Einst sorgte der Trafoturm für Spannung im Stromnetz von Wolbeck im äußersten Südosten von Münster. Heute bietet er der Familie Brandenfels Entspannung. Vor etwa fünf Jahren haben sie den 11 m hohen Turm am Flüsschen Angel umgebaut und drumherum einen Garten angelegt. Passend zur alten Nutzung haben sie das Idyll „Villa Volt“ getauft.
Wirkte wie ein Kerker
Am Staketenzaun blühen Passionsblumen und schlängeln sich Wicken. An der Außenmauer klettert Wein empor. Der Weg zum Eingang säumt Lavendel. Neben dem Turm isst die fünfköpfige Familie vor allem im Sommer zu Abend, lädt Freunde zum Grillen ein und übernachtet manchmal sogar in dem Gemäuer aus dem Jahr 1937. Zwar gibt es dort weder fließend Wasser noch ein WC, doch ihr Haus liegt etwa 100 m entfernt.
Früher ging die Familie oft an der Turmruine vorbei. Wie oft auf dem Land war der Trafoturm bis zu Beginn der 1980er-Jahre im Einsatz. Dann verlagerte sich das Stromnetz komplett unter die Erde. Die Wände waren mit Graffitis beschmiert, das Dach baufällig – eher Schandfleck als Augenweide. „Wir wollten den Turm für das Ortsbild erhalten“, erinnert sich Gordon Brandenfels. Er ist Landschaftsarchitekt und seine Frau Architektin. Sie haben ein Planungsbüro in der ehemaligen Wolbecker Dorfschenke neben der Kirche.
Grundstück mit Turm
Für einen guten Preis erstanden sie 2016 den Turm samt 130 m2 Wiese von den Stadtwerken Münster und stellten einen Umbauantrag. Im Sommer 2017 waren sie fertig mit der Renovierung. Von der einstigen Technik im Inneren, die schon lange raus war, zeugen noch Keramikisolatoren an der Außenwand sowie ein paar alte „Hochspannung-Lebensgefahr“-Schilder.
Im 3 m x 3 m breiten Inneren war nur eine Stahlbetondecke, auf die eine stählerne Leiter führte. Ganz oben befanden sich kleine Fenster, über die etwas Licht nach unten fiel. Sonst war der Turm komplett leer „Das war gespenstisch. Es wirkte wie ein Kerker“, erzählt Tanja Brandenfels.
Fünf Fenster und drei Türen
Davon ist heute nichts mehr zu spüren. Der gesamte Turm ist lichtdurchflutet, die nachträglich aufgebrachte helle Farbe lässt die Wände strahlen. Die Brandenfels’ haben fünf Fenster und drei Türen einbauen lassen. Das war eine Herausforderung. Das Mauerwerk ist über 80 Jahre alt und 30 cm dick. „Die Backsteine sind so verzahnt, dass man die Steine einzeln rausstemmen musste“, erklärt Gordon Brandenfels.
Auf einer Seite lassen sich noch Einschusslöcher aus dem Zweiten Weltkrieg entdecken. Darüber hängen mittlerweile Vogelhäuser und Insektenhotels. Aus einem Fenster an der Vorderseite grüßt der Schriftzug „Nie wieder Krieg“.
Hochbett unter dem Dach
Der erste Schritt nach Schlüsselübergabe war, das leckgeschlagene Dach abzudichten. Dazu ließen sie es wie zuvor mit Naturschiefer decken und erneuerten die Dachrinne. Die Metallleiter im Inneren flexten sie ab und ersetzten sie durch ein Holzpodest mit Treppen und Geländer aus Eiche. Die Holzarbeiten übernahmen sie selbst, die anderen Arbeiten Handwerker aus der Umgebung.
Einen Höhepunkt im wahrsten Sinne des Wortes findet man nahe dem Dach. Dort ist ein Hochbett als zweiter Stock eingebaut. „Eigentlich dient der Turm vor allem als Lager für unseren Garten, doch im Sommer übernachten wir oder unsere Kinder manchmal im Turm“, sagt Gordon Brandenfels. Eine Matratze liegt auf dem Podest, ein Regal mit Büchern und Zeitschriften hängt an der Wand und ein Netz schützt vorm Absturz. Das Ehepaar schwärmt von dem Ausblick – unbeschreiblich, wenn man mit einem guten Buch dort liegt und sich in der Ferne ein Sommergewitter zusammenbraut.
Der Turm macht Winterschlaf
Von dem anfänglichen Plan, einen Ofen zu installieren, haben sie sich früh verabschiedet, zu gefährlich. Im Winter bleibt der Turm zu. Für etwas Strom sorgt ein kleines Solarpanel an der Südseite, das Tanja Brandenfels angebracht hat. Das reicht für ein paar Deckenlampen. So haben sie zumindest im und vor dem Turm etwas Licht. Denn dort sitzen mittlerweile öfter ihre Kinder – der älteste Sohn ist 19 Jahre – und treffen sich im Sommer mit Freunden. Hier können sie auch mal die Musik etwas lauter drehen.
Um aus der einstiegen Wiese einen Garten zu machen, hat die ganze Familie einen Sommer lang Schotter geschippt. „In Gänze bestimmt 30 t“, schätzt der gelernte Gärtner. Sie haben Wege und Plätze angelegt sowie Apfelbäume gepflanzt. Die Mühe hat sich gelohnt. Wenn die untergehende Sonne auf Villa und Garten fällt, genießen sie ihr Idyll mit Ausblick.
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