Der Geruch von Schwefel liegt in der Luft. Er stammt von der Steinkohle, die in der Esse, dem Schmiedefeuer, glimmt. In das etwa 1200°C heiße Feuer hält Max Kurapkat das mittlere Drittel eines 33 cm langen Flacheisens. Im Hintergrund lässt Wallach Totti ein paar Äpfel fallen.
Der Bielefelder steht kurz vor seinem Abschluss zum staatlich geprüften Hufbeschlagschmied und besucht dafür den viermonatigen Vorbereitungslehrgang an der Hufbeschlagschule von Christoph Schweppe in Dortmunds Norden. Der 24-Jährige hat sich für einen Beruf mit langer Tradition entschieden.
Schon seit Jahrhunderten beschlagen Hufschmiede Pferde mit Hufeisen. Doch dem uralten Handwerk fehlt der Nachwuchs. So gibt es in Deutschland mehr als eine Million Pferde, aber laut Berufsverband nur noch etwa 3500 aktive Hufbeschlagschmiede. Nur ihnen ist es erlaubt, Pferde mit Hufeisen zu beschlagen.
Feuer gefangen
Max nimmt mit der Schmiedezange das orangegelbe Stück Eisen aus den Flammen. Für die Prüfung muss der Ostwestfale unter anderem ein Hufeisen in 90 Minuten fertigen. „Zu Beginn habe ich mehr als zwei Stunden gebraucht“, sagt er. Solange es glüht, lässt sich das 10 mm dicke Eisen fast wie Knete formen. Die Farben zeigen die Temperatur an – je heller, desto heißer ist das Eisen.
Auf dem Ambos staucht Max mit gezielten Hammerschlägen das Eisen von oben und verdickt so die Mitte, die Zehe des späteren Vorderhufeisens. „Sonst würde beim Biegen zuviel Material verdrängt“, erklärt der angehende Hufbeschlagschmied.
Vor dem Lehrgang hatte Max noch kein komplettes Hufeisen geschmiedet. Im Alltag kommen meist industriell vorgefertigte Hufeisen zum Einsatz, die vor dem Beschlag noch mal erhitzt und so individuell angepasst werden. Danach werden sie kalt aufgenagelt.
Während früher jedes Dorf eine eigene Schmiede hatte, kommen heute die Hufschmiede meist direkt zu den Ställen. Über solch einen „Besuch“ fing Max Feuer fürs Schmiedehandwerk. Mit etwa 14 Jahren beobachtete der passionierte Reiter erstmals einen Hufschmied bei der Arbeit am Reitstall. Denn alle sechs bis acht Wochen kann ein Pferd neue Eisen vertragen. Max faszinierte der Mix aus Gefühl fürs Tier, Geschicklichkeit und Kraft.
Die ist auch jetzt gefragt: Er schlägt das gerade Flacheisen in eine V-Form mit zwei etwa gleichlangen symmetrischen Schenkeln. Im Anschluss setzt er ins weiche Eisen den Falzhammer mit seiner leicht gekrümmten und gerundeten Schneide. Er zeichnet so den Anfang der Falz ein.„Die sogenannte Falz dient später als Vertiefung, in der die Nägel versenkt werden“, erläutert er.
Danach ist die Strahlfreiheit dran. Dafür schmiedet Max die Enden der Schenkel rund ab. Das verhindert ein Drücken auf den Hufstrahl. Danach hämmert er am Horn des Ambos die Schenkel in die typisch rundliche Form.
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Noch auf der Gesamtschule machte der Bielefelder ein Praktikum bei einem Hufschmied. Da erfuhr er, dass es keine duale Ausbildung gibt. So hätte er eine dreieinhalbjährige Ausbildung zum Metallbauer machen müssen mit dem Schwerpunkt Hufbeschlag plus vier Monate an einer Hufbeschlagschule.
Die Alternative: eine beliebige Ausbildung, zwei Jahre bei einem Hufschmied und zwei Lehrgänge – ein einmonatiger Einführungslehrgang zu Beginn und vor der Prüfung einen viermonatigen Vorbereitungslehrgang.
Vom Gärtner zum Schmied
Max entschied sich für den zweiten Weg. Nach dem Abi schloss er in weniger als zwei Jahren eine Lehre zum Garten- und Landschaftsbauer ab und heuerte bei dem Hufschmied an, den er vom Reitstall kannte.
Dort war er kein Praktikant, sondern sozialversichert angestellt und verdiente den Mindestlohn – mit 1100 € im Monat etwa drei Viertel dessen, was er im letzten Ausbildungsjahr zum GaLa-Bauer bekommen hatte. „Ich habe bei meinen Eltern gelebt. Daher war das kein Problem“ sagt er.
Für andere ist es aber ein finanzieller Einschnitt, vor allem mit Familie, erzählt er. Gleichzeitig schreckt der Lohn einige Hufschmiede ab, auszubilden, da sie für einen ungelernten Quereinsteiger mehr als eine normale Ausbildungsvergütung zahlen müssen.
