Siegfried Winking ist guter Dinge. Draußen sind es fast 20 °C und die Frühlingssonne lockt. Trotz der fast sommerlichen Temperaturen verlässt der 74-Jährige das Haus in wärmender Hose, gefütterter Jacke und festen Schuhen. Siegfried Winking weiß, worauf er sich einlässt, wenn er eine kleine Tour mit seinem flotten Elektro-Dreirad startet: „Warme Kleidung ist wichtig, weil einem während der Fahrt der noch kalte Wind in die Hosenbeine bläst.“Maximal zehn Stundenkilometer schnell ist er mit seinem Elektromodell „Trigo up“der Firma Hase unterwegs.
Elektro-Dreirad fahren mit Handicap möglich
Noch vor gut drei Jahren hätte der Rentner sein Fahrrad hervorgeholt und damit richtig Kilometer gemacht. „Radfahren war für mich stets körperliche Ertüchtigung“, sagt er. Doch seit einem schweren Schlaganfall im Jahr 2017 geht das nicht mehr. Er ist rechtsseitig gelähmt, kann weder laufen noch sprechen. Man prognostizierte ihm wenig Aussicht auf Besserung, erinnert sich Ehefrau Elisabeth Winking.
{{::tip::standard::In manchen Fällen geben Krankenkassen Zuschüsse oder übernehmen die Kosten für ein Therapierad. Dieses sollte am besten eine Hilfsmittelnummer aufweisen. Eine Zuzahlung ist jedoch immer eine Einzelfallentscheidung. Oft hilft es, hartnäckig zu bleiben.::}}
Ein halbes Jahr verbringt der ehemalige Kameramann in Kliniken und Reha-Einrichtungen, kämpft sich aber langsam zurück ins Leben. Bei seiner Entlassung im Juni 2018 ist Siegfried Winking körperlich noch immer stark eingeschränkt. Zu Hause setzt er seine ambulanten Behandlungen wie Sprach-, Ergo- und Physiotherapie fort und übt fleißig das Gehen. Unterstützung findet er bei seiner Ehefrau Elisabeth, die ihn seitdem umsorgt. Siegfried Winking bleibt pflegebedürftig, macht aber dennoch Fortschritte. Sprachlich kann er sich wieder gut artikulieren. „Manchmal gerate ich ins Stocken. Mir fehlen die Wörter“, sagt er. Auch körperlich kann er wieder kurze Strecken gehen. Doch Auto- und Radfahren kann er nicht, ist abhängig davon, dass ihn jemand bringt und abholt.
Elektro-Dreirad macht unabhängiger
Im Sommer 2019 dann kommt der Wendepunkt. Siegfried Winking und seine Frau suchen einen Fahrradhändler in Warendorf auf, der ein Elektrorad auf drei Rädern anbietet. Das Gestell ist rot-schwarz lackiert, sieht sportlich aus und spricht Siegfried Winking sofort an. Dass das Dreirad für Menschen in der Reha oder mit Handicap ist, sieht man dem Radmodell „Trigo up“ nicht an. Im Gegenteil: Aus dem Grundmodell lässt sich ebenso ein sportliches Liegedreirad bauen.
{{::tip::standard::- Viele E-Dreirad-Modelle lassen sich individuell auf körperliche Einschränkungen einstellen;
- Für eine gutes E-Dreirad kostet mindestens 4000 €;
- Eine gute Sitzposition beim Dreirad ist die Sesselradposition. Der stuhlartige Sitz ist tiefer gelegt, sodass dieses nicht so schnell umkippt und leichter zu fahren ist.
- Eine Federung kann Unebenheiten abfangen, damit diese nicht den Rücken belasten;
- Hydraulische Scheiben- und Felgenbremsen lassen sich einfacher bedienen;
- Wer in den Händen einseitig in seiner Kraft bzw. Beweglichkeit eingeschränkt ist, sollte auf eine Einhandbedienung setzen. Dabei werden alle Schaltungen auf die Seite des Lenkers montiert, die der Fahrer gut bedienen kann;
- Bei Problemen mit unruhigen oder gelähmten Füßen bzw. Unterschenkeln lässt sich der Fuß zum Beispiel mit eine Fußschale bzw. Unterschenkelführung fixieren.::}}
Das Besondere an dem Modell ist, dass es sich werkzeugfrei auf die Ergonomie des Fahrers einstellen lässt. Möglich macht das ein Schienensystem mit Schnellspannern, die sich über eine Drehbewegung lockern und wieder schließen lassen. Auf diese Weise kann das Rad nicht nur für Menschen mit einer Größe zwischen 1,40 und 2 m eingestellt werden, ohne damit die Kette verstellen zu müssen.
