Die Tür zum kleinen Laden im niedersächsischen Schnega, Kreis Lüchow-Dannenberg, öffnet sich wie von Zauberhand: Alles was es dafür braucht ist die farbenfrohe Karte, die es vor den Sensor zu halten gilt. Hinter der Glastür verbirgt sich ein Mini-Supermarkt.
Tante Emma, aber digital
Der gut 170 m² große Laden ist ein Smartstore, quasi ein intelligenter Supermarkt, in dem der Kunde einkaufen kann, ohne dass Personal anwesend sein muss. „Voraussetzung für den Einkauf rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche ist, dass man eine Tante Enso-Karte hat“, fasst Janina Röhl zusammen (Details zum Konzept im Kasten). Sie leitet seit rund einem Jahr die Filiale im 450-Seelen-Dorf. 2020 entschieden Janinas Eltern, aus Altersgründen ihren Lebensmittelladen im Ort zu schließen. Nach mehr als 27 Jahren sollte es in dem Ort fortan keine Möglichkeit mehr geben, Dinge des täglichen Bedarfs zu kaufen. „Bis zum nächsten Laden in Clenze wären es rund 7 km“, beschreibt Janina Röhl die Situation, die besonders für ältere und weniger mobile Mitbürger eine Herausforderung gewesen wäre. Röhls nahmen Kontakt mit dem Bremer Unternehmen myEnso auf. Das Handelsunternehmen betreibt neben einen Online-Supermarkt kleine Läden im ländlichen Raum, die auf dem Prinzip der Selbstbedienung basieren, kombiniert mit personalbesetzten Öffnungszeiten.
Schnell waren die notwendigen 300 Anteilseigner gefunden und die Filiale in Schnega war beschlossene Sache. Die insgesamt 200 m² großen Räumlichkeiten für die neue Filiale fanden sich ebenso schnell: Die Volksbank wollte ohnehin ihre Außenstelle schließen, sodass das Gebäude an der zentralen Kreuzung im Ort frei wurde. Lediglich vor dem Haus brauchte es Umbaumaßnahmen. „Um den Zugang mit dem Einkaufswagen sowie den Rollwagen für die Warenlieferung zu gewähren, musste eine Rampe gebaut werden“, beschreibt Janina Röhl. Im Gebäude selbst hielt sich der Aufwand in Grenzen. So ist noch heute im Büro und im Lagerraum erkennbar, dass hier früher Büroangestellte ihre Arbeit verrichteten. Auch der alte Schriftzug „Darlehensbank“ prangt noch an der Hausfassade.
Tante Enso – Das Konzept des Mini-Supermarkts
Für die Eröffnung eines Tante Enso-Ladens braucht es die Dorfbewohner. Rund 300 Teilhaber müssen sich finden, die jeweils mindestens einen Anteil für 100 € zeichnen. Ist dieses Ziel erreicht, übernimmt das Bremer Unternehmen myEnso die Nahversorgung im Ort. Fünf Filialen des Handelsunternehmens gibt es aktuell. Weitere zwölf Mini-Supermärkte sind in Planung. Jede Niederlassung bietet auf 150 bis 200 m² rund 3000 Produkte für den täglichen Einkauf an. Außerdem können Kunden online zwischen 20 000 verschiedenen Produkten auswählen, die zweimal in der Woche direkt in die Filiale geliefert werden.
Alle die möchten erhalten eine personalisierte Tante Enso-Karte, die zum Einkauf rund um die Uhr, sieben Tage die Woche autorisiert. In den mit Personal besetzten Öffnungszeiten kann auch jeder andere Kunde Dinge des täglichen Bedarfs erwerben. Die Zeiten variieren je nach Ort zwischen vier und sieben Stunden täglich.
Regional und jung
Im Geschäft selbst sieht es aus, wie in jedem anderen kleinen Lebensmittelgeschäft. Obst und Gemüse im Eingangsbereich, eine Ecke mit Kühl- und Tiefkühlprodukten und viele Regalmeter mit den übrigen Produkten des täglichen Bedarfs. Doch das Sortiment und die Auswahl der verschiedenen Produkte ist groß. Neben den herkömmlichen Marken- und No-Name-Produkten stehen hier auch regionale Produkte und Artikel noch junger Unternehmen. „Foodpioniere“ heißen sie hier. „Gerne werden sie auch als Mitbringsel gekauft“, berichtet Janina Röhl.
Besonderen Wert legt die gelernte Einzelhandelskauffrau darauf, dass die Produktauswahl zu ihren Kunden passt. Das Standardsortiment gibt die Zentrale vor. „Weitere Wünsche sammeln wir auf der großen Schiefertafel im Eingangsbereich – ein analoger Wunschzettel“, schmunzelt Janina Röhl, die sonst gern auf die Vorzüge der Digitalisierung baut.
Bitte selbstständig zahlen
„Gerade zu Beginn haben einige Stammkunden während der Personal-Öffnungszeiten ganz bewusst auf die Klingel gedrückt. Um bei uns zu bezahlen“, erzählt die 41-Jährige, „doch das war weniger die Angst vor der Technik als vielmehr der Gedanke, so unser Arbeitsplätze zu sichern.“
„Wir haben unsere Kunden, auch auf Anraten der Unternehmenszentrale, darauf hingewiesen, dass das Konzept von Tante Enso darauf ausgelegt ist, dass viele die Selbstkasse nutzen und wir sonst unsere Arbeit nicht schaffen“, erzählt sie. Heute scannen die meisten Kunden ihre Waren selbst. So bleibt den drei Teilzeit- und den zwei 450-€-Kräften genügend Zeit für die tägliche Inventur. Sie ist Voraussetzung dafür, dass das automatische Bestellsystem einwandfrei funktioniert. „Das zeitaufwendige Zählen der Bestände lohnt sich, weil wir keine Bestellungen vornehmen müssen – das macht das System automatisch“, freut sich Janina Röhl.
Die Kunden bezahlen bargeldlos: Wer möchte, nutzt die mit Geld aufgeladene Tanta Enso-Karte und hält diese einfach vor das Terminal. Wer es analog bevorzugt, der zahlt auf Rechnung. Gibt es mal Probleme mit der Technik, ist auch das nicht weiter schlimm. „Wir haben ein Buch an der Kasse stehen, in das die Kunden dann einfach ihre Einkäufe eintragen können“, sagt Janina Röhl.
Diebstahl und Einbruch
Wer nun glaubt, hier würde mehr geklaut als im normalen Lebensmitteleinzelhandel, der liegt falsch. „Wir liegen mit unserer Quote absolut im Normalbereich“, erklärt die gelernte Einzelhandelskauffrau, die das auch auf die 16 Kameras im Laden zurückführt. In der Bremer Zentrale sitzt ein Kollege, der die Aufnahmen sichtet und im Verdachtsfall auch mal die Aufnahmen zu Janina Röhl schickt und nachfragt, ob die Person bekannt ist. „Wir konnten schon mal mithelfen, einen Wohnungseinbruch aufzuklären“, erzählt die zweifache Mutter. Dort war neben anderen Dingen auch die Tante Enso-Karte geklaut worden, die der Täter prompt in der Filiale nutzte. Die Videoaufzeichnungen überführten ihn.
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