Die Wochenblatt-Redaktion erreichen immer wieder Anfragen von Lesern, die schlaflose Nächte haben: „Die Schwiegertochter ist herzlos“, „Mein Vater leidet an Altersstarrsinn“, lauten einige der Vorwürfe.
Mediator Holger Topp berät Familien
Fast alle Leser/-innen, die sich mit ihren Sorgen ans Wochenblatt wenden, bitten darum, ihr Anliegen vertraulich zu behandeln. Die Nachbarn sollen nichts davon erfahren. Oft werden die Streitigkeiten sogar vor den Geschwistern geheim gehalten. Doch wie können Jung und Alt wieder zueinanderfinden und Vertrauen aufbauen? Wir haben vier exemplarische Fälle, die uns Leser/-innen geschildert haben, für Holger Topp aufbereitet und ihn um Rat gefragt. Topp ist Jurist und langjähriger Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes in Lübbecke. Zudem ist er ausgebildeter Mediator. In dieser Funktion ist er seit 15 Jahren auf landwirtschaftlichen Betrieben in Ostwestfalen unterwegs.
Familikonflikte auf dem Hof - vier exemplarische Fälle
Fall 1: Vater hat Vertrag gekündigt
Der Fall: Ein 49-Jähriger, verheiratet, drei Kinder, betreibt den Hof im Nebenerwerb. 1998 hat er den Betrieb per Nutzungsüberlassungsvertrag vom Vater bekommen. Nach Ansicht des Sohnes leidet sein Vater, 85, an Altersstarrsinn, lehnt aber jede Hilfe ab. Weil der Sohn den Betrieb nicht nach den Vorstellungen des Vaters bewirtschaftet, hat er den Nutzungsüberlassungsvertrag gekündigt. Er plant sogar den Bau einer neuen Halle, was betriebswirtschaftlich wenig Sinn macht.
Nach Ansicht des Sohnes wird das Zusammenleben von Jung und Alt unter einem Dach auf dem Hof immer unerträglicher. Seine Mutter ist dement und in häuslicher Pflege. Der Vater verweigert jedes Gespräch. Er lässt Außenstehende nicht mehr an sich heran.
Das rät Holger Topp: Das Problem des „Nichtloslassenkönnens“ kommt immer wieder vor. Warum war 1998 kein Eigentumswechsel vollzogen worden, sondern lediglich ein Nutzungsüberlassungsvertrag abgeschlossen worden? Das damals vermutlich bereits vorhandene Beziehungsproblem war nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben worden.
Jetzt sind Vater und Sohn von der Situation offensichtlich überfordert: Vater alt, Mutter stark pflegebedürftig. Der Sohn könnte gegenüber dem Vater durch eine Stellungnahme der Landwirtschaftskammer oder ein Testat des Steuerberaters versuchen, die korrekte Bewirtschaftung des Hofes plausibel zu machen. Letztlich ist der Senior hier jedoch in der stärkeren Rechtsposition, weil er nach wie vor der Eigentümer des Hofes ist. Allerdings muss er sich mit der Frage nach Alternativen beschäftigen: Was wäre, wenn der Sohn mit seiner Familie auszöge und einen Wertersatzanspruch gegenüber dem Vater geltend machen würde?
Sollte der Vater tatsächlich den Nutzungsüberlassungsvertrag auflösen, könnte die „junge Familie“ überlegen, einen harten Schnitt zu machen und vom Hof zu ziehen. Wer aber sollte dann die demente Mutter pflegen und betreuen? Und wie will der 85-Jährige den Hof bewirtschaften? Er wäre dann im Übrigen wieder selbst landwirtschaftlicher Unternehmer und müsste den vollen Beitrag zur Landwirtschaftlichen Krankenkasse (LKK) zahlen.
In diesen und ähnlichen Fällen kann man den Familien nur raten, einen erfahrenen Konfliktbegleiter einzuschalten. Er hätte zunächst die – nicht ungewöhnliche – Hürde zu überwinden, dass der Vater Außenstehende nicht mehr an sich heranzulassen scheint.
Fall 2: Vater will Ordnung halten
Der Fall: Ein Witwer, 84, hat großen Ärger mit dem Sohn. Der Vater hat ein Nießbrauchsrecht, er will sich weiter auf dem Hof nützlich machen. Er legt großen Wert auf Ordnung und Sauberkeit auf der Hofstelle. Der Sohn, 56, alleinstehend, hat drei erwachsene Töchter. Er fühlt sich bevormundet und hat seinem Vater gedroht, ihn in ein Altersheim abzuschieben, wenn er zum Beispiel weiter ungefragt in der Hofwerkstatt arbeitet.
Das rät Holger Topp: Generell gilt: Ohne eine persönliche Begegnung ist eine erfolgreiche Konfliktklärung kaum möglich. Hier wäre in einem offenen Austausch aufzuklären, weshalb der Vater sich bei der Hofübergabe ein Nießbrauchsrecht vorbehalten hat. Hat er seinem Sohn schon damals nicht getraut?
Die Androhung der Abschiebung des Vaters in ein Pflegeheim zeigt, dass bereits eine hohe Eskalationsstufe erreicht ist. Die „Konfliktspirale“ muss zurückgedreht werden. Eine Mediation, das heißt ein freiwilliges, außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren, könnte helfen, die Interessen zu klären und wechselseitiges Verständnis zu fördern. Das schaffen die Beteiligten alleine nicht mehr.
