Im Oktober 2018 rollte ein Milchtankwagen ein Dutzend Mal nach Westernbödefeld. Er steuerte aber nicht den einzigen Milchviehbetrieb des sauerländischen Dorfes an, sondern den Hochbehälter „Zur Krummel“ und brachte insgesamt 196 m³ Trinkwasser.
Denn die Quellen des Ortes der Stadt Schmallenberg waren nach dem Dürresommer ausgezehrt. Von bis zu 300 m³ am Tag ging die Gesamtschüttung auf etwa 100 m³ zurück. Wie ein Bypass stützt aber mittlerweile ein Tiefenbrunnen die Wasserversorgung.
Dörflich organisiert
Holger Hoppe appellierte damals an seine Nachbarn, nicht mehr das Auto zu waschen und den Rasen zu sprengen. Der Sparkassen-Angestellte steht dem Wasserbeschaffungsverband des Ortes vor.
Der Verband verantwortet die Trinkwasserversorgung für insgesamt 360 Menschen. Hinzu kommen etwa 300 Tiere auf zwei Betrieben – einem Mutterkuhhalter und einem Milchviehbetrieb. Der jährliche Wasserverbrauch im Ort liegt im Schnitt bei 21 000 m3, am Tag kann er auf 100 m³ hochschnellen.
Etwa ein Drittel der knapp 25 000 Einwohner der Stadt Schmallenberg versorgen 23 dörfliche Verbände und Interessengemeinschaften mit Trinkwasser – und das schon seit Jahrzehnten. Oft ist es die einzige Lösung im bergigen Hochsauerland. So hat die Versorgung in Westernbödefeld keine Verbindung zum städtischen Netz, wie es manche der anderen dörflichen Verbände für Notfälle haben.
Die Einwohner sind laut Holger Hoppe Stolz auf diese Eigenständigkeit. Über den Wasseranschluss sind sie Mitglied im Verband. Außerdem macht es sich etwas im Portemonnaie bemerkbar: Der Wasserpreis liegt bei etwa 80 Cent pro m³ im Vergleich zu über 1,30 € aus dem städtischen Netz. Die Grundgebühr liegt bei 60 € statt 105 €.
Für Brunnen entschieden
Über eine 7,5 km lange Hauptleitung gelangt das Wasser zu den Bürgern. Es stammt in Westernbödefeld hauptsächlich aus vier Quellen. Die letzte wurde 1991 erschlossen. „Es sind Sammelquellen aus oberflächennahem Grundwasser“, sagt Michael Tigges aus dem sechsköpfigen Vorstand des Verbandes. Er arbeitet bei einer Kläranlage des Ruhrverbandes.
2018 blieb der Regen lange aus. Außerdem nahm die Verdunstung durch frisch entwaldete Flächen im Einzugsgebiet zu. Michael Tigges vermutet, dass es zu Trockenrissen in den wasserführenden Schichten kam. So sprudelten die oberflächennahen Quellen nicht mehr so ergiebig wie sonst. „Das kann jeder Zeit wieder passieren“, sagt der Fachmann für Abwasser. Vor allem das Dürrejahr 2018 bedeutete Stress für das System. „Wir mussten handeln“, sagt Holger Hoppe.
In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung stimmte das Dorf für einen neuen Tiefenbrunnen. Um das Wasser im Untergrund zu finden, führten sie keine Probebohrung durch. Sie schickten vier Wünschelrutengänger unabhängig voneinander los. Bei allen wippte die Rute an fast der gleichen Stelle.
Eine Spezialfirma bohrte einen 82 m tiefen Brunnen. In 15 m Tiefe trifft er schon auf eine wasserführende Schicht. „Das hat unsere Erwartung übertroffen. Die Wasserqualität ist hervorragend“, sagt Holger Hoppe. Einer zusätzlichen Reinigung bedarf es nicht.
Austausch mit Kommune
Der Brunnen liefert zurzeit 66 m3. Er kann aber mit 140 m³ fast doppelt so viel bringen. Die Bohrung und der Brunnen haben insgesamt 25 000 € gekostet, finanziert aus Rücklagen des Verbandes.
Im engen Austausch stand der Vorstand beim Bau mit dem Kreis als Untere Wasserbehörde und den Stadtwerken. Deren Mitarbeiter schalten sich digital zur Fernwartung der gesamten Versorgung zu. Das ist seit 2020 vorgeschrieben.
Neu ist auch, dass der Vorstand digital über Störungen informiert wird. „Bei Problemen ist einer aus dem Team in zehn Minuten da“, sagt Holger Hoppe. Bei all den Veränderungen der vergangenen Jahre ist er aber bei einer Sache sicher: „Bei uns wird es den Wassertransport per Tankwagen so schnell nicht mehr geben.“
Woher das Trinkwasser im Sauerland stammt
Die Trinkwasserversorgung im Sauerland ruht auf unterschiedlichen Säulen, sagt Victoria Krieter von der Bezirksregierung Arnsberg. Es kann Grundwasser, Uferfiltrat oder Oberflächenwasser sein.
Die größten Wasserwerke der Region liegen entlang der Ruhr, die bei Winterberg entspringt. Im Einzugsgebiet der Ruhr steuert der Ruhrverband acht Talsperren. Er stellt aber auch Rohwasser aus den Stauseen zur Trinkwasserversorgung bereit. Direkt zur Trinkwasseraufbereitung wird zum Beispiel Wasser aus der Sorpetalsperre bei Sundern und seit 2016 auch aus der Hennetalsperre bei Meschede entnommen.
Meist wird das Wasser der Ruhr aber nicht direkt verwendet. Es gelangt nach einer Vorreinigung in große, sandgefüllte Filterbecken. Man spricht von künstlicher Grundwasseranreicherung mit Oberflächenwasser. Dieses Grundwasser wird zusätzlich zum Uferfiltrat aus Brunnen gewonnen, das die Wasserwerke anschließend weiter aufbereiten.
Nicht auf das Ruhrwasser, sondern auf das Oberflächenwasser der Möhne greift die Stadt Arnsberg zu. Im Hochsauerlandkreis gibt es insgesamt zehn kommunale Wasserwerke. Sie werden durch den Wasserverband Hochsauerland ergänzt, der ein überörtliches Verbundleitungsnetz betreibt.
Im Kreis Olpe entnehmen die Kreiswerke Olpe den größten Teil ihrer Versorgung aus der Listertalsperre. Der Wasserverband Siegen-Wittgenstein schöpft überwiegend aus der Obernautalsperre und der Breitenbachtalsperre Wasser zur öffentlichen Versorgung.
Ergänzt wird die Wasserversorgung im Sauer- und Siegerland durch zahlreiche dörflich organisierte Verbände und Interessengemeinschaft, die auf Grundwasser aus Quellen und Brunnen zugreifen. Sie sind historisch gewachsen und nutzen die Geologie und das Relief der Höhenzüge.
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