Dorf.Zukunft.Digital

Homepage und App fürs Dorf

Das Leben im Dorf wirkt im Lockdown wie eingefroren. App und Homepage ermöglichen ein wenig Gemeinschaft. Passend dazu macht das Projekt „Dorf.Zukunft.Digital“ Orte fit für die digitale Zukunft.

Der Fußballplatz bleibt verwaist. Hallen, Säle und Kneipen sind geschlossen. Familienfeiern und Jahresversammlungen der Vereine fallen aus. Karneval fand nur in der Erinnerung statt. Das Gemeinschaftsleben der Dörfer kommt während des Lockdowns fast zum Erliegen. Für etwas Abwechslung und In­forma­tionen im Alltagsgrau der Pandemie sorgen die Internet­seiten und Apps der Dörfer.

Auf der Homepage von Bredenborn (www.bredenborn.de) im Kreis Höxter kürten die Bewohner den besten Weihnachtsbaum des Ortes. Eine Fotogeschichte erzählt mehr über die örtlichen Alpakas im Schnee. Wer sich für Geschichte interessiert, kann durch die liebe­voll aufbereitete Dorfchronik scrollen. Die Internetseite verlinkt die Homepages der örtlichen Vereine und Unternehmen. Außerdem finden sich der Abfall- und Busfahrplan.

Ansgar Potthast nutzt die Dorf-App auch auf dem Tablet. (Bildquelle: Privat)

Dorf.Zukunft.Digital

Kurz vor Weihnachten 2020 ging die neue Homepage des 1500-Einwohner-Ortes online. Eine Internetseite gab es schon seit etwa zehn Jahren. Der Ortsheimatpfleger kümmerte sich um sie. „Die Seite war etwas in die Jahre gekommen. Nun wird sie von mehreren Schultern getragen“, sagt Ansgar Potthast.

Der 51-jährige Sparkassen-Angestellte ist einer der Köpfe hinter der neuen Homepage und einer von acht Ansprechpartnern. Sie kümmern sich um digitale Belange im Dorf. Denn Bredenborn, der größte Ortsteil der Gemeinde Marienmünster, zählt zu den 30 Orten im Kreis Höxter, die seit 2020 Teil des Projektes „Dorf.­Zukunft.Digital“ (DZD) sind.

Der Wunsch einer digitalen Plattform, auf der die Einwohner sich über den Ort informieren und selbst aktiv werden können, entstand in einer Dorfzukunftswerkstatt. „Wir wünschten uns eine Art Facebook nur für den Ort“, vergleicht Ansgar Potthast. Daher bewarb man sich auf das Projekt DZD.

Ausgewählt wurden Orte zwischen 300 und 1500 Einwohnern, in denen es schon Erfahrung mit digitalen Anwendungen gab und das Ehrenamt sehr aktiv ist. DZD ist das Nachfolgeprojekt zur Smart-Country-Side. Es hatte sich in den Kreisen Höxter und Lippe zu einem bundesweit beachteten „Leuchtturm“ entwickelt.

DZD wird zu 65 % aus den Töpfen des europäischen LEADER-Programms finanziert. Der Rest der 224  000 € Förderung stammen vom Land NRW und aus den zehn Kommunen des Kreises Höxter. „Es soll die Menschen aller Generationen zu mündigen Bürgern im Umgang mit digitalen Angeboten machen“, nennt Heidrun Wuttke das Ziel. Sie betreut das Projekt im Auftrag der Volkshochschule Diemel-Egge-Weser.

Dabei spielt das „digitale Dorf in der Hosentasche“ eine große Rolle. Denn neben der Webseite ist die Dorf-App „Dorffunk“, die vom Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) in Kaiserslautern entwickelt wurde, ein wichtiger Baustein. Innerhalb weniger Wochen haben sich mehr als 100 Bredenborner die kostenfreie App heruntergeladen. Egal, wo sich die Bürger befinden, erhalten sie in Echtzeit Infos von der Homepage auf ihr Smartphone.

Nachbarschaftshilfe und Vereinstreffen können so digital organisiert werden. Über die App hat jeder Nutzer selbst die Möglichkeit, Gebote und Gesuche zu veröffentlichen, aber auch Aktuelles auf 200 Zeichen seinen Mitbürgern mitzuteilen. So wurden schon vermisste Tiere oder Autos wiedergefunden. Leider sind es ­gerade aber oft Absagen von Veranstaltungen.

Schulung per Webinar

Für acht Bredenborner begannen Anfang 2020 an der VHS Schulungen zu Wordpress – zunächst in Präsenz, mittlerweile als Webinar. Darüber können sie die Homepage „füttern“. Ansgar Potthast hat durch den Beruf etwas Erfahrung im Umgang mit digitalen Anwendungen. Für manchen im Team war das aber Neuland.

