An der Hofübergabe können Familien zerbrechen. Eine junge Frau holte die Familienhilfe ins Boot, damit ihrer Familie das nicht passiert. Der erste Schritt ist gemacht. Doch das Gespräch war schwierig. Hier berichtet die junge, gelernte Landwirtin von allen Höhen und Tiefen und der festgefahrenen Situation auf dem Hof.
"Vergangenen Sommer kam mein Bruder (23) nach der Fachschule für Agrarwirtschaft zurück auf den Hof. Voll motiviert wollte Lukas* endlich das umsetzen, was er auf seinen Lehrbetrieben und in der Schule gelernt hatte. Er sprach von Modernisierung und Erweiterung. Der Milchviehbetrieb unserer Eltern ist 70 ha groß. Wir haben 75 Kühe.
Lukas bekommt den Hof
Ich, Lukas' ältere Schwester (26), habe auch Landwirtschaft gelernt. Aber für die Nachfolge kam ich nie infrage. Für Vater (64) war immer klar: Lukas ist der Hofnachfolger. Allerdings wird das Thema Hofübergabe bei uns verschwiegen.
Die anfängliche Euphorie meines Bruders ist verflogen. Vater tut sich schwer, seine Änderungsvorschläge anzunehmen und umzusetzen. „Das hat jahrelang auch anders geklappt“, blafft er Lukas häufig an. Immer wieder geraten die beiden aneinander – und ich stehe dazwischen. Mutter (58) mischt sich nicht ein, sie möchte keinen Streit. Dennoch ist deutlich zu spüren, wie festgefahren die Lage ist.
Hilfe holen und den Konflikt lösen
Immerhin sind Lukas und ich uns einig. Wir möchten die Hofnachfolge so gestalten, dass am Ende alle mit der Situation leben können, ohne Streit. Doch immer, wenn wir das Thema ansprechen, windet sich Vater in Ausreden, weshalb er gerade keine Zeit hat. Irgendwann stritten Vater und Lukas wieder. Lukas rief mich an. Er erzählte mir, dass er in der Schule von der ländlichen Familienberatung gehört hatte. „Kommen wir vielleicht so zu einer Lösung?“, fragte er mich. Ich fand es gut, sich professionelle Hilfe zu holen.
Hilfe für Familien: Alle Telefonnummern und Kontakte hier im nächsten Beitrag
Der Anruf bei der Familienberatung
Er wollte, dass ich bei der Familienberatung anrufe. „Typisch“, dachte ich, aber wahrscheinlich traute Lukas sich nicht, und wir wären noch genau da, wo wir vor einem Jahr waren. Nervös wählte ich die Nummer. „Maria Höschen von der ländlichen Familienberatung Hardehausen“, hörte ich eine freundliche Stimme. Ich atmete tief durch und schilderte der Frau am Telefon die Situation. Sie hörte zu und ließ mich reden. Ich hatte das Gefühl, sie verstand sofort, um was es geht.
Schnelle Terminabsprache
Ein paar Tage nachdem ich mit Maria Höschen, Geschäftsführerin der LFB, gesprochen hatte, meldete sich eine Beraterin. Sie wollte mit mir einen Termin für ein Gespräch mit meiner gesamten Familie sowie einem weiteren Familienberater vereinbaren. Schon nächste Woche sollte das sein. Gemeinsam erklärten Lukas und ich unseren Eltern, dass ein Beratungstermin mit der LFB stattfinden soll. Sie sagten erst mal nichts. Ich fürchtete, dass sie das Gespräch ablehnen und es Stress gibt. Aber sie waren einverstanden.
Plötzliche Unsicherheiten
Doch auf einmal wurde ich unsicher. „Ob die Berater uns helfen, zu einer Lösung zu kommen?“, fragte ich mich insgeheim und rief wieder bei der LFB an. „Für eine gute Lösung ist es wichtig, dass die Familien in den Gesprächen offen und ehrlich sind. Manchmal gehören auch Wut und Tränen dazu“, sagte Maria Höschen und erklärte, „oft kommen während der Beratung Themen auf den Tisch, die jahrelang verschwiegen wurden. Obwohl das unangenehm sein kann, ist genau das der Schlüssel, um einen Konflikt zu lösen.“
Gespräch mit den Beratern
So war es auch. Das erste Beratungsgespräch, das Lukas und ich gemeinsam mit unseren Eltern und den zwei Beratern hatten, war anstrengend und wühlte uns auf. Es war komisch, dass plötzlich Fremde mit am Tisch saßen, und wir in ihrer Gegenwart ausgerechnet über die Hofübergabe reden sollen. Ein Thema, das wir doch so erfolgreich verschwiegen hatten.
Wir waren angespannt. Keiner von uns sagte etwas. Irgendwie war es peinlich. Dann fragte die Beraterin Lukas, wie er sich gerade fühlt. Er fing an zu erzählen – erst stockend, aber dann lief es. Dann war Mutter, danach Vater und zum Schluss war ich an der Reihe. Jeder von uns konnte frei heraus sagen, was er denkt, wie er sich fühlt, und was er sich wünscht, ohne dass der andere ihn unterbrach oder drauflos wetterte oder einfach wegging.
Erleichterung setzt ein
Es war so anders als die Gespräche, die wir sonst führten. Allmählich wurde die Atmosphäre entspannter. Keiner war mehr auf Angriff, sondern setzte sich mit sich selbst und seiner Beziehung zu den anderen auseinander. Das lag aber auch an den beiden Beratern. Der Mann und die Frau erzählten, dass sie selbst aus der Landwirtschaft stammen. Sie stellten hin und wieder Fragen und lenkten das Gespräch so, dass wir uns als Familie letztendlich gegenseitig besser verstanden. Jetzt konnte jeder hinter die Kulisse des anderen blicken.
Plötzlich ging es nicht um Starrsinn und „moderne Spinnerei“, sondern um Zukunftsängste auf beiden Seiten. Wie oft haben wir uns gegenseitig missverstanden! Das war keinem bewusst.Wir sind jetzt froh und erleichtert, dass wir die seit langer Zeit schwelenden Themen endlich auf den Tisch brachen. Es tut gut, bei dem emotionalen Prozess professionelle Unterstützung zu erhalten. Auch wenn es noch ein langer Weg ist, bis wir uns einig sind. Der erste Schritt ist getan."
*Name geändert
Lesen Sie weitere Beiträge des Wochenblatts für Landwirtschaft und Landleben:
Als Wochenblatt-Plus-Abonnent finden Sie hier weitere Beiträge aus dem Heftarchiv:
Kommentar: "Ein Gemeinschaftsprojekt" von Dr. Marit Schröder (Folge 26/2019)
Beitrag: "Einer für alle, alles für einen?" von Dr. Marit Schröder (Folge 26/2018)
Beitrag: "Hofübergabe - Ruhig Blut bewahren von Rebecca Kopf (Folge 40/2018)
Bericht: "Vatter, watt is denn nu ...?" von Armin Asbrand (Folge 49/2018)
Bericht: "Mitgestalten statt bekämpfen" von Caroline Stumpenhorst (Folge 49/2013)