Wenn in den Niederlanden der Platz eng wird, weicht der Holländer gern in das benachbarte Deutschland aus. Das ist auch der Grund dafür, dass Europas wohl größter Gartenbaubetrieb sich in Emsbüren, am südlichen Zipfel des Emslandes unweit der niederländischen Grenze, angesiedelt hat. Initiator ist ein findiger Geschäftsmann aus dem niederländischen Denekamp.
Die Familie Kuipers betreibt seit drei Generationen Gartenbau. „Mein Opa hat in De Lutte unser erstes Gewächshaus gebaut“, erzählt Tom Kuipers. Sein Vater Bennie verlegte den Standort nach Denekamp, wo heute 17 ha unter Glas bewirtschaftet werden.
Standortsuche im Emsland
Der ganz große Wurf sollte 2004 kommen, als Sohn Tom in den Betrieb einstieg. Das Problem: Für das, was der Familie vorschwebte, gab es in den Niederlanden keine geeignete Fläche. Doch bei Emsbüren entstand das Autobahnkreuz A 30/ A 31, umgeben von großen, flachen Flächen. Ein idealer Standort für einen Gartenbaubetrieb in der angestrebten Größe.
Die Gemeinde hatte der Unternehmer schnell auf seiner Seite. Blieb einzig, die Eigentümer zu bewegen, das Land zu verkaufen. „Wir haben den Bauern das Konzept vorgestellt. Unser Ausgangspunkt war, dass es für alle etwas bringen muss“, erklärt Tom Kuipers. Einige der Eigentümer überlegten ohnehin, aus der Landwirtschaft auszusteigen. Anderen wurden Ausgleichsflächen angeboten. So schafften Kuipers es, ein 100 ha großes, zusammenliegendes Areal zu erwerben. 64 ha davon sind heute unter Glas.
In erster Linie baut Emsflower Beet- und Balkonpflanzen für Discounter in Deutschland und andere europäische Länder an. Etwa 250 Mio. Pflanzen liefert der Betrieb pro Jahr aus. Produziert wird nur nach festen Verträgen. Deshalb hat der Betrieb kaum Verluste. Er erzeugt lediglich 4 bis 5 % mehr als bestellt wurde, um mögliche Ausfälle aufzufangen. Das ist aber selten nötig, sodass auch diese Überproduktion zum Verkauf zur Verfügung steht.
Hoher Technisierungsgrad in der Gärtnerei
Rund 350 Mitarbeiter beschäftigt Emsflower in Emsbüren. Bei etwa der Hälfte der Arbeitskräfte handelt es sich um Saisonarbeiter aus Polen, Rumänien oder der Ukraine. Auf Mitarbeiter aus der Region entfallen rund 160 Arbeitsplätze. „Wir könnten noch 40 bis 50 weitere Mitarbeiter gebrauchen“, sagt der 37-jährige Unternehmer. Diese seien aber schwer zu finden.
Nicht zuletzt deshalb treibt er den Technisierungsgrad im Betrieb immer weiter voran. Beispielsweise werden die meisten Stecklinge inzwischen von Robotern gesteckt. In einer Stunde setzt jeder der sieben Roboter 2400 Stecklinge. Noch klappt das nicht bei allen Pflanzen, aber das soll sich bald ändern.
Ungelernte Arbeit in qualifizierte Arbeit umwandeln
Als gelernter Automatisierungstechniker ist Tom Kuipers an der Entwicklung der technischen Anlagen maßgeblich beteiligt. Sein Ziel ist es, möglichst viel ungelernte Arbeit in qualifizierte Arbeit umzuwandeln, zum Beispiel bei der Kontrolle der Maschinen.
Auch der Transport der Pflanzen läuft überwiegend vollautomatisch. Führerlos fahren große Transportwagen durch die Gänge und bringen kistenweise Pflanzen in das richtige Gewächshaus. Gesteuert werden die Wagen über Induktionsschienen.
Seit 2011 baut Emsflower auch Tomaten an. Da Tomatenpflanzen sehr empfindlich sind, gelten hier besondere hygienische Bedingungen. Beispielsweise gibt es für die Mitarbeiter, die in den Tomaten-Gewächshäusern arbeiten, eine gesonderte Kantine, um keine Krankheitserreger zu verschleppen.
