Jüdisches Landleben: Blüte und gewaltsames Ende

Die Synagoge in Petershagen: Das Bethaus aus Backstein

In Petershagen an der Weser erinnert ein einzigartiges Bauensemble aus Synagoge, Schule und rituellem Bad an Blütezeiten jüdischen Landlebens – und an die Zerstörung dieser Lebenswelt (1933-1945)

Ist das eine alte Schmiede? Eine aufgegebene Lagerhalle? Oder eine Fabrikwerkstatt? Das könnte vermuten, wer zum ersten Mal in Petershagen durch die Seitengasse im Ortskern geht und das Gebäude mit seiner Backsteinfassade, den vier hohen schmalen Fenstern und den gusseisernen Fensterrahmen sieht. Zu einer Schmiede, einer Werkstatt oder einem Lager wollen allerdings die farbigen Gläser im Oberlicht der Fenster gar nicht passen.

Das Schild an der Tür sorgt für Klarheit: „Alte Synagoge Petershagen“ steht dort zu lesen. Bei dem Gebäude handelt es sich um eine der wenigen Landsynagogen, die in Westfalen die Zerstörungen während des NS-Regimes überstanden haben. Die Zeit des Schweigens, und Vergessenwollens endete spätestens in den 1980er Jahren, als ein rühriger Verein das Gebäude wiederentdeckt, mit viel Engagement erforscht, restauriert und zu einem Museum hergerichtet hat.

Eine lange Geschichte

Die Synagoge war gut hundert Jahre lang religiöser und gesellschaftlicher Mittelpunkt der Juden Petershagens und der umliegenden Dörfer. In und um Petershagen, ehemals ein Residenzstädtchen der Mindener Bischöfe mit kaum mehr als 1000 Einwohnern, lebten jüdische Familien bereits seit dem 16. Jahrhundert. Die ersten hatte vermutlich Bischof Franz von Waldeck angeworben, der in Petershagen residierte. Sein Nachfolger Georg von Braunschweig-Wolfenbüttel hatte, um seine landesherrliche Münzproduktion aufzubessern, auf das Fachwissen jüdischer Edelmetallhändler gesetzt und sie in Petershagen siedeln lassen. Sie und ihre Nachfolger verlegten sich indes auf den Handel mit Vieh, Eisenwaren, Textilien und Getreide – einen Handel, der lokal und regional abgewickelt wurde, sich aber teilweise auch von der Weser bis nach Frankfurt/Main erstrecken konnte.

Andere Judenfamilien Petershagens gründeten ihre Existenz auf ländlichem Kleinhandwerk. Wie ihre christlichen Nachbarn Landwirtschaft zu betreiben, war ihnen indes untersagt.

Mittelpunkt der kleinen Gemeinde war anfangs eine „Stubensynagoge“, wie sie erstmals 1652 für Petershagen genannt ist – das wird kaum mehr als die geheizte Stube eines Gemeindeangehörigen gewesen sein, in der sich die Judenschaft zum Gebet und zum Austausch traf.

1796 baute die Gemeinde erstmals eine Synagoge. Von ihr ist lediglich bekannt, dass sie wie die Nachbargebäude als Fachwerkbau errichtet worden ist. Wegen Baufälligkeit wurde sie gut 50 Jahre später abgerissen und an Ort und Stelle durch den Neubau ersetzt, der 1846 eingeweiht wurde und bis heute erhalten ist.

Blicke gen Jerusalem

Das Gebäude ist rechteckig, misst 7,80 m x 9,60 m und wird von einem Satteldach bedeckt. Die längere Traufenseite steht zur Gasse hin. Die Außenfassade aus Backstein ist durch fünf gemauerte senkrechte...


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