Auch die Höhe und Neigung des Lenkers sowie des Sitzes lassen sich über entsprechende Klemmhebel an den Fahrer anpassen. Rad individuell anpassenSiegfried Winking lässt sich beraten und das Rad mit einigen Zubehörteilen auf seine Bedürfnisse umrüsten.
Zweimal habe er das Rad für einige Stunden in Warendorf ausprobieren dürfen, um ein Fahrgefühl zu entwickeln und Einstellungen korrigieren zu lassen. Seine rechte Hand ist aufgrund der halbseitigen Lähmung immer noch etwas kraftlos und beginnt bei Anstrengung zu zittern. Deswegen hat er alle Bedienelemente wie Bremse oder Nabenschaltung auf die linke Lenkerseite installieren lassen.
Die Sitzhöhe ist so gewählt, dass er leicht auf- und absteigen kann. Weil er auf dem Rad jedoch tiefer sitzt als auf einem Zweirad, legt Siegfried Winking großen Wert auf eine verlängerte Fahnenstange, die am Sitz befestigt ist. „Damit werde ich im Verkehr einfach besser gesehen.“
Das Herzstück seines Gefährts auf drei Rädern ist jedoch ein Shimano-Steps-Mittelmotor mit einem 500-Wattstunden (Wh)-Akku. „Den muss ich etwa alle 70 km wieder aufladen“, sagt er. Der elektronische Antrieb ermöglicht es ihm auch, weitere Strecken zu fahren. Zusätzlich lässt er ein Differenzial einbauen, das den Antrieb von der Kette auf beide Hinterräder gleichzeitig überträgt. Somit lassen sich Steigerungen und lose, unebene Untergründe besser überwinden.
Beim Elektro-Dreirad kommt es vor allem auf den Akku an
Auch nicht ausreichend breit abgesenkte Bordsteine kann er mit dem Elektroantrieb meistern. Doch hohe Bordsteinkanten meidet er. „Die sind einfach zu gefährlich. Da würde man mit dem Rad leicht umkippen.“ In der Summe hat Siegfried Winking rund 5000 € für sein Rad bezahlt.
{{::tip::standard::Akkus müssen gepflegt werden, vor allem, wenn sie im Winter nicht gebraucht werden. Am besten verwahrt man sie bei Temperaturen zwischen 5 und 40 °C auf. Der Akku sollte nicht voll geladen, sondern mit einer Ladung bei 60 % aufbewahrt werden. Der Füllstand sollte jedoch nicht unter 50 % sinken, weshalb dieser alle vier Wochen zu kontrollieren ist.::}}
Die Option, ein gebrauchtes Elektro-Dreirad zu kaufen, kam für ihn nicht infrage. Knackpunkt sei der teure Akku. „Sie wissen nicht, wie lange der Akku schon gelaufen und wie der Vorgänger damit umgegangen ist. “An guten Tagen ist Siegfried Winking mit Pausen bis zu 8 km mit seinem Rad unterwegs – allein und unabhängig. Mittlerweile stehen 2808 km auf seinem Tacho. Mit dem E-Dreirad und einer auf den Hinterreifen angebrachten Alukiste kann er auch kleine Besorgungen im Ort erledigen. Wichtig für ihn: „Es ist ein Stück Lebensqualität und Eigenständigkeit, die ich wieder zurückbekommen habe.“
Akkus sind nicht endlos haltbar
Vor allem bei Touren mit Steigungen fällt die Leistung des Motors bzw. Akkus ins Gewicht. In der Regel sind Nutzer eines E-Dreirades mit bis zu 15 km/h unterwegs. Einfluss auf die Reichweite haben vor allem das Gewicht, die Strecke und die Akku-Kapazität. Ein Akku mit 500 Wattstunden (Wh) beispielsweise hat auf ebener Fläche etwa eine Reichweite von 50 bis 60 km, bevor er wieder geladen werden muss. Die Ladezeit beträgt dann etwa 4 bis 4,5 Stunden. Wer mit seinem E-Dreirad weitere Strecken zurücklegen möchte, muss in einen leistungsstärkeren Akku investieren. Und das kostet gleich mehr Geld. "Während ein 500-Wh-Akku beispielsweise 750 € kostet, legt man für einen 860-Wh-Akku etwa 1230 € hin", sagt Christian Nawrocki vom Fahrradhandel e-motion e-bike Welt Hamm. Akkus sind nicht endlos haltbar. Sie verlieren pro Monat etwa 0,5 % ihrer Kapazität. Nach fünf Jahren schaffen sie nur noch 65 % ihrer ursprünglichen Leistung.
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