Trecker-Schätzchen in Rot und Grün, Blau und Orange warten auf dem Schotterplatz auf Käufer. Einige Motorhauben sind frisch lackiert, bei den meisten blättert die Farbe. Da, wo nur noch hartgesottene Oldtimer-Fans näher hinschauen, beginnt für Beate Blumenkamp das Paradies. Sofort läuft ihre Kreativität auf Hochtouren. „Die Schläuche in den kleinen Reifen haben eine schöne Wölbung. Daraus lassen sich super kleine Taschen nähen“, erklärt die 42-Jährige. „Sie sind auch nicht so dick. Das ist gut für Portemonnaies.“
Beim Landmaschinenhändler in Balve holt sich die quirlige Sauerländerin regelmäßig Nachschub für ihr Materiallager. Seit zwei Jahren näht sie Taschen aus Reifenschläuchen – so wie auch einige andere Kreative es machen. Mit Schere, Garn und Nähmaschine formt sie das Gummi um zu großen Einkaufsbeuteln für den Gang zum Supermarkt und kleinen Handtaschen, in denen gerade genug Platz für Bargeld, Handy und Lippenstift ist.
Abends an die Nähmaschine
„Das ist genau mein Ding“, sagt sie freudestrahlend. Und erklärt damit auch direkt, warum sie abends um neun Uhr noch die Energie findet, sich an die Nähmaschine zu setzen. In der Mutter von zwei Kindern sprudelt eine gehörige Portion Unternehmergeist.
Nach dem Abitur in Sundern absolvierte sie eine Ausbildung zur Raumausstatterin. Schon als Mädchen hatte sie Puppenkleidung genäht und Karnevalskostüme entworfen. „In der Ausbildung habe ich dann viel gepolstert“, erzählt sie. „Daher kommt sicher auch die Liebe zu dickeren Materialien.“ Nach dem Abschluss wollte sie eigentlich Innenarchitektur studieren. Doch es lockte die Begabtenförderung, die es für junge Gesellen mit sehr gutem Abschluss gibt. Statt Studium setzte Beate Blumenkamp Meister und Betriebswirt obendrauf. Heute arbeitet sie in Altena bei einem Großhandel für Raumausstatterbedarf im Einkauf.
Nebenher ratterte aber immer die Nähmaschine. Einen Gewerbeschein hatte sie sich schon mit Ende 20 geholt. „Angefangen bin ich mit Taschen aus Stoffresten.“ Die verkaufte sie vor allem auf Märkten und über Modegeschäfte in der Umgebung. Doch im Hinterkopf suchte sie immer nach „ihrem Material“.
Der Weg zum Schlauch
Den entscheidenden Tipp gab schließlich ihr Ehemann. Vor zwei Jahren, Tochter Johanna war gerade geboren, experimentierte Beate Blumenkamp mal wieder mit neuem Material. Fahrradschläuche vernähte sie zu kleinen Geldbörsen. Doch für größere Vorhaben hätte sie gleich Dutzende Schläuche aneinandernähen müssen. „Das war mir zu fummelig.“ Der Gatte riet zum Besuch beim Landmaschinenhändler. Seine Frau zog dort ihre ersten Schläuche aus dem Container und war nach den ersten Nähversuchen begeistert. Das Gummi war robust, gut zu verarbeiten – und weckte zudem noch Kindheitserinnerungen bei Beate Blumenkamp. Ihr Vater stammt von einem Hof in Neuenrade, ebenfalls im Märkischen Kreis. Als Kind verbrachte sie unzählige Tage zwischen Wiesen und Ställen.
In die Waschmaschine
Matt schwarz sehen die Schläuche aus, wenn Beate Blumenkamp sie in die Finger bekommt. Einige haben Rillen oder erhabene Linien, viele weiße Aufdrucke oder geflickte Stellen. Im Balver Ortsteil Langenholthausen, wo die Blumenkamps seit zehn Jahren wohnen, landen die Schläuche erst einmal in der Waschmaschine. Nach 15 bis 30 Minuten im Outdoor-Programm und mit etwas Flüssigwaschmittel ist grober Dreck verschwunden und der Gummigeruch nur noch ganz leicht. Dass das Material unbedenklich ist, hat sich Beate Blumenkamp vom Bundesverband Reifenhandel versichern lassen.
Mit einer großen Schere zerteilt sie ihre Rohware großzügig in Segmente. Erst jetzt legt sie fest, was aus dem Gummi wird. Die Form zeichnet sie aus freier Hand auf, immer ohne Schnittmuster. Für den Zuschnitt nutzt sie mittlerweile eine elektrische Schneidemaschine. „So sind beide Seiten exakt gleich.“
Reißfester Faden
Ihre Industrie-Nähmaschine der Marke Typical war früher für Polsterarbeiten im Einsatz. Jetzt fügt sie die Gummitaschen zusammen. Beate Blumenkamp nutzt Polstergarn aus Polyester, Stärke 25 oder 50. Die Maschine braucht eine stabile Nadel mit großem Öhr. Außerdem muss das Füßchen sich so weit öffnen lassen, dass auch ein dickes Stoffpaket darunterpasst.
Anfangs hat Beate Blumenkamp mit verdeckten Nähten gearbeitet. Inzwischen nutzt sie farbige Fäden als Gestaltungselement. Klettbänder und ihre Label näht sie mit einer normalen Nähmaschine an, die sie selbst für ihre Bedürfnisse umgebaut hat. Grifflöcher fasst sie mit schlichtem Band aus Single Jersey ein. Als Riemen für Umhängetaschen nutzt sie Gurte, mit denen man sich auch im Auto anschnallen kann. Weitere Accessoires sind Schnallen, Ösen und Karabinerhaken aus Metall.
Eine ihrer ersten Taschen hat Beate Blumenkamp täglich dabei. Mittlerweile schimmert sie tiefschwarz. „Die beste Pflege ist der Gebrauch.“ Durch die Reibung bekommt das Material Glanz.
Beate Blumenkamp absolviert täglich ein strammes Programm. Knapp 30 Stunden arbeitet sie in Altena. Sohn Konrad, sieben Jahre alt, ist dann in der Schule, die zweieinhalbjährige Johanna im Kindergarten. Abends, wenn die Kinder schlafen, zieht sie sich in ihre Arbeitszimmer unter dem Dach zurück. „Ich versuche mehrere Male pro Woche von 21 bis 23 Uhr zu nähen.“
Nebenher kümmert sie sich um Bestellungen und ihre Internetseite. Ein Online-Shop ist gerade im Aufbau. Unterstützung hat sie sich dafür bei der Handwerkskammer geholt. Dort können sich Gründer kostenlos beraten lassen.
Trotz der Mehrfachbelastung: Beate Blumenkamp will nicht von den Schläuchen lassen und ihr Nebengewerbe ausbauen. „Es macht mir einfach riesigen Spaß.“ Rund 60 Taschen hat sie mittlerweile produziert, preislich starten sie bei rund 20 €.