Digitales Agrarbüro: Finden statt suchen

Oft braucht es einen konkreten Anstoß, um den Betrieb digitaler aufzustellen. Bei Theresa Nagel waren es gleich zwei: Hofübergabe und Stallbau. Heute möchte sie nicht mehr auf die Vorteile verzichten.

Papierstapel, überquellende Ablagekörbe und endlose Ordnerreihen – der Papierkrieg im Agrarbüro treibt so manchem Landwirt die Schweißperlen auf die Stirn. Eine einfache und relativ unkomplizierte Lösung verspricht die digitale Ablage und Organisation von Daten und Dokumenten. Theoretisch. Denn: Der Schritt in den digitalen Alltag fällt vielen in der Praxis schwer.

Von digitalen Anfängen ...

So war es auch bei Theresa Nagel aus dem sauerländischen Medebach. Die 26-Jährige bewirtschaftet mit Unterstützung ihrer Eltern und ihres Mannes einen Betrieb mit 100 Milchkühen, weiblicher Nachzucht und etwa 85 ha Grünland. Seit 2016 hat die gelernte Landwirtin den Betrieb von ihren Eltern gepachtet.

„Klar, das ist erstmal zusätzliche Arbeit und wird gern auf die lange Bank geschoben“, blickt sie auf ihre digitalen Anfänge zurück. Vor allem bei der Arbeit im Stall habe sie aber schnell gemerkt, dass sie die Tierdaten gerne immer und überall dabei hätte. „Ich habe mich dann zuerst über Kuhplaner informiert und schließlich für eine Software von ,Holdi‘ entschieden“, erzählt Theresa Nagel. „Als Eigenbestandsbesamerin ist es für mich unglaublich praktisch, schnell und vor Ort nachzuschauen, welchen Bullen ich das letzte Mal genommen habe.“

... zum digitalen Agrarbüro

Zwei Anläufe brauchte die junge Landwirtin dagegen, um die ­Digitalisierung im Agrarbüro konsequent umzusetzen. „Schon Ende 2017 bin ich online auf die Software von ,top farmplan‘ gestoßen und habe angefangen, meine Dokumente einzuscannen und in das Programm zu laden“, erzählt sie. Ebenso schnell wie der Anfang gemacht war, verebbte ihre Motivation jedoch wieder. 2017/18 baute Familie Nagel einen zusätzlichen Boxenlaufstall für 60 Kühe sowie einen neuen Melkstand. „Wir haben vorher im Doppel-4er gemolken, eine Modernisierung war dringend nötig“, so Nagel. Der Doppel-12er-Side-by-Side kam, die digitale Dokumentenablage blieb – vorerst – auf der Strecke.

Doch bezeichnenderweise war es gerade der Stallbau, der Theresa Nagel die Notwendigkeit einer digitalen Ablage vor Augen führte. „Da wir für den Stall Förderung erhalten haben, musste ich zum Ende des Baus Rechnungen und Kontoauszüge einreichen. Daswar ziemlich nervenaufreibend. Manchmal habe ich den halben Tag damit verbracht, zehn Blätter zu suchen.“

Als die Tiere im Herbst 2018 in den neuen Stall zogen, fasste die Landwirtin daher einen Entschluss: „So etwas passiert mir nicht noch einmal, dass ich nicht sofort weiß, wo meine Dokumente sind.“ Sie begann, alle Unterlagen – Angebote, Rechnungen, Kontoauszüge – einzuscannen und in den digitalen Aktenschrank von „top farmplan“ einzupflegen. Größter Vorteil für Theresa Nagel: „In der zugehörigen App habe ich immer alles abrufbereit auf meinem Smartphone dabei und kann die Dokumente mit einem Stichwort schnell finden.“

Neben dem digitalen Aktenschrank nutzt sie vor allem das HI-Tier-Modul der Software. Gerade die automatische Vervollständigung der Ohrmarken ist für sie eine große Arbeitserleichterung: „Nichts anderes will ich mehr haben.“ Die Ackerschlagkartei des Programmes ist für sie dagegen nicht so wichtig: „Ich habe meine Flächen zwar in der Schlagkartei angelegt, nutze sie aber nicht aktiv.“ Interessant ist für Theresa Nagel dagegen die Möglichkeit, digital Belege mit dem Steuerberater zu teilen. Aktuell bietet die Software eine Schnittstelle zu Datev. „Mein Steuerbüro arbeitet mit Adnova. Aber ich bin ganz optimistisch, denn eine Schnittstelle zu Adnova ist geplant.“

Digitale Ausbildung

Den Umgang mit „top farmplan“ hat Theresa Nagel sich selbst beigebracht. „So ein Programm muss für mich vor allem verständlich sein. Ich habe mir online ein paar Tipps durchgelesen und dann durch Ausprobieren gelernt.“

Mehr digitalen Input hätte sie sich dagegen von der Fachschule gewünscht: „Digitalisierung spielte dort eigentlich gar keine Rolle. Dabei kommt heutzutage niemand, auch kein landwirtschaftlicher Betrieb, mehr daran vorbei. Das sollte auch in der Ausbildung Berücksichtigung finden.“

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