"Du dummer Bauer"

Laut Statistik ist etwa jedes dritte Kind in seiner Schullaufbahn von Mobbing betroffen. Für Max* begann der Psycho-Terror in der fünften Klasse – und endete erst nach einem Schulwechsel.



Max war wenige Tage auf der neuen Schule, da ging es los. „Dummer Bauer“, beschimpfte ihn ein Mitschüler. Und als er merkte, dass er Max damit mächtig nervte, setzten er und andere Mitschüler immer wieder nach. Innerhalb weniger Tage wurde Max in der neuen Klasse zum Mobbing-Opfer. Er blieb es zwei Jahre – bis zum Wechsel auf eine andere Schule.

Nach einer Statistik der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie sind bis zu 30 % der Kinder und Jugendlichen in Deutschland im Laufe ihrer Schullaufbahn von Mobbing betroffen. Erhebungen sind grundsätzlich schwierig, weil Forscher unterschiedliche Definitionen anwenden und sie auf die Selbsteinschätzungen der Betroffenen angewiesen sind (siehe Kasten).

Was ist Mobbing?
Eine Definition ist schwierig, weil Mobbing eine subtile Form von Gewalt ist. Sie kann verbal, körperlich oder psychisch sein. In erster Linie geht es um Macht und Status innerhalb einer Gruppe oder Klasse. Meist entsteht Mobbing in sogenannten „Zwangsgemeinschaften“, also zum Beispiel in der Schule oder am Arbeitsplatz. Täter versuchen, auf Kosten anderer an Einfluss zu gewinnen. Das erfolgt nicht über eine einzelne, sondern wiederkehrende Angriffe über einen längeren Zeitraum. Zwischen Tätern und Opfern gibt es ein deutliches Machtgefälle.

Ausgrenzung mit Methode

Die Täter testen, wer sich nicht wehren kann oder wenig Rückhalt hat. Aus Max' alter Grundschulklasse waren wenige mit auf die Hauptschule gewechselt. In der neuen Klasse mit 32 Schülern tat er sich schwer neue Freunde zu finden. Zusätzlich war er der Einzige, der vom Bauernhof kam. Diese Sonderrolle brachte ihn in Bedrängnis. „Die Landwirtschaft braucht doch kein Mensch“, bekam Max zu hören. Konsequent hätten die Mitschüler immer wieder ihre Missachtung gegenüber ihm und dem Beruf seiner Eltern zum Ausdruck gebracht. Ganz genau erinnert er sich noch an die härteste Variante: „Scheiß Landwirt, geh sterben.“

Wie er sich damals fühlte? „Ausgegrenzt, unwohl und depressiv“, sagt er heute. Inzwischen ist Max 15 Jahre alt. Vor drei Jahren, nach der sechsten Klasse, hat er die Schule gewechselt. Aus seiner Sicht wäre dieser Schritt schon früher fällig gewesen. Denn so wurde die Schule für ihn zur Qual. Am Freitag war er erleichtert, das Wochenende erreicht zu haben. Sonntags ging er mit Bauchschmerzen ins Bett. „Ich konnte abends nicht einschlafen und wollte morgens nicht aufstehen“, erinnert er sich. Dabei verfolgte ihn das Mobbing teilweise bis in die Ferien und bis in die Nacht. Einige Mitschülerinnen bombardierten ihn dann mit Anrufen.

Rückzug in die Resignation

Bereits nach einer Woche auf der Hauptschule sprach er mit seinen Eltern über die Situation. Die ermutigten ihn, die anderen einfach zu ignorieren, redeten mit Lehrern und Schulleitung. Die Erwachsenen hofften, dass sich die Situation doch noch zum Besseren wenden würde. „Erstmal denkt man: So schlimm kann es nicht sein“, erzählt Max’ Mutter. Ihr Sohn fühlte sich dadurch nicht ernst genommen. „Ich hatte den Eindruck, dass meine Eltern blind waren“, sagt Max heute über diese Phase. Andrea Hertleif

*Name von der Redaktion geändert.

Den vollständigen Bericht über Max, ein Interview mit einem Schulpsychologen und einen Beitrag über Kinder vom Hof, die in der Schule Landwirtschaft erklären, lesen Sie ab S. 74 in der Wochenblatt-Ausgabe 16/2016.