Wir haben Vorsitzende und Mitglieder vier verschiedener Vereine gefragt: "Was bedeutet Corona für das Vereinsleben?"
Wichtige gesellschaftliche Aufgabe
Regina Selhorst aus Herbern im Kreis Coesfeld ist Präsidentin des Westfälisch-Lippischen Landfrauenverbandes mit 43 000 Mitgliedern. Vor Corona führten die Landfrauen jährlich rund 11 000 Veranstaltungen durch.
„Vorstandssitzungen per Zoom, Kreislandfrauentage als Online-Veranstaltung – all das ist durch Corona für uns Landfrauen kein Problem mehr. Vor Beginn der Pandemie wären derartige Formate noch undenkbar gewesen. Mit Blick auf die Digitalisierung ist die Krise für uns daher wie ein Katalysator. Dass ältere Mitglieder dabei zu kurzkommen, habe ich nicht beobachtet. Im Gegenteil: Die Generationen rücken enger zusammen. Jüngere Familienmitglieder erklären den älteren, wie es funktioniert. Und bei Online-Vorträgen versammeln sie sich Mutter und Tochter oder Schwiegertochter gemeinsam vorm Bildschirm. Auch vonseiten des Verbandes kann jedes einzelne Mitglied Unterstützung bekommen, beispielsweise in Form einer Einführung in das Format der Videokonferenzen. Das ist uns sehr wichtig: Wir lassen niemanden im Regen stehen. Und damit übernehmen wir eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe.
Es gibt jedoch auch einige Dinge, die durch Corona auf der Strecke bleiben. Die intensiven persönlichen Gespräche. Trotz der Vorteile der Digitalisierung vermissen wir den direkten Austausch miteinander natürlich schmerzlich. Wir hoffen daher sehr darauf, dass es bald wieder möglich sein wird, sich in größeren Gruppen von Angesicht zu Angesicht zu treffen.“
Keine Schausteller, höhere Preise
Wolfram Schmitz aus Balve ist Bundesgeschäftsführer des Sauerländer Schützenbundes. Dem Dachverband gehören 354 Verbände mit 170 000 Mitgliedern an.
„Ich persönlich kann Corona für das Vereinsleben nichts Positives abgewinnen. Dass wir nun schon im zweiten Jahr in Folge auf unsere Schützenfeste verzichten müssen, ist für uns ein herber Verlust.
Bei einigen Vereinen gehen damit auch finanzielle Einbußen im vier- bis fünfstelligen Bereich einher. Das Geld kommt normalerweise unter anderem für Instandhaltungskosten und Renovierungsarbeiten an den Schützenhallen zum Einsatz. Dass ein Verein im Sauerland durch die Einbußen in finanzielle Schieflage geraten ist, ist mir bislang jedoch nicht bekannt. Ich glaube, dass es im Ort wohlhabende Mitglieder geben würde, die für den notwendigen Ausgleich sorgen.
Für Vereine, die bislang finanziell schon schlecht aufgestellt waren, könnte es in den kommenden Jahren jedoch eng werden. Denn auch wenn die Schützenfeste ab 2022 hoffentlich wieder stattfinden werden, rechnen wir mit niedrigeren Umsätzen. Für uns bleiben bislang viele Fragen offen.
Was für ein Hygienekonzept wird es geben? Werden die Leute sich trauen, zu einer Großveranstaltung zu gehen? Werden die Schausteller mit ihren Karussells und Buden bis dahin pleite sein? Die Attraktivität der Schützenfeste für Familien würde dadurch sinken, die Zahl der Besucher zurückgehen. All das würde bedeuten, dass die Preise für Eintritte, Essen und Getränke steigen müssen.“
Die Stimme wieder finden
Alois Gehlen (72) ist Vorsitzender des Gesangsvereins „Concordia Bellersen e. V.“ in Brakel-Bellersen, Kreis Höxter. Der Gesangsverein wurde 1898 als reiner Männer-Gesangsverein gegründet. Heute handelt es sich um einen gemischten Chor mit 45 aktiven Mitgliedern im Alter von 28 bis 84 Jahren.
