Kreislandfrauentag Siegen-Wittgenstein

Gendern: "Muss das wirklich sein...?!"

Ist Gendern nervig oder sinnvoll? Juliane Vees findet es unerlässlich. Doch auch für die erste Vizepräsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes und gebürtige Wittgensteinerin ist es ein Lernprozess.

Manchmal ist es ein Augenrollen. Manchmal ist es ein Kommentar wie „Jetzt kommt sie schon wieder mit ihrem ,Gendern‘ an...!“ Wenn Juliane Vees (siehe Kasten „Wittgensteiner Mädchen“) hinter Worten wie Landwirt kurz inne hält, um die Silbe „innen“ zu ergänzen, stößt das nicht immer auf Gegenliebe. Gerade männliche Gesprächspartner finden es unnötig, diese Ergänzung vorzunehmen. Ihr ist es jedoch wichtig, um zu betonen: Beim angesprochenen Personenkreis sind nicht nur Männer gemeint, sondern Frauen explizit eingeschlossen. Der Fachbegriff dafür lautet „Gendern“. Ziel ist eine geschlechtergerechte Sprache.

„Du solltest gendern!“

Auch auf dem Kreislandfrauentag Siegen-Wittgenstein am Samstag vergangener Woche waren diese kleinen Pausen in der Rede von Juliane Vees zu hören, als sie vor rund 110 Gästen in der Volkshalle Feudingen über die Kompetenz der Landfrauen beim Thema Ernährung, über Landwirtschaft und Feminismus sprach. Bereits vor drei Jahren hatte der Kreisvorstand um Sprecherin Renate Schmidt Juliane Vees als Rednerin eingeladen. Erst in diesem Jahr hatte die Vizepräsidentin der Einladung folgen können. Denn in den zwei Jahren zuvor war die Versammlung aufgrund von Corona – wie vielerorts – ausgefallen.

Am Rande der Veranstaltung haben wir Juliane Vees gefragt, ob sie schon lange bewusst auch die weibliche Form in ihren Sprachgebrauch einfließen lässt. Die Antwort: „Eine meiner Schwestern hat vor einer Weile zu mir gesagt: ,Juliane, du setzt dich für die Interessen der Frauen ein. Du solltest auf jeden Fall gendern!‘“

Es ist ein Lernprozess

Die Landfrau gab ihrer Schwester Recht und versucht seitdem immer wieder, sowohl die männliche aus auch die weibliche Form zu nennen. „Es gelingt mir noch nicht immer. Das ist auch für mich ein Lernprozess.“ Gerade in der Gremienarbeit versucht Juliane Vees andere von diesem Weg zu überzeugen. Als in ihrer Wahlheimat Baden-Württemberg beispielsweise eine Broschüre zum Thema Landwirtschaft herausgebracht werden sollte, war im ersten Entwurf nur die männliche Form zu finden, wenn es beispielsweise um den Beruf des Landwirts ging. Auf Juliane Vees Aufforderung hin, die weibliche Form zu ergänzen, durfte sie sich so manches Mal die Frage anhören „Muss das denn wirklich sein?“ Am Ende wurde die Druckfahne doch geändert.

Zur Person Juliane Vees - "Wittgensteiner Mädchen"
Juliane Vees ist erste Vizepräsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes, Präsidentin des Landfrauenverbandes Württemberg-Hohenzollern und – wie sie selbst über sich sagt – ein „Wittgensteiner Mädchen“. Ihre Mutter ist die ehemalige Kreisvorsitzende Annette Braun. Aufgewachsen auf einem Hof in Erndte­brück-Womelsdorf lernte Juliane Vees in den 1980er Jahren ihren zukünftigen Mann bei einer kennen. Sie selbst besuchte damals die Hauswirtschaftsschule in 1987 zog sie zu ihm nach Eutingen-Weitingen in Baden-Württemberg. Das Paar hat drei mittlerweile erwachsene Kinder. Der frühere Betrieb mit Milchvieh und Schweinen ist heute ein Energie-Hof mit Seminarräumen. Dieser Wandel bietet Juliane Vees zeitlich die Möglichkeit, sich ehrenamtlich so stark zu engagieren. „Müsste ich zwei Mal täglich melken, wäre das nicht möglich“, sagt sie offen.

Akteure des Kreislandfrauentages (von links): Vorstandssprecherin Renate Schmidt, Landtagsabgeordnete Anke Fuchs-Dreisbach, die Vorstandsmitglieder Renate Göbel und Ellen Hillmann, Präsidiumsmitglied Reinhild Tacken, die erste Vizepräsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes Juliane Vees und Landrat Andreas Müller. (Bildquelle: Breuker)

Für Unterhaltung sorgten fünf Landfrauen mit einer fiktive Radio-Übertragung vom Kreislandfrauentag. Aus "technischen Gründen" mischtn sich in ihrem Sketch abwechselnd Teile einer Backsendung, einer Predigt und der Radio-Sendung einer Bäuerin unter die Live-Sendung. Auf dem Bild zu sehen sind (von links): Bäckerin Julika Strietzel, Bäuerin Marianne Kroh, Pastorin Karin Wunderlich und Radio-Moderatorin Tanja Womelsdorf. Zur Gruppe gehört ebenfalls Angelika Stöcker als Radio-Sprecherin. (Bildquelle: Breuker)

Vorstandssprecherin Renate Schmidt freute sich, nach zwei Jahren Corona bedingter Pause endlich wieder einen Kreislandfrauentag in Präsenz eröffnen zu können. (Bildquelle: Breuker)