Die Tür zum Hotel in Ahaus öffnet sich wie von Zauberhand. Alles, was es dafür braucht, ist ein Smartphone. Mit dessen Hilfe scannt man den QR-Code, ein Quadrat, das selbst wieder aus unzähligen kleinen schwarz-weißen Quadraten besteht. Und schon erhält man Zutritt. Der Zauberer hinter der Technik heißt Tobias Groten.
Der 57-Jährige lebt seit seiner Geburt in der 40 000 Einwohner starken Stadt im westlichen Münsterland. Schon zu Schulzeiten entdeckte er seine Liebe zu Computern und Software. Eines seiner ersten bezahlten Projekte war die Entwicklung einer automatischen Fütterung für Schweine. „Ein Landwirt rief meine Mutter an und fragte, ob ich nach der Schule etwas derartiges programmieren könnte“, erzählt er. Und er konnte. Auch heute entwickelt Groten mit seinen 150 Angestellten noch Software.
Doch seine Herzensangelegenheit ist Ahaus. Hier testet er nach Lust und Laune seine Entwicklungen. So übernahm er 2017 das Hotel im Ort, für das sich kein Nachfolger finden wollte. Obwohl Groten selbst keine Erfahrungen in der Branche mitbrachte, kaufte er das Gebäude und begann ein Konzept zu entwickeln, das ohne Hotelier auskommt.
Denn außer Reinigungskräften wollte er kein Personal beschäftigen. „Hotels werden gebraucht, Hoteliers braucht keiner“, meint Groten, „wir müssen das Personal, wenn wir denn welches finden, möglichst effizient einsetzen.“ Seitdem checken die Hotelgäste selbstständig mit ihren Smartphones ein.
Unpersönlich oder gar nicht?
Im Erdgeschoss des Hotels liegt die Kneipe – ein English Pub. Auf den ersten Blick sieht es aus wie jede Kneipe seiner Art. Nur die QR-Codes auf den Tischen machen den Unterschied. „Unsere Gäste scannen ihn, bestellen selbst und bezahlen auch gleich kontaktlos“, erklärt Dieter Van Acken, der seit 27 Jahren in Grotens Unternehmen Tobit.
Software arbeitet und jährlich etwa 5000 Besucher zu den digitalen Sehenswürdigkeiten in der Stadt führt. Das Personal steht hinterm Tresen, bereitet die Bestellungen zu, die auf ihren Bildschirmen auftauchen und servieren sie den Gästen. Und auch im angegliederten Steakhaus läuft es ähnlich. Empfehlung des Oberkellners? Fehlanzeige. Bestellt wird auch hier über den QR-Code auf der Mitte des Tisches.
„Kritiker sagen, in der gehobenen Gastronomie bräuchte es die persönliche Ansprache“, sagt Van Acken und schiebt gleich hinterher: „Kann es nicht lieber etwas unpersönlicher sein, als dass gastronomische Angebote gänzlich ausbleiben, weil Arbeitskräfte fehlen?“
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Effizienz neu denken
Auf Skepsis treffen Groten und sein Team immer wieder. Nicht jeder möchte die App auf sein Smartphone runterladen und seine persönlichen Daten kundtun. „Wir zwingen niemanden“, erklärt Van Acken, „aber wer die App nutzt, der profitiert von allen digitalen Services in Ahaus.“ Dazu müssen sich Nutzer einmalig ausweisen und ihre Kontoverbindung hinterlegen. Dann öffnen sich auch die Türen zum kleinen Supermarkt, der rund um die Uhr geöffnet hat. Etwa 600 Produkte gibt es dort.
Der Laden kommt nahezu ohne Personal aus. Nur eine Teilzeitkraft räumt regelmäßig Ware in die Regale und sieht nach dem Rechten. In Ahaus gibt es neben dem digital gesteuerten Lebensmitteleinzelhandel auch herkömmliche Supermärkte. „Doch gerade in kleineren Ortschaften kann der digitale Laden eine Lösung für den Bedarf des täglichen Lebens decken“, ist Van Acken überzeugt.
Wer weiter durch die Ahauser Innenstadt flaniert, der kommt am „Aufhaus“ vorbei. Das Konzept für das gut 1500 m2 große Gebäude hat sich Groten in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung überlegt. Das Kaufhaus der besonderen Art hat normale Öffnungszeiten. Inhaber kleiner Betriebe können hier Regalfläche anmieten und ihre Produkte präsentieren. Der Verkauf erfolgt, wie könnte es anders sein, wieder per QR-Code.
„Die Händler müssen keine eigenen Läden eröffnen und ständig verfügbar sein“, erläutert Van Acken, „so können sie ihre Zeit effizienter nutzen.“ Anfangs gab es Probleme mit Diebstählen. Doch das ist Geschichte, seit die Initiatoren einen Teil der Fläche an einen Betrieb vermietet haben, der mit Mitarbeitern vor Ort ist.
Eben diese Lernprozesse sind es, die Groten antreiben, immer wieder neue Dinge auszuprobieren. Ob er seine Ideen später als Produkt auf den Markt bringt, das entscheidet er anhand seiner „Laborexperimente“ – in seiner Heimatstadt Ahaus.