Familiennamen auf der Spur

Johann Kraus hatte krauses Haar – damit lässt sich der Nachname erklären, was aber nicht immer so einfach ist. Geschichtsstudentin und Wochenblatt-Praktikantin Eva Osterholt beschreibt wie sie nach der Bedeutung und Herkunft ihres Mädchennamens Inhestern suchte.


Der erste Schritt auf der Suche nach Herkunft und Bedeutung von Familiennamen sollte immer in die eigene Familiengeschichte gehen. Wer weiß, wo Vater und Großvater, bestenfalls auch der Urgroßvater, geboren wurden, kann Rückschlüsse auf den Namen ziehen. Stammt der Name aus der jetzigen Wohngegend oder sind die Vorfahren zugezogen?

Danach geht die Suche im Internet weiter: Onlinedienste wie „Geogen“ oder „GenEvolu“ können die Verbreitung der Nachnamen in Deutschland anzeigen. Als ich meinen Mädchennamen "Inhestern" in eine der Suchmaschinen eingebe, wird anhand einer Deutschlandkarte gezeigt, wo der Name am häufigsten auftritt. Die Region mit der höchsten Dichte an Namensträgern ist sehr wahrscheinlich die Entstehungsregion des Nachnamens. In meinem Fall war das mein Heimatdorf Reken, im Kreis Borken, laut „Geogen“ das Gebiet, in dem noch heute die meisten Inhesterns leben.

Warum Nachnamen?

Begonnen hat die Einführung der Nachnamen in den Städten seit dem 12. Jahrhundert. Immer öfter wohnten Menschen mit gleichen Vornamen nah beieinander. Daher erhielten sie Beinamen, die die Unterscheidung ermöglichten. Diese Beinamen konnten auf Berufe, Charaktereigenschaften, Herkunft oder Wohnstätte bezogen sein.

Der Müller namens Johann wurde so „Johann Müller“. Hatte ein anderer Johann krauses Haar, wurde er „Johann Kraus“ genannt. Wenn jetzt noch ein Johann aus Franken ins Dorf zog, wurde er vielleicht „Johann Franke“ genannt. Diese Zuschreibungen nennt man Beinamen. Ein Familienname entsteht, wenn der Beiname einer Person auch auf die Nachkommen vererbt wurde.

Westfälische Eigenheiten
Bei der westfälischen Tradition der „genannt“-Namen, wie „Meier, genannt Möller“, wurden Familien nach ihrer Wohnstätte benannt. Heiratete die Tochter des Bauern „Oeding“ den Nachbarssohn „Alfing“ und blieb mit ihrem Mann auf dem elterlichen Hof, wurde das Paar „Oeding“ genannt. Als die preußische Regierung im 19. Jahrhundert aber die bürgerliche Namensregelung einführte, durfte man sich nicht mehr nach dem Hof benennen. Die Eheleute mussten damit den Nachnamen „Alfing“ tragen. Da sich Traditionen nicht so einfach ändern lassen, entwickelten sich in Westfalen Mischformen: Das Paar wurde deshalb in seinem Dorf „Alfing, genannt Oeding“ gerufen.

Die Schreibweise zählt

Erschwert wird die Suche nach Bedeutung und Herkunft des Nachnamens durch unterschiedliche Schreibweisen und die Veränderungen in der Sprache. So erscheint der Name Overesch eindeutig: „Over“ ist das plattdeutsche Wort für „über“. Also beschreibt er die Wohnlage „über dem Esch“. Verfolgt man jedoch die Namensentwicklung des Hofes Meier Oversch in Harsewinkel wird deutlich, dass der ursprüngliche Name „Oves“ war. Das bedeutet so viel wie „überhängendes Dach“ und hat mit dem Esch überhaupt nichts zu tun.

Der Pfarrer hat´s verpatzt


Weitere Schwierigkeiten ergeben sich aus der fehlenden Schriftlichkeit. Da in den Dörfern nur wenige lesen und schreiben konnten, war es meistens dem Pfarrer überlassen, den Namen aufzuschreiben. Und der schrieb die Namen so ins Tauf- oder Eheregister, wie er sie gerade hörte oder es für richtig hielt.

Ich selbst habe es nicht geschafft, den Namen „Inhestern“ zu entschlüsseln. Deshalb hat sich mein Dozent selbst auf die Suche gemacht und präsentierte mir nach einiger Zeit die Lösung: Inhestern ist ein Wohnstättenname, der sich aus den drei mittelhochdeutschen Wörtern „in den Heisteren“ ergibt und bedeutet „bei den jungen Bäumen“. Doch seit meiner Heirat stellt sich die Frage, was bedeutet mein neuer Name Osterholt? Eva Osterholt

Mehr zu Familiennamen und -geschichten finden Sie ab Donnerstag im Schwerpunkt "Hof- und Familiengeschichte in Wochenblatt-Folge 48/2012 ab Seite 84.