„Corona hat die Schulungen zunächst etwas ausgebremst, aber auch gezeigt, wie wichtig die Homepage und die App für den Zusammenhalt im Ort sind“, sagt der dreifache Familienvater. Das stärkt den Einsatz. Immer dienstags – seit November 2020 digital – trifft sich das Redaktionsteam und bespricht, was es online stellen soll.

„Eine Homepage ist nie fertig. Vieles können wir nur nach und nach umsetzen. Wir machen das im Ehrenamt und haben nur begrenzt Zeit“, sagt Ansgar Potthast. Was ihn zusätzlich motiviert: Seine älteste Tochter macht gerade ein Highschool-Jahr in den USA. Sie kann trotzdem immer auf dem Laufenden bleiben, was gerade in Bredenborn passiert.

Eine Homepage ist nie fertig.

Auf Dauer sollen diese digitalen Kümmerer auch einfache Schulungen im Ort anbieten: Wie nutzt man das Smartphone richtig? Wie legt man ein Fotobuch an? Wie läuft das Onlinebanking?

Dafür haben sie im Rahmen des Projekts wichtige Hardware erhalten. In einer dorfeigenen Medienecke stehen für die Einwohner ­Tablet, Notebook, Headset und ­eine Leinwand samt Software zur Verfügung. Noch befindet sie sich im Proberaum des Musikvereins. Bald soll es Platz finden in der geplanten Heimatstube.

Das sorgende Dorf

Einen Schritt weiter ist das wenige Kilometer von Bredenborn entfernte Ovenhausen. Das 1000-Einwohner-Dorf nahe der Kreisstadt Höxter war schon Teil des Vorgänger­projekts Smart-Country-Side. Wer auf die Homepage geht, entdeckt aktuelle Meldungen und Videos der Vereine. Der Elferrat lässt die Garden zu dem Song „Jerusalema“ von zu Hause aus tanzen und bedankt sich so bei den Pflegekräften – etwas Ersatz für den berühmt, berüchtigten Karneval des Ortes.

Das Karitative spielt auf der Homepage eine große Rolle. Unter dem Reiter „Das sorgende Dorf“ haben Martina Voss und Martina Werdehausen von der örtlichen Caritas eine gemeinsame Klammer für alle sozialen Angebote im Ort geschaffen. Hier finden die Nutzer viele Informationen rund um Beratung von älteren und bedürftigen Menschen, aber auch zur Betreuung von Kindern.

„Das darf analoge Angebote und eine Hotline nicht ersetzen. Es ergänzt sie aber“, sagt Martina Voss, die in der Verwaltung eines Krankenhauses arbeitet. Sie gehört zu den Dorf-Digital-Experten im Ort und bringt vor ­allem der älteren Generation die digitalen Angebote näher. Sie erklärt Smartphones, Apps und ­Tablets im passenden Tempo.

Das darf analoge Angebote und eine Hotline nicht ersetzen. Es ergänzt sie aber.

Über 600 Ovenhausener haben die App „Dorffunk“ auf ihrem Handy – nahezu jeder Haushalt. Das Angebot gibt es dort schon seit fast zwei Jahren. Kommuniziert wird ausschließlich über Themen, die den Ort betreffen. Zum Beispiel vergibt die örtliche Friseurin gerade Termine.

Man kann sich aber auch mit den Nachbardörfern vernetzen und schauen, was dort los ist. Über 700 externe Nutzer ­haben den Ovenhauser Dorffunk abonniert. „Die Teilnehmer sind sehr diszipliniert“, sagt Martina Voss. Sollten doch einmal Beleidigungen auftauchen, kann das Digital-Team moderieren oder löschen.

Lotsen im digitalen Dickicht

In Ovenhausen und Bredenborn sowie den anderen 28 Dörfern werden pro Ort auch zwei Digital-Lotsen ausgebildet. „Sie übernehmen strategische Aufgaben“, beschreibt Heidrun Wuttke. Sie sind nach ­innen Ansprechpartner für Vereine und Gruppen, nach außen für Kommune und Kreis.

In den Seminaren lernen sie, wie das Projektmanagement gelingt und sich Fördermittel beantragen lassen. Sie setzen in Zukunft die Vorhaben einer kreisweiten Digitalstrategie für ihre Dörfer um. Der Wunsch ist, dass nicht nur die 30 Orte davon profitieren, sondern alle 124 Dörfer im Kreis. Über Dorf-Homepage und Dorf-App sollen sie stärker auf eigenen, digitalen Beinen stehen.

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