wiederkommen wird.

Nur nachts unterwegs

Doch bis Weihnachten treibt Tottu sein Unwesen im Haus. Das Besondere daran: Er ist nur nachts unterwegs, damit er nicht entdeckt wird. Er versteckt beispielsweise die Schuhe der Kinder, verknotet Kleidung oder verstreut Mehl im Haus. Der Wichtel macht aber nicht nur Quatsch, sondern sorgt auch für schöne Momente. Manchmal stellt er einen Rucksack mit heißem Kakao und Plätzchen ins Wohnzimmer und schreibt der ­Familie einen Brief, dass sie ein Picknick machen sollen.

„Justus, weißt du noch, was vergangenes Jahr aus den Samen gewachsen ist, die uns der Wichtel zusammen mit den Blumentöpfen gebracht hat“, fragt Katharina Hübner ihren Sohn. Er überlegt kurz. Dann fällt es ihm wieder ein: „Schokoriegel“, sagt der Vierjährige mit leuchtenden Augen.

Justus und seine beiden Brüder kümmern sich im Advent um ihren Tottu. Sie basteln ein Bett oder stellen ihm abends Tee hin. Dafür bekommen sie jeden Tag einen Edelstein für die Spirale. (Bildquelle: Dorda)

Kurz vor Weihnachten stellt Tottu jedes Jahr seinen Weihnachtsbaum mit Lichterkette vor seine kleine Tür und fordert die Familie auf, auch endlich einen zu kaufen und zu schmücken.Während der Wichtel jede Nacht verlässlich einen bunten Edelstein in Form eines kleinen, bunten Glassteins bringt, stehen kleinere Geschenke oder gemeinsame Aktionen nur etwa dreimal in der Woche auf dem Plan. „Ich überlege mir vor der Adventszeit ungefähr, wann Tottu was machen oder bringen könnte. Aber das ist nur eine grobe Richtschnur. Wenn mal was nicht stattfindet, ist das auch nicht weiter schlimm“, sagt die drei­fache Mama.

Die Wichteltür ist bei Familie Hüb­ner zu einer schönen Tradition geworden. Mittlerweile baut Tottu sein vorübergehendes Zuhause schon zum dritten Mal bei ihnen auf.

Wer diesen Brauch übernehmen möchte, kann eine Wichteltür und etwas „Zubehör“ leicht selbst basteln. Zahlreiche Ideen dazu bietet das Internet. Einfach in die Suchmaske „Wichteltür basteln“ und „Wichtelbriefe“ eingeben. Fertige Türen lassen sich auch in manchen Supermärkten oder online kaufen.

Buchtipp: Zahlreiche Ideen für eigene Wichteltür-Bastelprojekte enthält das Buch „Weihnachtliche Wichteltüren“ aus dem Topp-Verlag ­bereit; ISBN 978-3-7358-5052-2, 96 Seiten, 16 €. Das Buch enthält neben Anleitungen für verschiedene Türen auch Schritt-für-Schritt-Bilder, um Bänke, Schaukelstühle, Kleiderbügel, Garderoben oder Leitern für den Wichtel zu basteln. Auch für ein Puppenhaus sind die Möbel gut geeignet.

Wiederkehrendes Ritual

Katharina Hübner ist gelernte ­Erzieherin. Sie hat sich auf bindungsorientierte Erziehung spezialisiert. In einem Onlinekurs sowie über ihren Instagramkanal „Sichtwechsel_Erziehung“ unterstützt sie Eltern rund um Erziehungsfragen. Die Expertin sieht zahlreiche Vorteile in dieser vorweihnachtlichen Idee: Ein Wichtel schafft ein jährlich wiederkehrendes Ritual. Das gibt in einer so aufregenenden Zeit wie dem Advent Sicherheit. Die Kinder kümmern sich um den Wichtel. Das fördert besonders die Empathie.Eine Spirale gibt einen visu­ellen Anhaltspunkt, wie viele Tage es noch bis Heiligabend sind. Die Mischung aus Sicherheit und Spannung ist toll: Einerseits macht der Wichtel immer das Gleiche (einen Edelstein mitbringen), an­dererseits macht er immer wieder Unsinn oder hat eine Überraschung für die Kinder.

Durch den Wichtel lassen sich gemeinsame Momente anregen, wie Ausflüge, Plätzchen backen oder Filmabende.

Magische Phase der Kinder

„Viele Eltern befürchten, dass sie ihre Kinder durch Wichtel, Weihnachtsmann oder Osterhausen anlügen. Allerdings befinden sich Kinder bis zum fünften, sechsten Lebensjahr in einer magischen Phase, in der sie an all diese Dinge glauben, auch ganz ohne das Zutun der Eltern“, erklärt Katharina Hübner.

Viele Kinder sehen in allem einen Beweis, dass es diese magischen Wesen gibt. Bei Familie Hübner ist Justus (4) genau drin in dieser magischen Phase. Der große Bruder Mattis (11) weiß schon um die Wahrheit der Wichteltür. Und der kleine Bruder Bosse (1) wird dieses Jahr bei seinen großen Geschwistern beobachten, wie sie dem kleinen Tottu Abend für Abend eine Tasse Tee hinstellen.

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