Heute steht Kürbis-Schafskäse-Strudel mit buntem Salat auf der Speisekarte. Serviert auf großen weißen Platten steht das Blätterteiggericht auf den winterlich geschmückten, langen Tischen. Alles erinnert an ein Essen am großen Familientisch. Doch hier speisen keineswegs Verwandte miteinander, sondern einige Bewohner des kleinen Ortes Hesselteich, einem Dorf mit rund 500 Einwohnern, das zu Versmold im Kreis Gütersloh gehört.
Projektarbeit gibt Anstoß
Seit Anfang November laden Pirjo Susanne Schack und ihr Ehemann Matthias Hoffmeier jeden Donnerstag zum Mittagstisch in die Dorfküche ein. Das Ehepaar beteiligte sich maßgeblich an der Gründung. Tatkräftige und fachliche Unterstützung erhielten sie außerdem von Anja Lipper, einer angehenden Meisterin der Hauswirtschaft. Sie schrieb ihre Praxisarbeit über die Dorfküche und legte mit ihrem Konzept den Grundstein für die Umsetzung.
Ehrenamt wird Arbeitsplatz
„Zu Anfang haben wir alles ehrenamtlich organisiert: Einkaufen, Kochen, Tischdecken und später auch das Aufräumen“, beschreibt Pirjo Schack die ersten Schritte in der Dorfküche. Heute gibt es Unterstützung durch eine Köchin sowie eine Servicekraft. „Wir konnten das auf Dauer einfach nicht leisten“, erzählt die 55-Jährige, die eine Professur am Fachbereich Ökotrophologie der Fachhochschule Münster inne hat, weiter, „niemand von uns war es gewohnt, unter Zeitdruck für so viele Menschen zu kochen.“
Anmelden für Nachhaltigkeit
Die meisten Zutaten, die die angestellte Köchin Susan Wulff verarbeitet, stammen vom landwirtschaftlichen Betrieb der Familie Schack-Hoffmeier selbst. „Den Salat haben wir heute morgen noch frisch geerntet“, verkündet Betriebsinhaber Matthias Hoffmeier mit Stolz, als auch er an der reich gedeckten Tafel sitzt. Heute haben sich zwölf Gäste angemeldet. „Wir arbeiten mit Anmeldung, um die Mengen besser kalkulieren zu können – schließlich wollen wir nachher möglichst wenig Reste haben“, erklärt Pirjo Schack.
Qualität die schmeckt
„Es schmeckt hier wie im Restaurant“, schwärmt Nachbarin Gertrud Ostkämper , „aber hier gefällt es mir besser, weil alles so familiär ist.“ Sie kommt regelmäßig zum Mittagstisch. Den Preis von 12,50 € empfindet sie als absolut angemessen. „Gehen Sie mal ins Restaurant, trinken Sie was, essen Sie so gut wie hier und trinken Sie anschließend eine Tasse Kaffee – das kriegen Sie nie zu dem Preis – geschweige denn in Bioqualität“, ist sie überzeugt. Doch das eigentliche Alleinstellungsmerkmal des Konzeptes der Dorfküche sind die Geschichten und Unterhaltungen während und nach dem Mittagessen. Das sieht auch Helga Schack, die Mutter von Pirjo Schack so. Sie ist erst kurz vor der Pandemie auf den Hof nach Hesselteich gezogen. „Es ist nicht so einfach, neue Kontakte zu knüpfen, darum genieße ich das Mittagessen am Donnerstag immer ganz besonders“, erzählt die Seniorin, die es sich nicht nehmen lässt, aktiv bei den Vorbereitungen, aber auch beim Bewirten der Gäste mitzuhelfen.
Kooperation mit Dorfverein
Die professionelle Einrichtung der Dorfküche hat rund 18 000 € gekostet. „Da wir mit dem Dorfverein kooperieren, haben wir eine 80%ige Förderung aus dem „Regionalbudget 2020“ erhalten“, erzählt Matthias Hoffmeier, der gleichzeitig Vorsitzender des noch jungen Vereins „Dorfgemeinschaft Hesselteich“ ist.
Kochen dank Fördertopf
Versmold ist Mitglied der lokalen Aktionsgruppe „LAG GT8“. Ziel des Vereins ist es, Fördermittel, wie das „Regionalbudget 2020“ in den Kreis zu holen. Beim Regionalbudget, von dem auch die Initiatoren der Dorfküche profitierten, wurden Kleinprojekte im ländlichen Raum, die das Ehrenamt und/oder den sozialen Zusammenhalt vor Ort stärken und im Jahr 2020 abgeschlossen werden konnten, gefördert. Dabei durften die Gesamtkosten 20 000 € nicht übersteigen.
Ursprünglich war die Diele, auf der heute der Mittagstisch für die Hesselteicher stattfindet, als Gemeinschaftsraum für das Mehrgenerationenhaus gedacht. Denn in der Summe gibt es vier Wohnungen auf dem Hof – alle unter einem Dach. Hier leben auch zwei Familien mit Kindern. „Unser ursprünglicher Gedanke war das Leben in einer bunten Hofgemeinschaft, in Anlehnung an den Demeter-Gedanken des Hoforganismus“, erklärt Pirjo Schack.
Gemeinschaft anders leben
„Wir hatten relativ konkrete Vorstellungen vom gemeinschaftlichen Leben auf dem Hof“, resümiert das Ehepaar, „dass es nicht ganz so ‚eng‘, sondern mehr eine gute Nachbarschaft geworden ist, finden wir vollkommen in Ordnung.“ Nun leben Pirjo Schack und Matthias Hoffmeier ihr Verständnis des Zusammenlebens im weiteren Sinne: sie erweitern ihre Hofgemeinschaft einfach um die des ganzen Dorfes.
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