Landwirtschaft rockt

Ein Hof, auf dem es rockt

Wo früher Schweine standen und Schlepper fuhren, nehmen heute Bands aus ganz Deutschland Alben auf. Die Principal Studios auf einem ehemaligen Hof im Münsterland haben zahlreiche Goldene Schallplatten eingefahren.

Den Gang im Flur entlang glänzen Goldene Schallplatten. Musikalben der Toten Hosen, von In Extremo, den H-Blockx, den Broilers und von Unheilig lassen das Herz des Rockfans höher schlagen. Hier auf einem ehemaligen Hof zwischen Maisäckern und Pferdekoppeln, ein paar Kilometer von Senden-Ottmarsbocholt im Kreis Coesfeld entfernt, haben die Bands ihre tausendfach verkauften Tonträger komponiert und eingespielt – in den Principal Studios von Jörg Umbreit und Vincent Sorg. Die Gewinner des Wettbewerbes „Landwirtschaft rockt“ (mehr siehe Kasten) erhalten eine Demoaufnahme in diesem Tonstudio auf dem Hof.

Den Gang säumen Goldene Schallpaltten. (Bildquelle: B. Lütke Hockenbeck)

Aufnahme, bitte!

Ein Deelentor – mittlerweile verglast – und zwei Hochsilos aus Beton erinnern noch an die landwirtschaftliche Nutzung des Hofes. Im Inneren ist aber alles der Musik gewidmet. Hofherr und Studiobetreiber Vincent Sorg sitzt mit lila Clogs an den Füßen auf seinem Drehstuhl. Im Hintergrund steht ein raumgreifendes Mischpult. An der Wand hängen Lautsprecher. Von seinem Platz hat er den Aufnahmeraum genau im Blick, wo sich Gesang und die einzelnen Instrumente einspielen lassen. Vincent Sorg dirigiert und regelt vom Mischpult aus. Auf ihren Kopfhörern hören die Musiker seine Anweisungen und können sich sonst auf ihre Musik konzentrieren.

Von Außen ist der Hofcharakter erhalten geblieben. (Bildquelle: B. Lütke Hockenbeck)

„Der Hauptteil der Arbeit spielt sich aber im Regieraum vor der Aufnahme ab“, sagt der 44-Jährige. Dort stehen mehrere Ledersofas. In der Ecke lehnen ein paar E-Gitarren im Ständer. Auf den Glastischen liegen zahlreiche Zeitschriften: Rockhard, der Rolling Stone, das Satiremagazin Titanic, dazwischen ein paar Ausgaben des Playboys. „Hier findet unsere Gruppentherapie statt“, sagt Vincent Sorg mit einem Lächeln. Im ehemaligen Schweinestall sitzen die Bands mit ihm und feilen an ihren Stücken. „Ich sehe mich als Mediator und Berater. Denn letztendlich sind die Bands die Auftraggeber und ihnen müssen die Stücke gefallen“, sagt er. Im Regieraum schauen sie gemeinsam, ob der Text zur Melodie passt, ob die Harmonie und das Tempo stimmen. „Wir probieren rum“, sagt der Produzent. Kreativität entsteht beim Experimentieren. Manche Stücke sind in zehn Minuten fertig. Andere Stück sind zäh und brauchen deutlich länger. Die Produktion einer Scheibe kann bis zu zwei Jahren dauern.

Kopfkino auslösen

„Gute Musik muss bei mir ein Kopfkino auslösen. Sie muss mich aus dem Alltag tragen“, versucht er eine Definition. Ein weiterer Punkt, auf den er achten muss, ist, dass die Musik auch live klingt. Denn nicht jeder Song, der sich vom Tonträger gut anhört, passt auf die Live-Bühne. Die Bands, die die Principal Studios betreuen, machen mittlerweile aber das meiste Geld auf Konzerten.

Vincent Sorg ist einer der Köpf der Principal Studios. (Bildquelle: B.Lütke Hockenbeck )

Das war noch etwas anders, als sein Partner Jörg Umbreit, mit dem Vincent Sorg das Tonstudio betreibt, 1988 den Hof von Verwandten seiner damaligen Freundin erwarb. In Eigenleistung baute er den Hof um und eröffnete 1990 die Principal Studios. Vincent Sorg stieg nach einem Praktikum bei ihm ein. Eine Ausbildung zum Produzenten gibt es in der Form nicht. Der passionierte Keyboarder hat sich viel selbst angeeignet.