„Viele Vereine hoffen derzeit darauf, sich wenigstens draußen wieder in größerer Zahl treffen zu können. Uns würde das noch nicht weiterbringen. Wir sind schließlich nicht so laut wie ein Blasorchester. Deshalb müssen wir darauf warten, bis auch Treffen in geschlossenen Räumen wieder möglich sein werden, so wie es im vergangenen Sommer nach dem ersten Lockdown für ein paar Monate der Fall war.
Damals lautete die Vorgabe, dass jedes Chormitglieder vor sich 4 und neben sich 3 m Abstand zur nächsten Person einhalten musste. Unsere Gemeindehalle bietet dafür zum Glück ausreichend Platz. Nicht alle unsere Mitglieder sind zu den Proben erschienen. Einigen war das Risiko trotz der Vorsichtsmaßnahmen zu groß.
Seit Beginn des zweiten Lockdowns haben wir uns nicht mehr in großer Runde getroffen. Auch unsere Jahreshauptversammlung im Januar haben wir verschoben. Sie digital durchzuführen, war für uns keine Option. Denn damit hätten wir unsere älteren Mitglieder, die schon seit Jahrzehnten dabei sind, beiseite gedrängt.
Ein bisschen Sorgen machen wir uns um die Situation unseres Dirigenten. Als Vollzeitmusiker bricht ihm durch Corona das gesamte Einkommen weg. Unser Vorstand hat daher beschlossen, dass wir unsere Dirigentenbeiträge auch ohne Proben weiterzahlen.
Wie es nach Corona weitergehen wird? Gerade für uns ältere Mitglieder wird es eine kleine Herausforderung sein, unsere Stimmen wieder auf Vordermann zu bringen. Außerdem hoffe ich, dass wir überhaupt alle Sängerinnen und Sänger wieder dazu motivieren können, zu den Proben zu kommen. Der ein oder andere hat vielleicht gefallen daran gefunden, mehr als sonst die Füße hochzulegen. Aktive Austritte haben wir seit Beginn der Pandemie nicht verzeichnet. Zwei Vereinsmitglieder sind jedoch verstorben. Das ist leider der Lauf der Dinge.“
Das ist eine Art Notbetrieb
Friedrich Rohlfing ist Vorsitzender des Fußballvereins „SC Hille“ mit insgesamt 15 Mannschaften, davon zwei Senioren- und 13 Jugendmannschaften. Die Gemeinde Hille besteht aus neun kleinen Ortschaften mit insgesamt 16 000 Einwohnern. Die Trainingsplätze sind auf drei Orte verteilt.
„Wie in anderen Bereichen ruht auch bei uns seit dem Lockdown der Spielbetrieb größtenteils. Derzeit nutzen wir die Möglichkeiten aus, die wir haben. Das bedeutet: Alle Mitglieder bis 14 Jahre können derzeit in Gruppen von maximal zehn Kindern trainieren.
Um den Kontakt zu den älteren Spielern zu halten, bieten wir Challenges an. Beispielsweise geht es darum, dass die Spieler sich einen Dribbleparcours aufbauen und sich beim Training filmen oder darum wetteifern, wer die meisten Kilometer läuft. Die Videos schicken sie an den Trainer, der den Sieger bekannt gibt. Für die Seniorenmannschaften bieten wir zusammen mit dem örtlichen Handballverein einmal pro Woche einen Online-Kurs mit einer Fitnesstrainerin an.
Das ist alles eine Art Notbetrieb, um nicht ganz in die Starre zu verfallen. Corona-bedingte Kündigungen der Mitgliedschaft haben wir nicht zu verzeichnen. Ein bisschen haben wir jedoch die Sorge, dass der ein oder andere Jugendtrainer feststellen könnte, dass er die Woche auch ohne Training ganz gut ausfüllen kann. Durch den regelmäßigen inhaltlichen Austausch per Zoom versuchen wir auch hier den Kontakt zu halten.
Unsere neueste Corona-Idee ist ein Video-Podcast-Format ,Ballverliebt – der Talk zum Sport‘. Talkmaster ist unser Vorstandsmitglied Kai Möllendorf. Die Folgen veröffentlichen wir auf unserer Homepage www.sc-hille.de.“