Das Geheimnis liegt im Holz. Locker wiegt Lukas Trapp den Stiel einer Harke in der Hand. Der ist aus Esche. „Die ist fest und zugleich elastisch“, erklärt Hubert Böddeker. Das perfekte Material für einen Harkenstiel. Böddeker muss es wissen. Mehr als 50 Jahre lang hat er in seinem Sägewerk jedes Jahr Hunderte produziert. Das und seine schmale Statur haben ihm den Spitznamen „Harkenpinn“ eingebracht. Jetzt gibt der 69-Jährige sein Wissen an seinen jungen Nachfolger weiter.
Nach der Wanderschaft
Mit schwarzer Arbeitshose, Cordweste und Kapuzenpulli steht Lukas Trapp auf dem Hof des Sägewerks im Norden von Delbrück (Kreis Paderborn). Nach knapp fünf Jahren auf Wanderschaft ist der Tischler gerade wieder sesshaft geworden. Der 35-Jährige hat gleich steile Karriere gemacht. „Sägewerksdirektor“, nennen ihn Jonathan und Arvid Gröne scherzhaft. Die beiden Architekten haben den 125 Jahre alten Betrieb vor knapp einem Jahr von Hubert Böddeker gekauft. Im Winter hat die Säge Saison, im Sommer die Produktion von Harken und Stielen.
Die Grönes wollen in ihrem Unternehmen alles anbieten, was zum Bauen gehört, von der Planung über den Holzzuschnitt bis zur Einrichtung. Hubert Böddeker gefiel dieser Ansatz. Von seinen vier Kindern wollte keines ins Säge- und Harkengeschäft einsteigen. Dass der traditionsreiche Betrieb trotzdem weitergeht, war ihm wichtig. Deshalb hat er an die Grönes verkauft, sich aber nicht komplett aufs Altenteil zurückgezogen.
Seit Oktober steht er Lukas Trapp mit Rat und Tat zur Seite. Die neuen Besitzer haben ihren Vorgänger als Minijobber angestellt.
Wenn die Säge rattert
Wichtigste Maschine im Betrieb ist eine Gattersäge. Seit 1964 steht sie in einem dunkelroten Holzgebäude. Hubert Böddeker erklärt jetzt seinem Nachfolger, wie sie funktioniert. Der Lärm der Säge ist ohrenbetäubend. Mit lautem Rattern zieht sie ihre Zähne durch das Holz einer alten Eiche, rund 300-mal pro Minute. Hubert Böddeker kam mit 14 Jahren in den Betrieb und kennt die Säge bis zum letzten Teil. „Hier kann man selbst reparieren. Gestern habe ich noch eine Schraube ausgetauscht.“
Lukas Trapp hat in Lüneburg einst in einer Möbeltischlerei gelernt. Bevor er auf Wanderschaft ging, jobbte er als Waldarbeiter. Eine seiner Stationen während der Tour über vier Kontinente war der Handwerksbetrieb der Grönes in Delbrück. Der zieht immer wieder Wandergesellen an. Denn: Einige Mitarbeiter waren selbst auf der Walz. So wie Tim und Ela Brunzendorf. Er ist Maurermeister, sie gelernte Bäckerin und Konditorin. Er arbeitet heute im Bauteam des Unternehmens. Sie kümmert sich im Sägewerk um Verkauf und Büro. „Nach fünf Jahren sind wir angekommen“, sagt sie.
„Wieder sesshaft zu werden, das ist eine Riesenumstellung“, betont Lukas Trapp. Während der Wanderschaft passte sein ganzer Besitz in ein verknotetes Tuch.
Kopf statt Laser
Aus dem 6,5 m langen Stamm wollen Hubert Böddeker und Lukas Trapp Balken für eine Fachwerk-Remise schneiden. Sie rechnen im Kopf, stellen die Säge von Hand ein und manövrieren den Stamm mit Kran und Kraft auf den Sägewagen, der auf Schienen durch das Gatter rollt. Im großen Sägewerk wird ein Stamm per Laser vermessen. Der Computer spuckt dann das effizienteste Sägemuster aus.
Die Methode im Sägewerk Böddeker ist aufwendig, erlaubt es aber auch, kleine Mengen sehr individuell zu verarbeiten. Oft kommen Stämme von Bäumen mit Geschichte. Wie die 300 Jahre alte Eiche. Sie hat die Hofansicht über Generationen geprägt. Jetzt ist sie trocken geworden und soll als Remise auf den Hof zurückkehren. „Es nimmt zu, dass die Leute sagen: Der Baum hat mir etwas bedeutet“, sagt Jonathan Gröne. Manchmal wird aus den Stämmen Bauholz. Manchmal entstehen im Sägewerk und der angegliederten Tischlerei auch Dielenböden, große Esstische oder andere Möbel.
Im Winter saust die Säge
Die meisten Stämme gehen zwischen Oktober und März über die Säge. „Wenn das Holz frisch geschnitten in die Sonne kommt, trocknet es sonst zu schnell und reißt“, erklärt Lukas Trapp. Ein bis zwei Jahre darf der Wind durch die Stapel pfeifen. Bei Eichenbrettern hat Lukas Trapp den Abstand auf 16 mm reduziert, damit sie nicht zu schnell Feuchtigkeit verlieren.
Wenn die Säge im Frühling und Sommer schweigt, ist Zeit für die Harkenproduktion. Viele Maschinen dafür hat Hubert Böddekers Adoptivvater Heinrich selbst entwickelt. Er hat den Standort aufgebaut und war ein legendärer Tüftler. Für die Stiele schneidet Lukas Trapp Bretter auf 3 x 3 cm. Anschließend schickt er sie durch den Rundstabhobel. In die Rohlinge für die Querleisten aus Lindenholz fräst eine Bohrmaschine 14 Löcher. Dort klopft Lukas Trapp die schmalen Zinken aus Esche hinein. Die kleinen Holzteile, Stückpreis 80 Cent, heißen „Harkenpinne“.
Im Verkaufsraum reihen sich Stiele für Äxte und Besen, Spitzhacken und Spaten. Auch die Harke gibt es hier für knapp 30 €. Vor allem Straßenwärter und Landschaftsgärtner schätzen sie.
Nebenan unter der Treppe feiert Lukas Trapp „Harkenhochzeit“. In einer Schablone spreizt er den eingeschnittenen Stiel auf, schiebt die Querleiste auf die abgerundeten Enden und legt eine Schelle aus Metall um den Stiel. Schnell noch zwei kurze Nägel eingeschlagen, fertig ist eine Harke wie sie seit Generationen im Einsatz ist.
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