Keine Drogenexzesse

Mit der Abgelegenheit des Studios orientierte sich der Toningenieur Jörg Umbreit an den Residential Studios in England. Die Idee, einen abgelegenen Ort für Künstler zu schaffen, war bis dahin in Deutschland kaum verbreitet. Es ist ein Angebot für die Musiker, während der Produktion ihrer Stücke fernab des Großstadtlärms an ihrer Musik zu schmieden. Die Principal Studios haben sich damit in ihrer fast 30-­jährigen Geschichte einen Namen in der Rockszene Deutschlands gemacht. „Was die Bands hier schätzen ist die Rundumbetreuung“, sagt Vincent Sorg. Zum Entspannen befinden sich im Haus Gästezimmer und ein Raum mit Billardtischen sowie einem üppigen TV-Equipment.

(Bildquelle: B. Lütke Hockenbeck)

Die Abgeschiedenheit führt aber nicht zu Saufgelagen oder anderen Exzessen. „Drogen und Kreativität funktionieren meist nicht“, sagt Vincent Sorg. Die meisten Musiker, die hier herkommen, sind Profis. „Zum Beispiel die Toten Hosen sind eine sehr fleißige Band“, sagt er. Seit mehr als zehn Jahren produzieren sie in den Principal Studios – unter anderem die vergangenen drei Alben der Düsseldorfer.

Gutes Verhältnis zur Nachbarschaft

„Wir sind eigentlich immer am Umbauen“, sagt Vincent Sorg. Was zurzeit steht, kann sich sehen lassen: Sechs Studioräume, davon drei so groß, dass eine komplette Band dort gemeinsam aufnehmen kann. Sie befinden sich in dem ehemaligen Bauernhaus, der Scheune und einer Garage. Die Studioräume sind nach einem Doppelwand-System umgebaut mit dazwischenliegender Dämmung. So entsteht ein innen liegender Raum mit einer zusätzlichen äußeren Schale. „Schallisolation nach draußen brauchen wir eigentlich nicht. Im Gegensatz zu einem Studio in der Stadt“, sagt er. Decken, Wände und Türen sind so verbaut, dass im Raum die passende Akustik herrscht.

(Bildquelle: B.Lütke Hockenbeck)

Nach anfänglicher Skepsis haben sie zu den Nachbarn ein gutes Verhältnis. Sie grillen und feiern gemeinsam. Außerdem können sie bei Bedarf auch mal einen Schlepper leihen. „Ab und zu geht einer der ,Toten Hosen‘ durch die Felder. Dann kommen mal ein oder zwei neugierige Spaziergänger mehr“, sagt eine Nachbarin. „Campino habe ich mal gesehen. Ritchie, der Drummer der Toten Hosen, tankt seinen Fiat aus Düsseldorf aber schon mal öfters hier“, erzählt der Tankstellenbetreiber in Ottmars­bocholt. Aber von Starrummel und Fanaufläufen ist hier nichts zu spüren. Ideal, um ungestört gute Musik zu machen.

Landwirtschaft rockt!
Vincent Sorg ist Teil der Jury beim Wettbewerb "Landwirtschaft rockt" von top agrar, profi und dem Wochenblatt. Schirmherr ist Henning Wehland, Frontmann der H-Blockx. Gesuht werden Musiker vom Land und Land-Kultur-Events.
Beste Band: Musiker, die ein Herz für das Landleben haben oder dort Musik machen, können sich bewerben. Einfach unter www.landwirtschaftrockt.de registrieren. Aus den Einsendungen wählt die Jury drei Finalisten. Per Online-Voting wird die beste Band gekürt. Der Sieger bekommt 5000 €, eine Demoaufnahme in den Principal Studios und einen Auftritt beim Wochenblatt-Jubiläum in Haltern im Juni 2019. Die zweiten und dritten Sieger freuen sich über 3000 € bzw. 2000 €.
Bestes Land-Kultur-Event: Auf dem Hof sind Lesungen, Konzerte oder Ausstellungen? Dann ums das beste Land-Kultur-Event bewerben! Der Sieger gewinnt 2000€ und einen Auftritt von Henning Wehland beim nächsten Event. Für den Zweiten und Dritten gibt es 1000€ bzw. 500€ Starthilfe für weitere Events.
www.landwirtschaftrockt.de

Ein Interview mit dem Schirmherr Henning Wehland finden Sie hier

Musikwettbewerb

Landwirtschaft rockt!

von Patrick Otte

Der Wettbewerb „Landwirtschaft rockt!“ sucht Bands vom Land. Pate steht Henning Wehland. Das Mitglied der „Söhne Mannheims“ und der Frontmann der H-Blockx erklärt, was für ihn...