In vielen Städten und Gemeinden des Landes NRW wird derzeit überlegt: Sollen wir einen Wegeverband gründen, um die hohen Sanierungskosten auf möglichst viele Schultern zu verteilen? Für die Land- und Forstwirte und andere Grundeigentümer hat ein Wegeverband Vor- und Nachteile. Ein Nachteil ist: Ehrenamtliche müssen zur Verfügung stehen, die diesen nicht leichten Job mit Engagement und Herzblut ausüben.
Wege gehören Gemeinde
Bereits 2010 haben Landwirte und Waldbauern in Heiden, Kreis Borken, eine andere Lösung für ihre Wirtschaftswege gefunden. Damit sind die Akteure sehr zufrieden. „Unser Modell hat sich bewährt“, sagt Bernhard Brun. Der Landwirt, 68, seit 2014 Ratsmitglied (CDU), hat maßgeblich dazu beigetragen, dass 2016 die Finanzierung dieser Gemeinschaftsaufgabe auf eine solide Grundlage gestellt wurde. Doch der Reihe nach.
Heiden hat 8300 Einwohner und eine Fläche von 5335 ha (davon sind 1245 ha Wald). In den 1970er-Jahren – im Zuge des Baus der Autobahn 31 – fand eine Flurbereinigung statt. Für den Ausbau der Wege und Gewässer mussten die Grundeigentümer 4 % ihrer Fläche abgeben – ohne Geldausgleich. Damals entstand ein 120 km langes, asphaltiertes Wegenetz. Nach Abschluss der Flurbereinigung ging das Wegeeigentum in den Besitz der Gemeinde.
Sanierungskonzept muss her
Doch nach Jahrzehnten der Nutzung waren viele Wege immer löchriger geworden. Was tun? Im November 2010 beschloss der Gemeinderat auf Initiative der Landwirte, einen Arbeitskreis (AK) Wirtschaftswege zu gründen. Er hat zurzeit acht Mitglieder. In ihm sind alle Ratsparteien, der Landwirtschaftliche Ortsverband (LOV) und das Bauamt vertreten. Sein Ziel: Ein Sanierungskonzept für die Wege erstellen, das der Rat absegnet. Ab 2010 standen pro Jahr 100.000 € im Haushalt für diesen Zweck zur Verfügung.
Die AK-Mitglieder schauen sich im Herbst regelmäßig alle Wege an und legen fest, an welchen Stellen die Teerdecken und Banketten ausgebessert werden sollen. In Einzelfällen wird zum Beispiel eine doppelte Teerdecke mit Split aufgetragen, ansonsten erfolgt eine Grundsanierung.
Doch schon bald nach Gründung des AK stellten deren Mitglieder fest: Das Geld der Gemeinde (100.000 €/Jahr) reicht nicht, um das Wegenetz in einem guten Zustand zu erhalten. Bauamtsleiter Ulrich Lohaus: „Nicht nur Landwirte, sondern auch Lohnunternehmer, Gewerbebetriebe sowie Radfahrer und Fußgänger nutzen die Wege, wobei man trefflich streiten kann, wer die Fahrbahnen am meisten kaputt fährt.“
Finanzierungskonzept
Vor diesem Hintergrund verständigten sich der LOV und der Rat der Gemeinde Ende 2016 auf ein neues Finanzierungskonzept für die Wirtschaftswege:
- Die Gemeinde hebt die Grundsteuer A für die land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke von 255 % auf 355 % an. Dadurch fließen 40.000 €/Jahr mehr in die Gemeindekasse.
- Die Gemeinde Heiden erhöht ihren Ansatz für die Wege um weitere 100 000 € auf 200 000 €/Jahr.
- Damit stehen jetzt 240 000 €/Jahr im Haushalt der Gemeinde für die Wege zur Verfügung.
Laut Brun zahlen die Land- und Forstwirte durch Anhebung der Grundsteuer A jetzt 8,20 € pro ha und Jahr für die Wege. Sie sind im Schnitt 3,50 bis 4 m breit ausgebaut. Dazu kommen 0,40 bis 0,50 m Bankette rechts und links. Die Sanierung von 1 km Weg kostet derzeit etwa 100 000 €. „Das Geld im Haushalt reicht aus, um jedes Jahr bis zu 2,5 km Wege zu sanieren“, sagt Lohaus.
Allerdings, die Finanzierung steht unter Vorbehalt. Denn eine Gemeinde darf erhobene Steuern nicht zweckgebunden ausgeben. Deshalb muss der Rat der Gemeinde jedes Jahr über den Ansatz im Haushalt entscheiden. Die Landwirte in Heiden rechnen aber nicht damit, dass eine eventuell neue Ratsmehrheit eines Tages das Finanzierungskonzept kippt. LOV-Vorsitzender André Brösterhaus: „Alle Bewohner in den Außenbereichen profitieren doch von intakten Wegen. Wir Landwirte sitzen mit unseren Nachbarn im gleichen Boot.“
Bauamt in der Pflicht
Nach Ansicht der Bauern hat das Heidener Modell einen großen Vorteil: Die Landwirte entscheiden im Arbeitskreis weiter mit, welche Wege wann saniert werden. Das Bauamt dagegen schreibt die Arbeiten aus und kontrolliert die erbrachten Leistungen der Bauunternehmen. Brun: „Das Bauamt erledigt alle Verwaltungsarbeiten. Für uns Landwirte ist das ein wichtiger Punkt.“
Doch auch in Heiden gibt es gelegentlich Diskussionen um die Wege und wie sie genutzt werden. „Leider ist es auch bei uns so, dass die Banketten insbesondere von zu schnell fahrenden Autos und den Lkws kaputt gefahren werden“, hat Bauamtsleiter Lohaus beobachtet. Ärger und böse Worte gibt es mitunter auch, wenn sich Radfahrer und Schleppergespanne begegnen und zum Beispiel Pedelec-Fahrer auf ihre vermeintlichen Rechte pochen.
Bitte Rücksicht nehmen
Ulrich Lohaus weist in diesem Zusammenhang gern darauf hin, dass die Wege in den Außenbereichen für den land- und forstwirtschaftlichen Verkehr gewidmet sind. Gleichwohl appelliert der Bauamtsleiter: „Auf allen Wegen sollten die Verkehrsteilnehmer Rücksicht nehmen und bei Gegenverkehr den Fuß vom Gaspedal nehmen. Das gilt auch für die Wege in Heiden, auf denen übergeordnete Radfahrrouten ausgewiesen sind.“
Mehr zum Thema: