Dutzende frisch gemachte Betten, in denen niemand schläft, ein Schwimmbad mit warmem Wasser, in dem niemand schwimmt und ein Restaurant, indem sich niemand den Bauch vollschlägt – monatelang beschlagnahmte das Corona-Virus das Hennedamm Hotel von Familie Kotthoff in Meschede. „Es war eine wirklich beklemmende Zeit“, erzählt Brigitte Kotthoff, Leiterin des Familienbetriebs in zweiter Generation. Zur Lockdown-Zeit war sie, zusammen mit ihrer Familie, sozusagen allein zu Haus. Denn gemeinsam mit ihren Kindern wohnt die 52-Jährige im obersten Stockwerk des Hauptgebäudes. Johannes Kotthoff, ihr Vater und Gründer des Hotels, lebt mit seiner Frau in einem zweiten Gebäude.
Teller zum Zurückbringen
Als das Virus im Frühjahr 2020 ausbricht und das Hotel schließen muss, beginnt Brigitte wie viele Menschen. „Erst mal haben wir das ganze Hotel geputzt – was sollten wir auch sonst machen“, sagt sie. Zu dem Zeitpunkt hoffte die Familie noch, dass sich die Situation schnell beruhigen würde.
Als sich dann abzeichnete, dass sobald nichts „normal“ werden würde, mussten Alternativen her. „Weil das Restaurant ebenfalls geschlossen war, haben wir Außer-Haus-Verzehr angeboten“, berichtet die Hotelleiterin. Im Gegensatz zu einer Pizzeria besaß das Restaurant keinerlei Verpackungen zum Mitnehmen. Um diese und Müll zu sparen, servierten sie das Essen auf ihren Porzellantellern und verpackten das Ganze in Styroporboxen. „Wir haben unsere Kunden und Kundinnen gebeten, die Dinge einfach am nächsten Tag wieder herzubringen. Das hat tatsächlich gut funktioniert“, erzählt Brigitte Kotthoff.
In manchen Phasen des Lockdowns durften zumindest Geschäftsleute im Hotel übernachten und speisen. „Teilweise war es wirklich abstrus: Geschäftlich Reisende durften drinnen im warmen Speisesaal essen, Touristen musste ich auf die Terrasse vertrösten oder ganz wegschicken“, erinnert sich Brigitte Kotthoff.
Rente ins Hotel gesteckt
Trotz all der Mühen: Kostendeckend waren die Einkommensalternativen nicht. Unzählige Räume mussten beheizt, die Sanitäranlagen instand gehalten und vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezahlt werden. Brigitte Kotthoff erklärt: „Zur Hochphase des Virus hatten wir immerhin drei Abzubildende. Bei ihnen war uns besonders wichtig, dass sie ihre Ausbildung möglichst normal fortsetzen konnten.“
Vom Staat erhielt Familie Kotthoff für sich und ihre insgesamt 25 Mitarbeitenden eine Corona-Hilfe. „Diese zu beantragen ging einfach und sie kam auch schnell an“, sagt die Hotelleiterin, „ausgereicht haben die Gelder trotzdem nicht.“
Aus der Not heraus griff die Familie zu ihrem Ersparten, um die Fixkosten des Hotels decken zu können.
Ein weiterer Kostenpunkt: Wenige Wochen, bevor Corona begann, war die Familie mit dem Umbau eines Wohnhauses gestartet. Dort sollten weitere Hotelzimmer entstehen. „Trotz der schwierigen Lage haben wir uns dazu entschieden, weiter umzubauen“, sagt Brigitte Kotthoff. „Unser Hotel ist das Lebenswerk meines Vaters und gehört zu uns als Familie. Aufgeben war keine Option.“
Am Ende des letzten Lockdowns ist von dem Ersparten der Familie nichts mehr übrig. „Mein Vater hat sein ganzes Leben lang für drei gearbeitet“, sagt Brigitte Kotthoff.„Jetzt sind die Rücklagen, die für sein Rentenalter gedacht waren, komplett aufgebraucht.“
Viele der Gäste fühlen sich mit dem Hotel verbunden. Familie Kotthoff erhielt während der Corona-Zeit einige E-Mails und Briefe voller guter Zusprüchen. „Eines Tages erreichte uns neben einem besonders netten Schreiben eine Überweisung von einem Paar, das jedes Jahr zu uns kommt“, erzählt die Hotelleiterin. „Natürlich hat uns der Betrag nicht aus der Krise gerissen. Trotzdem war das ein extrem bemerkenswertes Zeichen.“
Augen zu und durch
Mittlerweile, im Herbst 2022, ist die große Krise überstanden. Häufig sind die Betten im Hotel belegt, das warme Wasser im Schwimmbad wird in vollen Zügen ausgekostet und auch das Restaurant brummt. „Wir erhielten erst gestern noch eine Anfrage, ob wir unseren Gänsebraten, die Spezialität meines Vaters, auch außer Haus liefern“, sagt die Unternehmerin. „Zum Glück haben wir dafür aber nun zu viel zu tun.“
Auch das dritte Gästehaus ist seit 2020 fertiggestellt. „Heute bin ich enorm froh darüber, dass wir uns durchgerungen und das Projekt abgeschlossen haben.“
Nun müssen nur noch die Corona-Hilfen zurückgezahlt und die Energiekrise überwunden werden. Aber auch dem scheint Brigitte Kotthoff furchtlos entgegenzublicken. „Bei uns in der Familie herrscht eine Augen-zu-und-durch-Mentalität“, sagt sie. „Es wird weitergehen.“
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