Volle Auftragsbücher
Den ursprünglichen Weg über den Metallbau schlagen heute nur noch wenige angehende Hufschmiede ein. Viele machen vorher eine andere Ausbildung. Das stellt Christoph Schweppe, Metallbaumeister und Hufschmied, fest. Er ist seit knapp 20 Jahren im Geschäft. 2021 gab es landesweit 20 Prüflinge. Im Jahr zuvor 18 und 2018 noch 37. Neben seiner Hufbeschlagschule gibt es in NRW noch eine weitere in Münster. Der Vorbereitungskurs kostet 4300 €.
Max Kurapkat hat ihn sich überwiegend über das Aufstiegs-BAföG finanziert. Der Einführungslehrgang liegt bei etwa 1100 €. Davor macht Christoph Schweppe einen Aufnahmetest, um das Geschick der Teilnehmer zu testen. Viele Hufbeschlageschmiede werden selbstständig und sind meist alleine unterwegs. Die Auftragsbücher sind voll.
Laut Ersten Deutschen Hufbeschlagschmiedeverband (EDHV) ist das Einkommen mit dem eines Handwerksmeisters vergleichbar und liegt zwischen 2000 € und 3000 € netto. Der Verband geht dabei von einem monatlichen Umsatz von 7000 € bis 10000 € aus. Als Selbstständige müssen sich die Hufbeschlageschmiede selbst um Krankenversicherung und Altersvorsorge kümmern.
Gefühl ist gefragt
In den zwei Jahren unterstützte Max den Hufschmied: Er nahm die alten Eisen ab, feilte die Hufe und beschlug auch schon. Danach stand der Lehrgang auf dem Programm. „Die vier Monate vergingen wie im Flug“, blickt er zurück. Vier Männer und eine Frau aus ganz Deutschland besuchten mit ihm den Kurs.
Morgens teilte sich die Gruppe. Einige fuhren mit Christoph Schweppe oder einem Mitarbeiter raus zu den Ställen und beschlugen Pferde. Die anderen arbeiteten an ihren Hufeisen. Im holzvertäfelten Schulungsraum paukten sie Theorie. So erklärte eine Tierärztin die Anatomie des Pferdes. Am Ende stehen für alle sechs Prüfungen an.
Immer wieder tickt Max mit dem Schmiedehammer auf den Falzhammer. Ab und zu taucht er das Werkzeug in Wachs, damit es nicht zu heiß wird. Die Falz setzt er 2 mm von der Mitte der Schenkel hin zum äußeren Rand. Sonst könnte er später ins „Leben“ nageln und das Pferd verletzen.
Danach greift der angehende Hufschmied zum Stempelhammer und Lochdorn und setzt die Nagellöcher in die Schenkel. Dabei ist Feingefühl gefragt. Und das gilt auch für den Beruf. Die Pferde haben sich verändert. Sie sind keine Arbeitstiere mehr sondern Freizeitpartner. Ein Hufschmied muss mit Pferden umgehen können.
Neben dem Gefühl fürs Tier braucht es aber auch eine gewisse Robustheit. Oft arbeitet Max bei Wind und Wetter draußen oder in zugigen Ställen. „Auch mit den Haltern sollte ein Schmied umgehen können. Das Pferd ist deren ein und alles“, sagt der Ostwestfale. Wenn dem Tier etwas passiert, kann der Schmied sich sehr schnell seinen Ruf ruinieren. „Die Reitenden sind gut vernetzt.“
Selbstständig ins neue Jahr
Es fehlt nun nur noch der Zehenaufzug, damit nicht nur die Nägel das Hufeisen halten. Der Aufzug zentriert das Eisen auf dem Huf. Diese Kappe zieht Max auf der Kante vom Ambos aus einer glühenden Blase am Eisen. In den vergangenen vier Monaten hat Max vermutlich 150 Hufeisen geschmiedet. Nach einer Dreiviertelstunde ist das neuste Eisen fertig.
Jetzt hat Max Zeit für Wallach Totti. Das Pferd bekommt nicht das neue Stück, sondern hat sein Eisen verloren. Max nagelt es wieder auf – das überwiegend in gebückter Haltung.
„Schmiede bekommen es oft im unteren Rücken. Die Bandscheiben machen schlapp. Viele können mit Ende 40 nicht mehr“, erzählt der Praktiker. Denn es ist immer noch ein sehr körperlicher Beruf. Daher ist es am besten einen sportlichen Ausgleich zu haben. Mittlerweile gibt es auch ein extra Korsett für die Arbeit, das den Rücken stärkt.
Das alles schreckt Max nicht. Im neuen Jahr möchte er in die Selbstständigkeit starten und Hobbyreiter in etwa 20 km um seinen Wohnort Bielefeld-Babenhausen betreuen. Einen Anhänger hat er dafür umgebaut und mit Gasofen, mobilen Ambos, Werkzeugen und zahlreichen Hufeisen ausgestattet. Wenn das mal kein Glück bringt. Für die Prüfung hat es jedenfalls gereicht. Max darf sich jetzt Hufbeschlagschmied nennen.