Der Betrieb soll noch größer werden
Eine Erweiterung des Emsflower ist der nächste Schritt, den Tom Kuipers plant. Wie groß diese ausfallen soll, verrät er nicht. Nur so viel: „Ich muss hier mindestens die Fläche ergänzen, die ich 2022 in Denekamp schließe.“ Das sind 17 ha. Vermutlich soll es aber viel mehr werden.
Konkurrenz um Märkte und Flächen
Wenn ein so großer Betrieb wie Emsflower aus dem Boden gestampft wird, haben Mitbewerber und Ortsansässige durchaus einen kritischen Blick auf das Geschehen. Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen.
Die Sorge, Emsflower könnte sie vom Markt verdrängen, war bei manchen regionalen Gartenbaubetrieben zunächst groß, sagt Katrin Leuchtenberger. Sie stand während der ersten Bauphase der Großgärtnerei dem damaligen Regionalverband Lingen beim Wirtschaftsverband Gartenbau Norddeutschland vor. Doch Bennie Kuipers sei von Anfang an offen und fair vorgegangen und habe den Gärtnerkollegen umfassend erklärt, was er vorhabe. Eine direkte Konkurrenz gebe es kaum, weil Emsflower einen anderen Markt bedient. „Dort wird Discounterware produziert. Die ortsansässigen Betriebe heben sich davon ab, indem sie auf hochwertige Pflanzen in Gärtnerqualität setzen“, sagt Leuchtenberger.
Zwar drücke Emsflower die über die festen Verträge hinaus produzierten Pflanzen auch in den hiesigen Markt. Große Einbußen für die Gartenbaubetriebe vor Ort sieht Katrin Leuchtenberger dadurch aber nicht.
Sie ist der Meinung, dass die Region durch einen innovativen Betrieb wie Emsflower auch gewinnen könne. Die Betriebsleiter hätten viele gute Ideen eingebracht, würden die technische Entwicklung im Gartenbau vorantreiben und stellten mit der Gärtnerei Emsflower die gesamte Branche als modern und zukunftsorientiert dar.
Kritischer sehen die Landwirte die Entwicklung des niederländischen Unternehmens. Sorge macht ihnen vor allem der Grundwasserspiegel. Emsflower fängt das gesamte Regenwasser auf, das auf der versiegelten Fläche nicht verrieseln kann. Hochgerechnet kommen im Jahr rund 900 000 m3 Wasser zusammen, die im Boden fehlen, erklärt Bernd Hopmann, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Ortsvereins Emsbüren. Auch der starke Lkw-Verkehr sei kritisch zu sehen. In Spitzenzeiten würden mehrere Hundert Lkw am Tag zu Emsflower fahren. Hinzu komme die Lichtverschmutzung durch die auch nachts beleuchteten Gewächshäuser, die das Insektensterben beschleunige.
Hopmann kritisiert, dass Bennie Kuipers vor dem Bau des Emsflower die Landwirte nicht darüber informiert hat, was dort neben den Gewächshäusern noch alles entstehen soll. Von einem großen Besucherzentrum mit Restaurant sei damals keine Rede gewesen. Die Erweiterungspläne der Familie Kuipers sieht der Landwirt mit Sorge.
Emsflower ist viel mehr als nur Gewächshäuser
Gartenbau ist das Kerngeschäft des Emsflower. Zu dem Betrieb gehört aber mehr. Gartencenter, Spieleparadies und Gastronomie machen es zu einem Besuchermagnet in der Region. Neben Produktionsbesichtigungen erwarten die Gäste hier ein Tropengarten, ein Schmetterlingsgarten und ein Schaugewächshaus. Für große und kleine Gäste sind das Spieleparadies und das Restaurant beliebtes Ausflugsziel.
Ebenfalls zum Emsflower gehört seit 2010 ein eigenes Holzheizkraftwerk. Damit kann der Betrieb seinen Bedarf an Wärme zu etwa 60 % decken.
Als Brennstoff dient Holz, das bei der Landschaftspflege anfällt. Noch in diesem Jahr soll der Bau eines zweiten, vergleichbaren Kraftwerks beginnen.
In direkter Nachbarschaft des Emsflower ist 2014 die Gartenwelt Emsbüren entstanden, ein großes Gartencenter mit rund 24 000 m2 Fläche.
Neuestes Projekt ist ein Wohnheim für die Saisonkräfte, das im März 2020 fertiggestellt wurde. Entstanden sind 150 Doppelzimmer, jeweils mit eigener Küche und Badezimmer.
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