Früher wurde hier geschweißt, gehämmert und repariert. Heute begegnen sich hier Menschen unterschiedlicher Herkunft und mit individuellen Besonderheiten und manchmal Handicaps. Bei frisch gebrühtem Kaffee und selbst gebackenen Kuchen geht es im Café Alte Werkstatt in Hiddenhausen nicht mehr um reparierbedürftige Wagenräder und Schleppermotoren, sondern um gesellschaftliche Teilhabe, regionale Entwicklung und kreative Projekte.
Umnutzung eines Betriebes
„Das Café ist immer eine Werkstatt geblieben“, kommentiert Anna von Consbruch. Die 55-Jährige ist die Vorsitzende des Vereins zur Erhaltung des Parks und des Denkmalensembles zu Hiddenhausen und Initiatorin des sozialen Projekts, dessen Kern die Umnutzung eines 350 Jahre alten ostwestfälischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ist.
"Die barocke Gutsanlage befindet sich in der elften Generation im Besitz unserer Familie", berichtet Caspar-Florens von Consbruch. Sein Vorfahre, Otto von Consbruch, baute 1665 das Herrenhaus. Otto von Consbruch war Amtmann von Enger. Diese Aufgabe nahm die Familie bis 1808 wahr. Zum Gut gehörten 80 ha Land, eine Orangerie, drei Zehntscheunen, Wirtschaftsgebäude und ein Park. Seit 1985 steht der 3 ha große Gutshof als bau- und verwaltungshistorisch bedeutende Anlage unter Denkmalschutz.
Für die Öffentlichkeit
Anfang der 90er- Jahre übernahm Caspar-Florens von Consbruch als Rechtsanwalt für Agrarrecht den mittlerweile verpachteten landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern und eröffnete in den Räumen des Herrenhauses seine Kanzlei. Gleichzeitig nutzt die junge, mittlerweile vierköpfige Familie es als Wohnhaus. Was aber sollte mit den Scheunen passieren? Je länger sie leer standen, desto sanierungsbedürftiger wurden sie. Anna und Caspar-Florens von Consbruch beschlossen, den historischen Gebäuden „neues Leben“ einzuhauchen und sie teilweise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
So befinden sich in zwei der Scheunen ein Holzhandwerksmuseum und in einer dritten eine Kultur-Werkstatt. Und zwischen diesen beiden Gebäuden ist das Café Alte Werkstatt – die Wagenremise von damals. Denn die hatte es der inzwischen fünffachen Mutter angetan. „Ich wollte einen Ort der Begegnung schaffen“, benennt die gelernte Kinderkrankenschwester ihre Vision. Je älter und selbstständiger die Kinder wurden, desto konkreter wurden ihre die Pläne.
Integration von Beginn an
Zunächst gründete Anna von Consbruch den gemeinnützigen Verein zur Erhaltung des Parks und des Denkmalensembles zu Hiddenhausen, der sich mit ehrenamtlichem Engagement und ohne Fördergelder um die Sanierung der Werkstatt kümmerte. 2011 begann der Umbau. Dabei ging es sowohl um altes handwerkliches Fachwissen als auch soziale Integration. Zimmermeister Hans Hubert Heinrichs aus Hiddenhausen arbeitete mit fünf jungen arbeitslosen Männern zusammen. „Das war eine spannende Zeit“, erinnert sich Anna von Consbruch. Aber es hat geklappt.
Die Männer erwarben handwerkliches Know-how und qualifizierten sich für den Arbeitsmarkt. Alle haben nun feste Jobs.Die Restaurierung dauerte ein Jahr. Insgesamt kostete sie mehr als 100 000 €. Die Kredite werden aus dem Verkauf von Kaffee und Kuchen getilgt. Die „Alte Werkstatt“ ist jeden Sonntag geöffnet. Neben Frühstück gibt es Kaffee und selbst gebackene Kuchen und Torten.
Das Mittwochsprojket
Den Wochenendbetrieb stemmt Initiatorin Anna von Consbruch mit ihrem Serviceteam. Außerdem ist der Mittwoch ein besonderer Tag. Genau wie der Bau soll auch der Betrieb des Cafés ein soziales Projekt sein. Dafür kooperiert der Verein mit dem Johannes-Falk-Haus, einer Förderschule für Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung. Jeden Mittwoch kommen die Schüler und Schülerinnen der Hauswirtschaftsklasse ins Café, um in der Küche oder beim Service mitzuhelfen. Sie bedienen Gruppen oder regionale Vernetzungen, die das Café als Treffpunkt nutzen. Bei den Gästen kommt das Konzept gut an. Schließlich kommt man hier nicht nur für die leckeren Kuchen und Torten her, sondern wegen der Begegnung mit besonderen Menschen.
Wie alle Cafés und Kneipen war auch das „Café Alte Werkstatt e. V.“ mehrere Monate Corona- bedingt geschlossen. „Aber anders als manche Kollegen verzeichnen wir keine existenzbedrohenden wirtschaftlichen Einbußen“, sagt Anna von Consbruch, Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins. Menschlich sieht es anders aus. In der Hinsicht war der Shutdown eine harte Zeit. Denn als Ort der Begegnungen „lebt“ das Café von persönlichen Kontakten. Die Leute kommen wegen der Atmosphäre und den Gesprächen her. Am Sonntag, 9. August, wagt der Verein den Neustart und öffnet die Türen wieder – natürlich unter Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen.
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