Hinter dem Wunsch des Vaters nach Sauberkeit auf dem Hof dürfte sein Bedürfnis nach Sicherheit stehen, während bei seinem Sohn der Wunsch nach Selbstbestimmung im Vordergrund stehen dürfte. Zu klären ist, wie diese Bedürfnisse erfüllt werden können. Ein Perspektivwechsel ist anzustreben, auch mit Blick in die Zukunft: Was machen zukünftig die Töchter? Wollen sie wegziehen? Bleibt ihr Vater dann allein auf dem Hof zurück? Unter Umständen kann in Betracht kommen, sich räumlich zu trennen und in Zukunft aus dem Weg zu gehen.
Fall 3: Neffe verschmutzt Weg
Der Fall: Ein Ehepaar, kinderlos, hat seinen Hof 2017 auf den Neffen überschrieben. Sie wohnen im Altenteilerhaus, das weiter ihnen gehört. Jetzt gibt es Ärger. Der Neffe und sein Vater befahren und beschmutzen mit dem Güllegespann den privaten Weg zum Altenteilerhaus, obwohl es eine Ausweichmöglichkeit gibt. Die Altenteiler habe ein Begehungsrecht für die Hofstelle, der Neffe schließt die Tennentür ab. Sie fühlen sich gemobbt und bedauern, ihrem Neffen den Hof überschrieben zu haben.
Das rät Holger Topp: Auch hier ist eine Mediation zu empfehlen: Es dürften gute Erfolgsaussichten bestehen. Der allparteiliche (neutrale) Mediator würde in angenehmer, vertrauensvoller Atmosphäre mit den Beteiligten deren spezifischen Interessen und Bedürfnisse herausarbeiten: Wunsch nach Sauberkeit/Ordnung/Sicherheit/Respekt bei den Altenteilern, zügiges und rationelles Arbeiten beim Neffen.
Dadurch sollte es gelingen, den Konflikt zurückzuschrauben und wieder wechselseitiges Verständnis und Wertschätzung zu gewinnen. Bei ihren Arbeiten auf der Hofstelle ist dem Neffen und seinen Mitarbeitern vielleicht gar nicht bewusst, dass die Altenteiler großen Wert darauf legen, dass ihre private Zufahrt zum Wohnhaus nicht verschmutzt wird. Vielleicht würde auch hier schon ein freundliches Wort die Wogen etwas glätten.
Fall 4: Mutter ist ein Pflegefall
Der Fall: Heike Meier, Name geändert, ist auf dem Betrieb ihres Ehemannes eingeheiratet. Uwe Meier hat den Ackerbaubetrieb mit Schweinemast 2001 übernommen und seinen Eltern freie Kost und Logis sowie Hege und Pflege zugesichert. Die Altenteiler, hoch betagt, sind gesundheitlich stark angeschlagen; Heikes Schwiegermutter ist ein Pflegefall. Heike ist Lehrerin und beruflich stark eingespannt. Sie kann die Pflege nicht leisten, die ihr Ehemann Uwe seinen Eltern zugesichert hat. Die Stimmung in der Familie ist angespannt.
Das rät Holger Topp: Im ersten Schritt ist eine rechtliche Prüfung anzuraten: Sind „Hege und Pflege“ im Übergabevertrag vereinbart, ist diese Leistung zu erbringen. Doch möglicherweise ist die Pflege laut Vertrag nur bis zum Umfang des Pflegegrades 2 auf dem Hof zu leisten. Der Sohn kann die Pflege durch Dritte erbringen lassen, muss sie dann aber auch bezahlen.
Können der Sohn und sein Vater die Mutter bzw. Ehefrau auf dem Hof nicht pflegen, müsste sie unter Umständen in ein Pflegeheim umziehen. Dann jedoch wird es für die Familie wesentlich teurer. Das sollten alle Beteiligten wissen.
Auch in diesem Fall könnte man im zweiten Schritt im Rahmen einer Mediation klären, was sonst nicht im Haus der Familie stimmt. Regelmäßig ist die Kommunikation zwischen den Beteiligten stark gestört (oder findet gar nicht mehr statt). So könnte es vermutlich auch hier liegen. In der Interessenklärung könnte man zum Beispiel herausarbeiten, dass dem Sohn und der Schwiegertochter Freizeit, Erholung, Jagd, Urlaub und die Akzeptanz des eigenen Berufslebens wichtig sind, während die Altenteiler Wertschätzung erwarten. In der Mediation könnten die Beteiligten bei der gemeinsamen Suche nach Lösungsmöglichkeiten einen Weg finden, wie man die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut bekommen könnte. Doch ohne professionelle Begleitung dürfte der Familie das alleine kaum gelingen.
WLV-Mediatoren bieten Hilfe an
Wenn es familiären Zwist, Erbstreitigkeiten, Ärger mit dem Pächter/Verpächter, Nachbarn oder dem Ehepartner gibt: Mediatoren des WLV bieten ihre Hilfe an. Vorweg eine Klarstellung: Auf den meisten Betrieben ziehen Jung und Alt an einem Strang. Sie arbeiten zusammen und respektieren die Leistung das anderen. Doch es gibt auch Fälle, wo das tägliche Zusammenleben weniger gut klappt. Es geht um enttäuschte Gefühle oder nicht erfüllte Erwartungen. Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) bietet seinen Mitgliedern Hilfe an. Fünf Mediatoren wollen helfen, die Konflikte in der Familie sowie im landwirtschaftlichen Umfeld zu lösen. Die Meditation ist nicht kostenfrei, aber wesentlich billiger, als etwa Klage zu erheben. Die WLV-Berater rechnen ihre Kosten nach dem zeitlichen Aufwand und festen Stundensätzen ab.